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»The Good, the Bad, and the Ugly«
Obszönität und Tabubruch in den Comics von Aline Kominsky-Crumb

Véronique Sina (Köln)

Die Comics der jüdisch-amerikanischen Künstlerin Aline Kominsky-Crumb sind alles andere als konventionell. Als eines der wenigen weiblichen Mitglieder im »boy’s club« (Robbins, vii) der Underground-Comics1 debütiert Kominsky-Crumb, die 1948 als Aline Goldsmith in Long Beach, New York zur Welt kommt, mit der Kurzgeschichte Goldie: A Neurotic Woman. Der fünfseitige autobiografische Comic erscheint 1972 in der ersten Ausgabe der Wimmen’s Comix, einer Anthologie, die von dem gleichnamigen feministischen Kollektiv herausgegeben wird, dessen Mitbegründerin Kominsky-Crumb ist (vgl. Sina 2020a). Wie Hillary Chute in dem Vorwort zur jüngst publizierten Neuauflage von Love That Bunch (2018), einer Sammlung diverser Comicstrips, die sich rund um die Erlebnisse von Kominsky-Crumbs grafisches Alter Ego ›The Bunch‹2 drehen, konstatiert, gehört Goldie zu einer Reihe von »groundbreaking images« aus der unkonventionellen und tabubrechenden Feder der Underground-Künstlerin: »Even within the world of underground comics, which valued smashing taboos, Kominsky-Crumb broke barriers, especially with her consistent attention to embodiment« (Chute 2018, 4–5).

Während in zeitgenössischen populären Produktionen widerspenstige und selbstbestimmte Frauenfiguren zum Medien-Alltag gehören und queer-feministische Comic- Künstlerinnen wie Alison Bechdel, Marjane Satrapi, Emil Ferris, Liv Strömquist oder Ulli Lust internationale Erfolge feiern, weist Chute in ihren Ausführungen völlig zu Recht darauf hin, dass es sich hierbei um eine aktuelle Entwicklung handelt, die keinesfalls als gegeben (miss-)verstanden werden darf:

[I]n the 1970s, it was rare for a woman to put herself – the good, the bad, and the ugly – at the center of stories the way Kominsky-Crumb did. It was even rare in the no-holds-barred context of underground comics, where the men and women responsible for developing the serious ›graphic novel‹ field we have today published their comics entirely outside of mainstream production and distribution channels – and commercial strictures [sic!]. (Ebd., 5)

Der vorliegende Beitrag nähert sich aus gendertheoretischer, medienästhetischer und kulturwissenschaftlicher Perspektive den autobiografischen Comics von Aline Kominsky-Crumb. Anhand ausgewählter Beispiele soll verdeutlicht werden, wie die Underground-Künstlerin das mediale Potenzial der Comicform nutzt, um ihre zugleich persönlichen und politischen Geschichten zu erzählen, die außerhalb des hegemonialen patriarchalen Diskurses angesiedelt sind. Indem Kominsky-Crumb Obszönität und Tabubruch als probate Darstellungsmittel nutzt, gelingt es ihr, nicht nur unkonventionelle Themen und (Körper-)Bilder zu verhandeln und so die Grenzen des vermeintlich ›Normalen‹ zu durchbrechen. In ihren widerspenstigen, nonkonformen Comics konfrontiert sie die rezipierenden zudem mit der stereotypen Repräsentation geschlechtlich codierter jüdischer Identität(en), die sie nicht einfach nur reproduziert, sondern vielmehr in ihrer grotesken Überzeichnung reflektiert und ad absurdum führt.

Tabubrechende Dekonstruktion und obszöne Überzeichnung

Mit ihren tabubrechenden Comics, die nicht vor (vermeintlich) obszönen und provokativen Themen wie häuslicher Gewalt, sexuellem Missbrauch, Drogenkonsum, Menstruation oder ›perversen‹ sexuellen Neigungen und Praktiken zurückschrecken, sondern diese vielmehr in den Fokus ihrer persönlichen Erzählungen rücken, ist Kominsky-Crumb im Laufe ihrer Künstlerinnen-Karriere sowohl in der breiten Öffentlichkeit als auch innerhalb der feministischen Underground-Szene regelmäßig an gängige Grenzen des ›guten Geschmacks‹ gestoßen. So wurde nicht nur ihre Beziehung zu dem als »ultimate male chauvinist pig« (Kominsky-Crumb 2007, 150) verschrienen Comickünstler Robert Crumb von den Mitgliedern des Wimmen’s Comix-Kollektivs wiederholt kritisiert. Es ist auch ihr als ›hässlich‹ und ›ungelenk‹ empfundener Zeichenstil mit dem sie immer wieder den Unmut zahlreicher – meist männlicher – Fans und feministischer Kolleginnen auf sich gezogen hat.3

Wie Hillary Chute erläutert, weist der »particular style« (Chute 2018, 6) der ehemaligen Kunststudentin Anleihen an den deutschen Expressionismus auf und ist u. a. durch einen Mangel an mimetischem Realismus gekennzeichnet (vgl. ebd., 7). Insgesamt verzichtet Kominsky-Crumb in ihren expressionistischen Comics wiederholt und bewusst auf den Einsatz von Zentral- und Fluchtpunktperspektive. Diese Abweichung von konventionellen Darstellungsmodi mag ein Grund für die langjährige Un-Popularität ihrer Werke sein (vgl. ebd., 6). Während Kominsky-Crumbs sperriger Zeichenstil von Vielen als »unskilled« (ebd., 7) verkannt wird, bemerkt Chute jedoch, dass gerade in der Unvollkommenheit ihrer Comics ein spezielles Potenzial für die (mediale) Vermittlung emotionaler Dringlichkeit und Unmittelbarkeit liegt (vgl. ebd.). Chute schreibt hierzu: »Kominsky-Crumb has a thin, wavering line, and her panels, while much of the drawings lack realistic detail, are regularly crammed and crowded, especially in reproducing pattern and texture« (ebd.). Weiterhin heißt es bei Chute:

While Kominsky-Crumb has described her comics style variously as ugly, primitive, tortured, and scratching, for many readers, including me, its roughness, irregularity and ›imperfection‹ is welcoming, charming and every bit as (if not more) compelling than ›fine rendering‹. Her images feel vital, fluid, and direct. (Ebd.)

