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Letum Leporis

Rabbids – La vie en rose rezensiert von Ullrich Cochanski

Es ist der Fluch alles Neuen, andauernd mit dem Alten verglichen zu werden. Produkte für die Jugend haben zusätzlich das Problem, dass dieser Vergleich von zynischen alten Männern vorgenommen wird. Und soweit es diesen ersichtlich ist, handelt es sich bei den »Rabbids« schlicht um Wiedergänger der Diddl-Maus: knutschkugelrunde Schutztalismane für die harten ersten Jahre an der weiterführenden Schule. Neben Federtaschen, Plüschtieren und Videospielen umfasst die erstaunlich profunde Rabbids-Produktpalette auch eine Comicserie, aus der nun mit La vie en rose der immerhin fünfte Band auf Deutsch vorliegt.

Die »Rabbids«, ursprünglich einmal ausgekoppelt aus dem Serienkanon des Jump ’n‘ Runs »Rayman«, haben sich seit ihren Auftritten als »Rayman’s Raving Rabbids« nunmehr scheinbar gänzlich verselbstständigt. Die kegelförmigen Hasen besitzen eine gewisse Affinität zu Krachmacherei, Toilettenpapier und Kühen. Sie sind eine Mischung aus ugly cute und brachial gewollter Absurdität und bieten sich somit geradezu perfekt als Kulturbotschafter für die Gegenwart an.

Seinen letzten gesamtgesellschaftlich relevanten Auftritt hatte der Hase als solcher vermutlich, als Nena im westdeutschen Musikfernsehen noch mit Vorliebe Angorapullover trug. Die Zeit wäre also reif für eine Rückkehr des Hasen an die vorderste Front des gesellschaftlichen Diskurses. Allein: Wo sich die Empirie verweigert, da gerät auch die wohlwollendste Dialektik an ihre Grenzen. Rabbids – La vie en rose ist ein Dokument des Banalen, dem man auch mit der gewagtesten Analyse keinen tieferen Sinn abringen kann.

Jeder Gag macht das Dilemma der Autoren überdeutlich, eine Geschichte zu erzählen, die sich eben nicht im Slapstick erschöpft. Die Empathie gerade im Absurden, die klassische Comicquerulanten, Faulenzer und Versager wie Garfield oder Gaston liebenswert macht und auch ihrem Scheitern stets eine gewisse Würde abringt, geht den austauschbaren Rabbids vollständig ab. Im Grunde gibt es nur einen Witz, und der geht so: Die Rabbids benutzen ein Objekt des täglichen Lebens nicht wie gedacht. Sie verwechseln Zebras mit Zebrastreifen, gießen blumengemusterte Hemden mit Wasser, werfen Mobiltelefone in den Briefkasten oder halten Fische in der Waschmaschine. Entweder ›gelingt‹ diese Aktion nun, und die Umstehenden staunen Bauklötze, während der Hase debil lächelt, oder aber er scheitert in seinem Ansinnen und verzerrt darob die Fratze zu einer Ikone der Verzweiflung, einer Art Müllschluckerschockstarre mit ausgerenktem Unterkiefer. Der Text, der diese Pose begleitet, lautet unweigerlich »Bwaaah« (manchmal auch mit vier oder fünf A, was aber mit dem Grad des Erstaunens nicht zu korrelieren scheint).

Verlangen diese bahnbrechenden Skripte einmal nach weiblichen Akteuren, stopfen sich die anscheinend geschlechtslosen Rammler Melonen in die Oberbekleidung und tun dann das, was Frauen eben so tun: einkaufen, sich von Männern an der Hand halten, retten oder begutachten lassen. Man müsste sich über diese Darstellung echauffieren, wenn nicht zugleich der gesamte Rest des Werks den Eindruck maximalen Bananaramas erzeugen würde.

So demonstrieren die Autoren einen verheißungsvollen Hang zur Dekonstruktion der Panelgrenze; die Rabbids bewegen sich stellenweise auch vertikal zwischen den Riemen oder verlassen nach dem Ausklopfen des Teppichs das ganze Panel, um auch dieses einmal kräftig auszuklopfen. Einen bleibenden Eindruck jedoch hinterlassen diese Taschenspielereien kaum. Ein Gag immerhin, der die mysteriöse Anziehungskraft von Kühen auf Rabbids thematisiert, lässt nicht nur alle Rabbids auf einer Seite wie verrückt deren Blöken entgegen rennen – er entvölkert auch ganz folgerichtig die Seiten davor und danach, deren Sprechblasen und Requisiten verwaist zurückbleiben.

Hier hat der Band seinen stärksten Moment, weil er sich nicht scheut, sich mit Inbrunst ganz und gar dem Unsinn hinzugeben und diesem seine rigide Struktur zu opfern. Dieser Mut zum Absurden fehlt andernorts leider. Nun mag man einwenden, dass es nicht die Aufgabe von Thitaume und Pujol ist, ein offenkundiges Kommerzvehikel wie die Rabbids zu Feuilletonlieblingen zu machen. Dennoch entsteht beim Lesen der Eindruck einer vertanen Chance, denn gerade im Windschatten der absoluten Anspruchslosigkeit jedweder Zielgruppe hat die Popkultur einige ihrer besten Arbeiten abgeliefert – man denke nur einmal an Comicserien wie Transformers oder G. I. Joe, welche im Vergleich zum tristen Hasen-Slapstick wahre Diskursfeuerwerke abbrennen.

Letztendlich bleibt nur Momente, nachdem man Rabbids – La vie en rose milde erzürnt, belustigt oder gelangweilt wieder zugeklappt hat, kaum ein Eindruck. Die Diddl-Maus heißt jetzt Rabbid, und der Rabbid hat sogar einen Comic. Rechtfertigt das allein den Kauf? Vermutlich nicht. Als Simulation des Lese­erlebnisses sei stattdessen empfohlen, in der Lokalzeitung allen Charakteren aus Hägar der Schreckliche rosa Hasenohren zu malen.

 

Rabbids
La vie en rose
Thitaume (W), Romain Pujol (P), Mistablatte (C)
Ãœbers. v. Martin Budde
Bielefeld: Splitter 2015
48 S., 11,95 Euro
ISBN 978-3-95839-916-7