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Ãœber diese Ausgabe

 

»Made in Austria – aha, von altem Käse ist die Rede« (Kraus, 91),1 spottete vor 100 Jahren Karl Kraus, wer sonst. Nein, nicht auf geronnene Milch soll hier die Sprache kommen, sondern auf den Comiczeichner Nicolas Mahler: ›made in Austria‹ im Jahre 1969, vor fünfzig Jahren also und schon deshalb geeigneter Gegenstand einer Sonderausgabe zu seinen Ehren. »Jeder Wiener steht allein im Weltenraum und bietet sich der Betrachtung« (ebd., 92), spottet Kraus weiter, jeder Wiener, soll das heißen, ist ein Original: »›Der Wiener geht nicht unter.‹ Hoffnung oder Drohung? Vielleicht nur eine Höflichkeit, für ›Unkraut verdirbt nicht‹« (ebd., 94). Kein Zweifel, Kraus konnte einen Schmäh führen, vor allem gegen die Wiener und die Österreicher. Wie Kraus (Helmut Qualtinger, Thomas Bernhard, Josef Hader, Wolf Haas …) ist Nicolas Mahler ein Vertreter des bissig-schwermütigen, aber immer charmanten Wiener Humors. Mahler pflegt ihn jedoch nicht nur in Worten (dort auch!), sondern vornehmlich in Bildern und Bildergeschichten. Die Beiträge in dieser Ausgabe versuchen dem nachzugehen: Sie stellt ihn jedoch nicht allein in den »Weltenraum« (wie Mahler seine Figur Kratochvil), sondern betrachtet den vielseitigen Künstler im Kontext.

Christian A. Bachmann gibt einleitend einen Überlick über das bisherige Schaffen des Wiener Comiczeichners und die bisherige Mahler-Forschung.

Angela Guttner hat sich anlässlich des 18. Internationalen Comic-Salons 2018 in Erlangen mit Nicolas Mahler getroffen, um mit ihm für diese CLOSURE-Ausgabe ein Gespräch über Comics, Literaturadaptionen und die nächsten 50 Jahre seiner Arbeit zu führen.

Robin-M. Aust geht in seinem Beitrag Grenzfälle und das Fallen von Grenzen »poetologischen Reflexionen in Nicolas Mahlers Formexperimenten« nach, also jenen Werken Nicolas Mahlers, die nicht ohne Weiteres mittels gängiger Kategorien wie ›Comic‹ oder ›Cartoon‹ zu fassen sind. Er spürt dabei den Rahmen nach, die Mahler in seinen experimentellen Werken setzt bzw. auf die er sich bezieht: Gattungs- und Genregrenzen, Buchmedialität, Paratextualität, Poetizität usw.

Kalina Kupczynska betrachtet unter dem ironischen Titel »It’s a beautiful story. You made me a very happy man« die Melancholie des Homo viennensis Mahler und seiner Comics am Beispiel der Einsamkeit, des Fiaskos und der Liebe.

Im Kontext von Thomas Bernhard untersucht Sunghwa Kim Mahlers Literaturadaptionen; der Comic (als Form wie als Werk) erscheint darin als konsequente Fortführung einer Anti-Mimesis-Kunst, die bereits bei Bernhard artikuliert wird.

Der komparatistische Ansatz von Monika Schmitz-Emans’ Beitrag Ernst Jandl und Nicolas Mahler: Variationen über ›das Gedicht‹ eröffnet eine Forschungsperspektive, die bislang Comics kaum berücksichtigte: Schmitz-Emans stellt den Comiczeichner Mahler und den Schriftsteller Ernst Jandl als ›ebenbürtige‹ Produzenten von ›Gedichten‹ einander gegenüber und zeigt dabei, wie beide dichterisch auf den Hund gekommen sind.

Daniela Kaufmann schließlich unterzieht in Das kleine Schwarze. Wedekind, Mahler und die nackte Ikone einer Zeit Mahlers Wedekind-Adaption Lulu und das schwarze Quadrat (2014) einer genauen Lektüre, die sie durch die Linse von Kasimir Malewitschs gleichnamiger Malerei-Ikone perspektiviert.

Die hier versammelten Beiträge kratzen zwar nicht nur an der Oberfläche des bislang kaum erforschten Werks von Nicolas Mahler. dennoch sollen sie auch als Indikator dafür verstanden werden, dass eine genauere Betrachtung von Mahlers Werken sinnvoll ist – und weit davon entfernt, abgeschlossen zu sein.

Der Dank der Herausgeberin und des Herausgebers gilt der Redaktion der CLOSURE, insbesondere Gerrit Lungershausen. Gedankt sei auch denjenigen Beteiligten, die einen Beitrag schreiben wollten, aber aus dem einen oder anderen zwingenden Grund nicht konnten. Svenja Engelmann-Kewitz sei für ihre Hilfe bei der Korrektur gedankt. Nicolas Mahler gebührt Dank für die freundliche Überlassung der Publikationsrechte für das Titelbild. Zum 50. Geburtstag sei ihm von Herzen gratuliert und für die Zukunft alles Gute gewünscht.

Berlin und Seoul, April 2019
Christian A. Bachmann
und Sunghwa Kim

  • 1]   Kraus, Karl: Nachts. 2. Aufl. Leipzig. Verlag der Schriften von Karl Kraus (Kurt Wolff), 1918.