In ihren Comics verfolgt Kominsky-Crumb eine Repräsentationsstrategie der tabubrechenden Dekonstruktion und obszönen Überzeichnung, die Hand in Hand mit feministischen Inhalten und Botschaften geht:

Kominsky-Crumb’s deliberate scrawl, which refuses to be pretty, even though many [...] find it utterly compelling, echoes her subject matter in her line [...]. She aims to reveal the everyday sexuality of women, namely herself, deliberately stripping sex of its glamour [...] experience. (Chute 2017, 123)

Auf der zweiten Seite ihres in Schwarzweiß gehaltenen Debütwerks Goldie findet sich etwa ein Panel, welches die Protagonistin nackt auf dem Boden sitzend zeigt (Abb. 1). Die Beine sind gespreizt und mit dem Daumen der linken Hand stimuliert/penetriert Goldie ihre Vagina. Am oberen Bildrand ist der Kommentartext »I was always horny and guilty« (Kominsky-Crumb 2007 [1972], 141) zu lesen und auf dem Boden, zwischen den gespreizten Beinen der Protagonistin, liegen eine Möhre und ein weiteres Gemüse, das einer Gurke ähnelt. Beide sind zum Teil mit Vaginalsekret bedeckt. Der starre Blick der Protagonistin richtet sich, genau wie der Sprechblasentext »I’m fucked up. I know nobody else does this...« (ebd.)4 direkt an die Rezipierenden.

Abb. 1: Panel aus Goldie. A Neurotic Woman [1972].

Eine ähnlich unbeschönigte und konfessionelle Darstellung weiblicher Körperlichkeit und Sexualität findet sich ebenfalls in der Kurzgeschichte Bunch Plays With Herself (2018 [1975]), die Kominsky-Crumb selbst als »the most disgusting strip I’ve ever done« (zit. n. Chute 2010, 44) bezeichnet.5 Auf zwei Seiten wird den rezipierenden ein Auszug aus dem Alltagsleben von The Bunch präsentiert, inklusive einer Reihe höchst intimer Situationen und »bodily activities« (Chute 2010, 44) der Protagonistin. So werden die Rezipierenden im Verlauf des Comics Zeug_innen verschiedener ›abstoßender‹ Szenen, welche The Bunch u. a. beim Nasebohren oder Pickelausdrücken zeigen (vgl. Sina 2019). Im ersten Panel der mittleren Reihe der ersten Comicseite ist zudem zu sehen, wie sich die Protagonistin bei hochgeschobenem Kleid mit den Worten »Eeyew my ass really itches me / I hope no one sees« (Kominsky-Crumb 2018 [1975], 27) an ihrem juckenden Hintern kratzt. Im zweiten Panel steckt sich The Bunch sogar einen Finger in den Po, um im nächsten Bild mit den Worten »It smells and I like it« (ebd.) zugleich angewidert und fasziniert daran zu riechen.

Die erste Panelreihe der zweiten Comicseite widmet sich ganz dem Thema Masturbation. Ähnlich wie Goldie wird auch The Bunch hier nackt und mit gespreizten Beinen dargestellt. Genau wie Goldie blickt auch sie die Rezipierenden direkt an, während sie sich selbst befriedigt. Die demonstrative und unverblümte Zurschaustellung weiblicher Intimität und Sexualität wird in Bunch Plays With Herself jedoch noch weiter auf die Spitze getrieben, wenn im darauffolgenden Panel sowohl der Akt der Masturbation als auch die Vagina der Protagonistin in detaillierter ›Großaufnahme‹ zu sehen sind (Abb. 2). Mit dieser obszönen sowie tabubrechenden Darstellung gelingt es Kominsky-Crumb den weiblichen Körper – und damit ebenfalls weibliche Sexualität – zu de-idealisieren und zu de-mystifizieren (vgl. Chute 2010, 45). Dabei unterstreicht die gleichmäßige Anordnung von drei Bildreihen pro Seite, die sich wiederum aus jeweils drei, mit zittriger Linienführung umrandeten Panels zusammensetzen, die Repräsentation eines von der Norm abweichenden, aber gleichzeitig ›normalen‹, alltäglichen Umgangs mit Körperlichkeit, Weiblichkeit und Sexualität (vgl. Chute 2010, 47 sowie Sina 2019, 444).6 Auch wenn die expressionistischen Comics von Kominsky- Crumb wiederholt nackte weibliche Körper zeigen und sich immer wieder um die Themen Sex und Sexualität drehen, sind die repräsentierten Bilder und ihre Inhalte selten ›sexy‹ oder sexualisiert: »She reveals rape in her life, along with intimate details about what she enjoys about her sex life. And her exuberantly messy style is a register of the exuberantly messy bodies she puts on the page: coital, masturbating, defecating, bathing« (Chute 2017, 127).

Abb. 2: Panelfolge aus Bunch Plays With Herself [1975].

