Verlegerische Gigantomanie
George Herrimans »Krazy Kat«. Die kompletten Sonntagsseiten in Farbe. 1935-1944 rezensiert von Gerrit Lungershausen
Deutlich vor den anderen Katz-und-Maus-Stories um Felix the Cat (1919), Mickey Mouse (1928) und Tom and Jerry (1940) betrat George Herrimans Krazy Kat (1913-44) das Licht der Welt. Die insgesamt etwa 1.400 Sonntagsseiten aus der Feder von George Herriman gehören zu den großen Schätzen der Comic-Frühgeschichte. Kunsthistoriker Alexander Braun hat nun einen Band mit den Sonntagsseiten der Jahre 1935 bis 1944 vorgelegt.
George Herriman gastierte zu Beginn seiner Karriere in der typischen Rolle des wandernden Zeichners mal bei Joseph Pulitzer, mal bei Randolph J. Hearst, den beiden Giganten der Medienbranche. Letzterer bot Herriman eine lebenslange Festanstellung an und gewann damit das Tauziehen um den Zeichner, der sich als ein Genie der Comic-Frühzeit erweisen sollte.
Man könnte das Werkkorpus Herrimans unterteilen in die unbekannteren Strip-Serien wie Major Ozone oder The Familiy Upstairs und sein künstlerisches Hauptwerk Krazy Kat, an dem er von 1913 bis zu seinem Tod 1944 gearbeitet hat. Letzteres besteht aus den Daily Strips, die seit 1913 in verschiedenen Zeitungen von Hearsts Medienimperium erschienen, und den Sunday Pages. Diese musste Herriman ab 1916 zunächst in Schwarzweiß gestalten, weil Hearst sie nicht wie üblich im Comic Supplement platzierte, sondern im Feuilleton, wo der Verleger ein besseres Publikum für die intellektuell anspruchsvollen Stories vermutete. Ab 1935 fand Herrimans Krazy Kat ihren Weg in das farbig gestaltete Comic Supplement. Diese farbigen Sunday Pages versammelt der vorliegende Band.
Katze. Maus. Hund. George Herriman hat eine im Kern simple Dreieckskonstellation geschaffen, aus der sich genügend Stoff für eine Jahrzehnte währende Publikationsgeschichte ergeben hat. Krazy Kat ist verliebt in Ignatz, die Maus, die aber nur Abscheu für die Katze empfindet. Komplettiert wird die Ménage-à -trois durch den Hund Officer Pupp, der Krazy Kat aus Pflichtbewusstsein wie Zuneigung davor zu bewahren versucht, dass Ignatz sie mit dem Ziegelstein bewirft – so der Running Gag der Serie.
Die Geburt der zunächst als Daily Strip publizierten Serie war ein Unfall. Zunächst waren Katze und Maus nur Nebenfiguren in einem anderen Daily Strip, den Herriman für den New Yorker Zeitungsverleger Hearst zeichnete. Aus dem Erfolg dieser Serie, The Family Upstairs, wurde dann eine eigene Serie konzipiert, die nur um die bei den Leser_innen so beliebten Tiere kreisen solle.
Herriman hat von Anfang an mit den Möglichkeiten des Mediums experimentiert, hat mit formalen wie erzählerischen Konventionen gebrochen und den Kanon der Möglichkeiten des Erzählens in Bildern erweitert. Alexander Braun, Herausgeber des Bandes, Kunsthistoriker und Kurator diverser Comic-Ausstellungen, stellt Herriman in eine Reihe mit Avantgardisten anderer Disziplinen (Pablo Picasso, James Joyce, Samuel Beckett) und zieht ästhetische Klassiker wie Schiller oder Schlegel zu Rate, um sich dem Werk Herrimans zu nähern. Der einleitende 120-seitige Essay von Braun ist in Umfang, Anspruch wie Fachwissen ebenso gigantisch wie die Ausmaße des Buches. Der Kölner Coffee-Table-Book-Verlag Taschen neigt nicht erst seit gestern zur Gigantomanie, allerdings ist sie in diesem Fall wohlbegründet: Das reichlich unhandliche Format von 34,6 x 52,2 cm ermöglicht den Luxus, die Sonntagsseiten beinahe in Originalgröße betrachten zu können.
George Herriman und Krazy Kat gehören zu den Klassikern der amerikanischen Zeitungscomics – neben dem Werk von Winsor McCay oder Frank King. Dass Alexander Braun diese Edition von einem so ausführlichen und wiederum reich illustrierten Essay begleiten lässt, macht sie umso wertvoller. Fast bedauert man, nicht auch die Schwarzweiß-Sonntagsseiten in einer ebenbürtigen Ausgabe sehen zu können.
George Herrimans »Krazy Kat«. Die kompletten Sonntagsseiten in Farbe. 1935-1944.
Alexander Braun (Hg.)
Köln: Taschen Verlag, 2019
632 S., 150,00 EUR
ISBN 978-3836571944