In dem autobiografischen Comic My Very Own Dream House, welcher 2018 in der Neuauflage der Love That Bunch-Anthologie zum ersten Mal abgedruckt wurde, nimmt sich Kominsky-Crumb weiterer Tabu-Themen an, nämlich Promiskuität, ungewollter Schwangerschaft, Adoption und exzessivem Drogenkonsum.7 Genauer gesagt erfahren die Rezipierenden, dass die Künstlerin während ihrer ›Hippie‹-Phase mit 18 Jahren schwanger wurde, nachdem sie mit »hundreds of guys« (Kominsky-Crumb 2018, 188) Geschlechtsverkehr hatte und davon ausgegangen war, dass LSD ein probates Verhütungsmittel sei. Diese intimen und zugleich schockierenden Details werden in einem Panel vermittelt, welches Kominsky-Crumbs grafisches Alter Ego nackt und hochschwanger zeigt. Damit verstößt die Künstlerin nicht nur inhaltlich, sondern auch auf der visuellen Ebene gegen das Tabu der Repräsentation des schwangeren weiblichen Körpers in zeitgenössischen westlichen Kulturen (vgl. Tyler, 69). »Despite a history of intense medical scrutiny and regulations, until recently, the pregnant woman has been conspicuously absent from popular visual representation« (ebd.), bemerkt etwa Imogen Tyler. Und auch Sandra Matthews und Laura Wexler weisen in ihren Ausführungen auf die traditionelle Exklusion und Un-Sichtbarkeit schwangerer Körper und Subjekte in der (Populär-)Kultur hin, wenn sie Schwangerschaft als »the very archetype of the hidden« (Metthews/Wexler, 1) bezeichnen:

Pregnancy currently occupies a marginalized and devalued discursive space even while, as a fashionable topic, ›the body‹ and ›the new reproductive technologies‹ gain ever-increasing glamour. Popular notions of pregnancy are carnal, often sentimental; sometimes they are even grotesque. The physical productions of the pregnant body are indiscreet – a subject for the doctor’s office, the bedroom and the private talk of women. The swollen womb is an atavistic protuberance of body fluid, blood and tissue. (Ebd.)

Indem Kominsky-Crumb offen und schonungslos alltägliche Erlebnisse und persönliche Erfahrungswerte thematisiert ohne dabei weibliche Körperlichkeit und Sexualität zu beschönigen oder zu glorifizieren, setzt sie nicht nur den bekannten Slogan der zweiten Frauenbewegung ›das Private ist Politisch‹ konsequent in ihren widerspenstigen Comics um. Die queer8-feministischen Strategien der tabubrechenden Dekonstruktion und obszönen Überzeichnung, die sich in ihren autobiografischen Werken ausmachen lassen, tragen ebenfalls dazu bei, hegemoniale (visuelle) Konventionen des Zeig- und Sagbaren nachzuzeichnen und sie dabei gleichzeitig in Frage zu stellen und zu erweitern.

The Crumbs: »It’s not a pleasant sight«

Aber nicht nur in ihren individuell kreierten Comics spielen Obszönität und Tabubruch eine zentrale Rolle. Ab den frühen 1970er Jahren beginnt Kominsky-Crumb gemeinsam mit ihrem damaligen Lebensgefährten und späteren Ehemann Robert Crumb kollaborative Comics zu zeichnen, die sie unter dem Titel Dirty Laundry Comics veröffentlichen (vgl. Chute 2017, 126). Wie bereits das Cover zur 1974 erschienenen ersten Ausgabe von Aline and Bob’s Dirty Laundry Comics verdeutlicht, ist der Name Programm: Vor einem Gartenzaun, der traditionsgemäß die heimische Privatsphäre vor Eindringlingen und neugierigen Blicken schützen soll und hinter dem sich eine urbane Skyline abzeichnet, sehen wir die grafischen Avatare von Aline und Bob, die bis auf Socken und Schuhe völlig nackt, einander gegenüberstehen, zwischen ihnen baumelt ihre sichtlich schmutzige (und stinkende) Wäsche an einer Wäscheleine (Abb. 3).9 Am linken Bildrand stehend, verdeckt der hagere und blasse Bob mit der rechten Hand seine Geschlechtsteile, während er in einer Sprechblase die Worte verkündet »Here I stand, naked to the world« (Crumb/Kominsky-Crumb/Crumb 2003 [1974], 6). Aline, deren stämmiger Körper am rechten Bildrand positioniert ist und deren geschickt platzierte linke Hand den Ansatz ihrer Schambehaarung erkennen lässt, während ihre entblößten Brüste deutlich zu sehen sind, erwidert daraufhin selbstbewusst »If you can do it Buddy so can I« (ebd.). Über den Gartenzaun ist eine weißhaarige Frau gelehnt, die die beiden nachdrücklich dazu auffordert, sich wieder anzuziehen, da ihre nackten Körper keinen angenehmen Anblick bieten (»It’s not a pleasant sight! Get dressed«). Die beiden Künstler_innen, die sich in ihren kollaborativen Comics jeweils selbst zeichnen, geben sich in ihrer Nacktheit und Körperlichkeit also weder besonders attraktiv noch begehrenswert. Indem sie vor den Augen der erbosten Nachbarin bzw. der Leser_innen, scham- und tabulos ihre schmutzige Wäsche waschen, »loten sie [in ihren Comics] aus, was Anziehung und Abstossung [sic!] ausmacht, wie man zum Aussenseiter [sic!] wird, wie sexuelle, soziale und ethnische Kräfte sich auf das Zusammenleben auswirken. Im Grunde produzieren sie [...] ein Psychogramm Amerikas, in dem sie sich selber als Fallstudien präsentieren« (Freund, 19).

Abb. 3: Robert Crumb / Aline Kominsky-Crumb: Dirty Laundry Comics. No. 1. Cover-Zeichnung [1974].

Neben der Cover-Zeichnung sei hier zudem beispielhaft der mehrseitige Comic Their Cute Li’l Life Together (2003 [1977]) erwähnt, der in der Complete Dirty Laundry-Sammlung zu finden ist, und der, entgegen seines Titels, alles andere als ein konventionelles, idyllisches oder reizendes Familienleben präsentiert. Vielmehr gewährt der in Kollaboration mit Robert Crumb entstandene Comic den Rezipierenden einen Einblick in das von Obszönität und Tabubruch geprägte Leben der beiden Protagonist_innen. Dass es hier eher unkonventionell zugeht wird bereits im ersten Panel verdeutlicht, wenn nicht nur eine gelangweilt dreinblickende Katze die Leser_innen direkt adressiert und sich mit Hilfe einer Sprechblase als ihr Haustier präsentiert (»I’m cute, too... I’m their pet!«), sondern auch Robert Crumbs Name nicht wie gewohnt mit einem C, sondern mit einem K geschrieben wird (Abb. 4).10 Die selbstironische Inszenierung setzt sich auch im weiteren Verlauf des Comics fort. So sehen wir zunächst wie Robert friedlich auf einer Veranda sitzt, und genüsslich in einem Buch liest, welches behauptet, Hitler sei immer noch am Leben und würde in der Antarktis eine geheime UFO-Basis betreiben. Nur einige Panels später werden die Rezipierenden Zeug_innen, wie der Protagonist von seiner geliebten Ehefrau körperlich malträtiert wird, da ihm von Aline sprichwörtlich das Rückgrat gebrochen wird.

Abb. 4: Ausschnitt aus Their Cute Li’l Life Together [1977].

Auf der nächsten Doppelseite wechselt die Szenerie »inside the house« (Crumb/Kominsky-Crumb/Crumb 2003 [1977], 46) und im zweiten Bild der ersten Panelreihe ist zu sehen, wie das grafische Alter Ego der Künstlerin nachdenklich auf der Toilette sitzt und völlig selbstbezogen vergessen hat, ihrem schmerzleidenden Ehemann zu Hilfe zu kommen. Das Panel kann als Reminiszenz an das von Kominsky-Crumb gezeichnete Cover der ersten Ausgabe des Underground-Magazins Twisted Sisters (1976) gelesen werden (Abb. 5a/b). Nachdem Kominsky-Crumb aufgrund ihrer Beziehung zu Robert Crumb sowie ihrer tabubrechenden, provokativen, »betont falsch und roh gezeichneten Comics« (Gehring 2016b, 53) Mitte der 1970er Jahre aus dem feministischen Wimmen’s Comix-Kollektiv ausgeschlossen wurde, gründet sie mit Diane Noomin ein eigenes ›kompromissloses‹ Comicmagazin, dessen Erstausgabe 1976 erscheint (vgl. ebd., 51). Das Cover der Erstausgabe zeigt, wie The Bunch halb nackt mit unrasierten Beinen in ›unvorteilhafter‹ Pose auf der Toilette sitzt, ihr Geschäft verrichtet und sich dabei angeekelt und verunsichert in einem Handspiegel betrachtet. In einem Interview mit Sarah Lightman kommentiert die Künstlerin die Darstellung auf dem Cover wie folgt:

When I did the first Twisted Sisters comic, I drew myself on the toilet because, like, when I was drawn to underground comics, and why I left the fine art world [...] was because I wanted to do something that people would throw away. Basically, they’d read it on the toilet and throw away. (Kominsky-Crumb/Lightman, 68)

Abb. 5a/b: Ein Panel aus Their Cute Li’l Life Together [1977] und das Cover von Twisted Sisters No. 1 [1976].

Für J. Andrew Deman steht das Cover pars pro toto für die tabubrechenden feministischen Inhalte des Underground-Magazins: »The cover sets the tone for the material contained within. The comics feature stories of frank and brutal honesty, conveying a less idealized side of women’s experience« (Deman, 77).

Wie Hillary Chute betont, bieten die Underground-Comics, deren oberstes Ziel darin besteht, sowohl inhaltliche als auch gestalterische Tabus zu durchbrechen, ihren Macher_innen erhebliche künstlerische Freiheiten: »underground comics gave cartoonists the chance to use comics to express aspects of sex and sexuality that weren’t able to be communicated above-ground, or in slicker media forms« (Chute 2017, 126). Darüber hinaus betont Chute in ihrer 2017 erschienenen Monografie Why Comics? From Underground to Everywhere, dass der moderne Comic durch eine grundlegende Affinität bzw. Verbindung zu Sex und Sexualität gekennzeichnet ist. »There are, and have always been, plenty of comics about sex and sexuality. Comics have long been connected to the sexually taboo – and still are« (ebd., 103). Daher verwundert es auch nicht, dass Aline Kominsky-Crumb und Robert Crumb im Laufe der Jahre immer wieder Szenen ihres unkonventionellen Sexuallebens im grafischen11 Medium Comic thematisiert und verhandelt haben. So auch in Their Cute Li’l Life Together. Nachdem Aline Robert doch noch dabei behilflich war, dessen ›gebrochenen‹ Rücken zu richten, bereitet sie ihm am heimischen Herd sein Mittagessen vor. Als Aline sich über den Esstisch beugt, um Roberts Teller dort abzustellen und ihm dabei ihren markanten Hintern entgegenstreckt, wird seine sexuelle Begierde entfacht. In einer Abfolge von vier Panels schubst er Aline (alias The Bunch) zunächst auf den Tisch, drückt ihren Kopf auf den vollen Teller, sodass ihr Gesicht gänzlich in seinem Mittagessen versinkt, zieht ihr die Hose herunter, um dann Geschlechtsverkehr mit ihr zu haben, während er lauthals und deutlich erregt »EEYAH!« (Crumb/Kominsky-Crumb/Crumb 2003 [1977], 49) ruft (Abb. 6). Diese durchaus gewaltsame und obszöne Szene stellt keine Ausnahme in den kollaborativen Arbeiten der beiden Künstler_innen dar. Vielmehr ist hier sogar eine Reminiszenz an einen weiteren gemeinsamen Comic auszumachen und zwar an eine Sequenz aus Aline ’N’ Bob’s Funtime Funnies (1974), einem Comic der ebenfalls in der Dirty Laundry-Anthologie abgedruckt ist und das Ehepaar in einer besonders kontroversen Szene beim Oralsex zeigt.

Abb. 6: Panelfolge aus Their Cute Li’l Life Together [1977].

Im Laufe einer Unterhaltung zwischen den beiden Protagonist_innen, zwingt sich Robert seiner Ehefrau regelrecht auf und schiebt ihr gewaltsam seinen erigierten Penis in den Mund. Während Robert den sexuellen Akt voller Erregung genießt, löst der Oralsex bei Aline einen Würgereiz aus und sie muss sich übergeben. Als Robert dies bemerkt reagiert er angewidert mit den Worten »You disgusting Pig! You’ve vomitted all over my rug!!« (Crumb/Kominsky-Crumb/Crumb 2003 [1974], 21) und drückt Alines Gesicht brutal in das Erbrochene (Abb. 7).12 In einem weiteren kollaborativen Comic wird diese Szene nicht nur aufgegriffen, sondern ebenfalls auf einer Metaebene kommentiert. Die als Let’s Have a Little Talk (1993) betitelte Kurzgeschichte, die als Einleitung zu der Complete Dirty Laundry Comics-Kompilation fungiert, inszeniert Robert und Aline in einem ironisch-selbstreflexiven Zwiegespräch. Hier wird nicht nur die Kooperation der beiden Künstler_innen reflektiert (die beiden diskutieren über ihre jeweiligen Zeichenstile und betrachten dabei einen Comic im Comic), sondern ebenfalls der tabubrechende und obszöne Inhalt ihrer gemeinsamen Arbeiten thematisiert und mit Alines geschlechtlich codierter jüdischer Identität verwoben. Genauer gesagt ist hier – wie bereits in Their Cute Li’l Life Together – ein Rekurs auf das kulturelle Stereotyp der pushy Jewish woman, also einer rechthaberischen, stetig nörgelnden, aufdringlichen und körperlich übergriffigen, vorlauten jüdischen Ehefrau zu beobachten, die ihren Mann bevormundet und unterdrückt.

Abb. 7: Ausschnitt aus Aline ’N’ Bob’s Funtime Funnies [1974].

In einer ironischen Gegenüberstellung von Bild und Text bezeichnet Robert seine Ehefrau im ersten Panel der vorletzten Reihe etwa als »PUSHINSKY« (Crumb/Kominsky-Crumb/Crumb 2003 [1993], 7), da eine ihrer Sprechblasen im Comic so viel Raum einnimmt, dass sie ihn zu zerquetschen droht und ihn über den Rand des Panels drängt. Im nächsten Panel wird das ironisch-reflexive Spiel mit geschlechtlich codierten kulturellen Identitäten noch weiter auf die Spitze getrieben, wenn Aline ihren Ehemann in die rechte Ecke des Bildes drängt und ihm dabei aufträgt, er möge doch den Rezipierenden mitteilen, dass sie es nicht gewesen sei, die ihn zu einer Zusammenarbeit gedrängt habe: »Oh that’s another thing I want you to tell them Robert is how I didn’t push you into doing this comic with me. You tell them how it was all your idear [sic]!« (Crumb/Kominsky-Crumb/Crumb 2003 [1993], 7). Im vorletzten Panel des Comics wendet sich daraufhin ein eingeschüchterter und nervös dreinblickender Robert direkt an die Rezipierenden mit den Worten: »That’s right, folks... It was my idea... I suggested to Aline that we do this book together... so, in case anybody thinks she’s a pushy Jew who manipulated me into this, you’re wrong... It was all my idea... really / I’m not kidding« (ebd.). Und auch Aline wendet sich in diesem Panel direkt an die Rezipierenden: »I also want you to know that I thought up the most depraved panel where he pushes my head in the vomit!«

Mit dieser Bemerkung nimmt die Künstlerin nicht nur direkten Bezug auf die weiter oben beschriebene Oralsex-Szene, sondern verweist ebenfalls auf die wiederkehrenden anti-feministischen Vorwürfe gegen ihren Ehemann, die dieser wiederum selbst in dem Comic A Word to You Feminist Women (1971) ironisch-selbstreflexiv kommentiert, wenn er zugibt, dass seine Werke zwar durchaus zahlreiche feindselige und brutale Handlungen gegen Frauen beinhalten, sich dabei in einer rechtfertigenden Haltung aber gleichzeitig auf das Recht der künstlerischen Freiheit beruft, das es ihm erlaubt, seine (sexuellen) Fantasien ohne weiteres im Medium Comic auszuleben (vgl. Kirtley, 269).13 und auch Hillary Chute betont in ihren Ausführungen, dass das Sexleben der beiden Künstler_innen zwar von Brutalität geprägt sei, die tabubrechenden, obszönen und gewaltsamen (Sexual-)Akte jedoch stets im gemeinsamen Einverständnis vollzogen werden und auch Aline Gefallen an ihnen findet (vgl. Chute 2018, 126). »Kominsky-Crumb consistently presents us with her ›secret‹ and unruly fantasies; she tells us and shows us the ›taboo‹ – for instance, that ›confidentially speaking‹, [...] she enjoys violent sex« (Chute 2010, 30). Dementsprechend ist beispielsweise in Their Cute Li’l Life Together eine Denkblase zu finden, in der Aline, deren Blick sich direkt an die rezipierenden richtet, zugibt, dass sie die oben beschriebene Szenerie durchaus genossen hat: »I enjoyed that quite a bit. I like it ruff [sic!], you know wat I mean?« (Crumb/Kominsky-Crumb/Crumb 2003 [1977], 49).

»I’am a J.A.P.« – Jüdische Stereotype und antisemitisches Bildrepertoire

In dem einleitenden Vorwort zur Complete Dirty Laundry Comics-Anthologie weist Aline Kominsky-Crumb die Leser_innen darauf hin, dass ihre unkonventionellen Comics, insbesondere die überzeichnete Darstellung der Figur Blabette Yakowitz, von diversen Zeitungs- und Zeitschriften-Herausgeber_innen als »sexist and anti-Semitic« (Crumb/Kominsky-Crumb/Crumb 2003, 5) interpretiert wurde(n). In der Tat lassen sich in den Arbeiten der Künstlerin unterschiedliche stereotype Darstellungen jüdischer Figuren ausmachen, wie auch Mihaela Precup konstatiert: »In her work, she makes repeated references to almost every stereotypical aspect of the Jewish American middle-class community in which she was raised, from the accent to the clothes, social mannerisms, and even preferred type of plastic surgery« (Precup, 314).14 Neben der bereits erwähnten pushy Jewish woman, bezeichnet sich Aline in Their Cute Li’l Life Together etwa selbst als Jewish American Princess (vgl. Crumb/ Kominsky-Crumb/Crumb 2003 [1977], 53). Das Stereotyp der Jewish American Princess, kurz JAP genannt, wurde in der amerikanischen Nachkriegsliteratur der 1950er Jahre (von vornehmlich männlichen Autoren wie Philip Roth) etabliert und in den 1970er Jahren zunehmend negativ konnotiert. Eine JAP zeichnet sich durch ihren ausgeprägten Materialismus, ihre Oberflächlichkeit, ihre Selbstbezogenheit und durch ihre finanzielle Abhängigkeit von ihrem Vater bzw. ihrem Ehemann aus. Darüber hinaus gilt eine JAP wahlweise als hypersexuell oder aber als unerotisch, frigide, faul und vorlaut.15

Wie Riv-Ellen Prell im Hinblick auf das Stereotyp der Jewish American Princess erläutert, spielt der Aspekt der Körperlichkeit eine zentrale Rolle für die (mediale) Repräsentation weiblicher jüdischer Figuren – sie schreibt:

The Jewish woman is represented through her body, which is at once exceptionally passive and highly adorned. She simultaneously lacks sexual desire and lavishes attention on beautifying herself. she attends to the needs of no one else, expending great energy on herself instead. This popularly constructed Jewish woman performs no domestic labor and gives no sexual pleasure. Rather, her body is a surface to decorate, its adornment financed by the sweat of the others. (Prell, 75)

In Their Cute Li’l Life Together greift Kominsky-Crumb die hier beschriebenen Stereotypen Eigenschaften der JAP gezielt auf, wenn ihr grafisches Alter Ego mit Bob in der Badewanne sitzt und ihrem Ehemann erläutert, warum es für sie nicht in Frage kommt, (harte) körperliche Arbeit zu verrichten: »I’am a J.A.P. I deserve only the best, why I should have a maid and a big new house an‘ a fancy car an‘ stuff, just like it sez [sic!] in cosmopolitan Mag.« (Crumb/Kominsky-Crumb/Crumb 2003 [1977], 53). Diese Äußerung wird von Bob mit einem despektierlichen »Yeah, ’at’s right, ›princess‹!!« (ebd.) quittiert bevor er Im darauffolgenden Panel abfällige Bemerkungen über Aline und »her people« (ebd.) macht (Abb. 8). In der folgenden Bildreihe, die sich aus zwei Panels zusammensetzt, presst Bob Aline zunächst einen Badeschwamm brutal ins Gesicht, bevor er sie unter Wasser drückt, ihr mit geballter Faust den Hintern versohlt und dabei folgende Worte an die Rezipierenden richtet: »Ya gotta keep these Jewish brat-girls in line, folks! Otherwise they get unbearably pushy and arrogant. / Not to mention presumptuous« (ebd.).

Ein weiteres Beispiel für die ironisch-selbstreflexive und zugleich tabubrechende Auseinandersetzung der Crumbs mit jüdischen Stereotypen und antisemitischen Klischees lässt sich in dem Comic Euro Dirty Laundry »Merci Au Revoir!« (1992) ausmachen, der ebenfalls in der Complete Dirty Laundry Comics-Anthologie abgedruckt wurde.16 Gemeinsam mit ihrer Tochter Sophie17 verlassen Aline und Robert ihr Heimatland USA um nach Frankreich überzusiedeln. Das erste Panel des Comics, das sich über die halbe Seite erstreckt, zeigt, wie sich die mit diversen Gepäckstücken beladene Familie Crumb auf den Weg nach Europa begibt, um nun dort ihre schmutzige Wäsche zu waschen. Aline, die hier sowohl das Stereotyp der pushy Jewish woman als auch der rast- und heimatlosen Jüdin verkörpert,18 geht der Gruppe selbstbewusst voran, gefolgt von ihrer materialistischen Tochter, die gedankenverloren darüber sinniert, ob es in Frankreich wohl auch so etwas wie Nintendo gibt, und ihrem Ehemann Bob, der sich – ganz im Sinne eines klischeehaften Schlemihls (vgl. Precup, 319)19 – unter der Last des Gepäcks schwitzend fragt, womit er dieses mühsame Schicksal verdient habe: »Why, I ask you... Whats my karma that I got stuck with this – this wandering Jew? I musta been a Nazi in my last life...« (Crumb/Kominsky-Crumb/Crumb 2003 [1993], 112; Herv. im Orig.).

Abb. 8: Panelfolge aus Their Cute Li’l Life Together [1977].

In der unteren Bildreihe der ersten Comicseite, die aus zwei gleichgroßen Panels besteht, sind erneut die grafischen Avatare von Aline und Bob zu sehen. Aline, die im linken Panel eine markante Ähnlichkeit zu der berühmten mexikanischen Künstlerin Frida Kahlo aufweist,20 lässt in einer Sprechblase verlauten, dass sie nicht länger ›jüdisch‹ wirken möchte, da Jüd_innen von allen gehasst werden (»But I don’t want to seem Jewish anymore... It’s too yucky + unpopular. everyone hates the Jews!«). Neben ihr steht das grafische Alter Ego von Robert Crumb – genauer gesagt dessen »previous incarnation« (ebd.). Bobs Aussehen erinnert in diesem Panel an einen stereotypischen Nazi-Funktionär, der den Hitler-Gruß ausübt und dabei folgende Worte spricht: »I’m not anti-semitic! some of my best wives have been Jewish... Ha Ha Ha Seig [sic!] Heil!« (ebd.). Im darauffolgenden Panel ist ein drastischer Wechsel zu beobachten, da Bob nun im Rahmen einer »prominente[n] Betonung der ethnisch-religiösen Differenz« (Decker, 2019) in die Rolle eines chassidischen Juden mit dem Namen Robbie Krumberg geschlüpft ist (Abb. 9). Crumb, der selbst nicht jüdisch ist, »fantasiert« sich hier also »in die Rolle eines [klischeehaft] ›jüdisch‹ aussehenden Alter Ego« (Freund, 19) und reproduziert damit gängige antisemitische Vorstellungen des orthodoxen ›Schtetl-‹ oder auch ›Ostjuden‹.21 Gleichzeitig weist Crumbs Alter Ego die rezipierenden darauf hin, dass er gar kein ›echter‹ Jude sei, sondern sich nur so vorkomme: »Why, I’m practically a Jew myself, I’ve been hanging around with Jews so long... often I find myself the only goy in a room full of yidlocks« (Crumb/Kominsky-Crumb/Crumb 2003 [1993], 112; Herv. im Orig.).

Abb. 9: Ausschnitt aus Euro Dirty Laundry [1993].

Aber nicht nur Crumbs tabubrechende Darstellung bedient sich hier antisemitischer Sprache sowie eines jüd_innenfeindlichen Bildrepertoires. Am unteren rechten Panelrand ist eine Textbox abgebildet, in der »blood sucking parasite« (ebd.) zu lesen ist. Von der Box geht ein Pfeil aus, der selbstreflexiv auf das Profil von Aline zeigt, deren Blick auf Bob alias Robbie Krumberg gerichtet ist. In ihrer Monografie »How Come Boys Get to Keep Their Noses?« Women and Jewish American Identity in Contemporary Graphic Memoirs weist Tahneer Oksman darauf hin, dass die Künstlerin hier das geschlechtlich codierte Stereotyp der »Jewish women [...] as parasites« (Oksman, 56) aufgreift und kommentiert die erste Seite von Merci au Revoir! wie folgt: »Crumb’s caricature brings to the forefront the question of how much one can reinvent or play with one’s identity in autobiography without in some way reducing the self or other to stereotype, without preying on the other or on notions of the other« (ebd.). Weiterhin heißt es bei Oksman:

As with the choice of Frida Kahlo as self-image, Kominsky Crumb continually brings up questions about the relationship between gender and perception in her investigations of inherited identities and stereotypes. Her sense of self, particularly in relation to her non-Jewish husband, is always influenced by the problematic ways others have represented such relations. (Ebd.)

In diesem komplexen Wechselspiel von Fremd- und Selbstzuschreibung, veranschaulicht die überhöhte karikaturhafte und unbeständige (Selbst-)Darstellung der Künstler_innen die gesellschaftspolitische ›Macht der Bilder‹ mit Blick auf die medial-diskursive Dokumentation, Inszenierung und Konstitution von ›Jüdischsein‹. Aber auch die performative und relationale Dimension medialer Darstellungen von ›Jüdisch-‹ bzw. ›Nicht-Jüdischsein‹, die stets auf dem Prinzip der Differenz und Wiederholung basiert, kommt hier genauso zum Vorschein, wie die geschlechtliche Strukturierung antisemitischer (Körper-)Bilder (vgl. A.G.Gender-Killer 2005a, 7).

Ein weiteres geschlechtlich codiertes kulturelles Stereotyp jüdischer Weiblichkeit, das in den autobiografischen Comics von Aline Kominsky-Crumb zu finden ist und auf das abschließend eingegangen werden soll, lässt sich in der wiederkehrenden Figur der bereits erwähnten Blabette Yakowitz ausmachen. Blabette, die von Kominsky-Crumb als überzeichnete Version ihrer Mutter angelegt ist, wird von Mihaela Precup treffend als »domineering insensitive Jewish mother« (Precup, 319) beschrieben.22 Unter der Bezeichnung Jewish Mother wird in der Regel eine archetypische weibliche Figur subsumiert, die in unzähligen medialen Wiederaufführungen als materialistisch, lautstark und aufdringlich charakterisiert wird (vgl. Woodbury, 103). Wie Marsha Woodbury erläutert, kann das Stereotyp der Jewish Mother u. a. auf historische Wurzeln im Judentum zurückgeführt werden: »The Jewish woman had to manage the family while her husband pursued religion, and consequently developed the strong personality and sharp business skills that make up her stereotype« (ebd.). Das Bild der dominanten jüdischen Frau bzw. Mutter wurde im Rahmen des Dritten Reichs von den Nazis zum Zweck der Diffamierung aufgegriffen und für jüd_innenfeindliche Propaganda genutzt. So zeichnete etwa

der NS-Karikaturist des Stürmers, Philipp Rupprecht, [...] ausschließlich dicke, hässliche Frauen, die ihre Männer dominierten und damit einmal mehr deren schwächliche, feige Passivität unterstrichen. Genauso abstoßend und hässlich wie andere rassische Frauen dargestellt, sollte sie im Gegenzug die Reinheit der arischen Frau herausstellen. Auch die Jüdinnen hatten jetzt Hakennasen, wulstige Lippen und schwarzes Krausehaar und waren dadurch dem griechischen Idealkörper der Arierin völlig entgegengesetzt. Außerdem wurden sie als lächerlich dick und auffällig geschmückt und gekleidet karikiert. (A.G.Gender-Killer 2005b, 56)

In ihrem Aufsatz The JAP, the Yenta and the mame in Aline Kominsky Crumb’s graphic imagination befasst sich F. K. Clementi mit dem tabubrechenden »graphic anti-semitic humor« (Clementi, 1) der Künstlerin und verdeutlicht dabei die Genealogie, die sich von antijüdischen Karikaturen des 19. und 20. Jahrhunderts bis zu den grotesken Überzeichnungen weiblicher jüdischer Figuren in den Werken von Kominsky-Crumb ausmachen lässt (vgl. ebd., 4–5). Gleichzeitig betont Clementi jedoch, dass Kominsky-Crumb nicht ›kommentarlos‹ auf antisemitische Bilder zurückgreift, sondern dass ihre Comics als überhöhte ›Illusionen‹ und Stereotype ›Masken‹ ohne Referenz an ein wie auch immer geartetes außer-mediales ›Original‹ verstanden werden müssen. »Kominsky-Crumb turns Jewish identity into a mask [...] trickering the viewer’s trust in what one sees: essentialized identity is gone, fluidified by caricature [...] or the masquerade« (ebd., 18).

Besonders deutlich wird dies mit Blick auf die überzeichnete Darstellung von Blabette. In Their Cute Li’l Life Together wird sie den Leser_innen im Rahmen eines Telefongesprächs, das sie zunächst mit Bob und dann mit Aline führt, als lästige, lautstarke und übergriffige (Schwieger-)Mutter präsentiert, die sich, restlos selbstbezogen, nicht für die Probleme Anderer interessiert. Zudem wird sie als geizig charakterisiert, da sie den Protagonist_innen, die in Geldnot geraten sind, trotz ihrer gut situierten finanziellen Lage, nicht aushelfen möchte (vgl. Crumb/Kominsky-Crumb/Crumb 2003 [1993], 69–70). Bereits in dieser kurzen Einführung werden also zahlreiche negativ konnotierte Eigenschaften abgerufen und reproduziert, die auch innerhalb antisemitischer Zuschreibungen (z. B. der_die wohlhabende sowie geizige Jüd_in) zu finden sind. Über diese negativen Charaktereigenschaften hinaus wird Blabette von Kominsky-Crumb als besonders hässliche, ja sogar monströse Frau mit spitzen Zähnen, dicken Lippen, krausem Haar und langen, krallenartigen Fingernägeln gezeichnet. In dem zweiseitigen Comic The Bunch, Her Baby, and Grammaw Blabette, der in der Love That Bunch-Anthologie zu finden ist, bedient sich Kominsky-Crumb einer noch groteskeren Überzeichnung der Figur. So werden nicht nur Blabettes Gliedmaßen völlig unproportional dargestellt, auch ihr Gesicht wirkt stark verzerrt. Ihre Nase ist kaum noch als solche zu erkennen, ihre Augen ähneln mehr denen eines Tieres als eines Menschen und ihr riesiger Mund ist voller messerscharfer Reißzähne.

Im letzten Panel des kurzen Comics, das beinahe die komplette Seite einnimmt, wird die Vulgarität und Monstrosität der Figur zusätzlich mit Hilfe einer expressionistischen Linienführung und besonders starker Schwarzweiß-Kontraste sowie einer gezackten weißen Fläche unterstrichen, die hinter Blabettes überdimensionalem Porträt zu sehen ist (Abb. 10). Darüber hinaus scheint ihre Monstrosität und Maßlosigkeit hier keine Grenzen mehr zu kennen, da sich Blabettes Kopf an dem oberen Panelrand drückt und diesen zu durchbrechen droht. Aber nicht nur Blabettes Erscheinungsbild ist extrem überspitzt, sondern auch ihre Sprache, da sie von Kominsky-Crumb mit einem nur schwer verständlichen Brooklyn Jewish accent ausgestattet wird. Mit Blick auf die linguistische ›Verzerrung‹ der Figur, bemerkt Clementi Folgendes:

What in German anti-semitic fantasies had been the mauscheln (the distorted German speech of the Jew) in Kominsky-Crumb’s universe is what I call Brooklyn’glish (and its less regional version, Jewnglish), the accented and perverted English of American Jews, and to a certain extent, of all the underclasses belonging to minorities struggling to leave the bottom of the barrel to which their ›foreignness‹, ›un-whiteness‹, otherness, has regulated them. (Clementi, 9; Herv. im Orig.)

In den Comics von Kominsky-Crumb lässt sich also nicht nur auf der bildlichen, sondern auch auf der textuellen Ebene eine groteske und obszöne Repräsentation jüdischer Figuren ausmachen. In der karikaturhaften Überzeichnung und Verzerrung ihrer Comics gelingt es der Künstlerin jedoch antijüdische Stereotype kenntlich zu machen und dabei gleichzeitig ad absurdum zu führen. »Thanks to the graphic medium, Kominsky Crumb co-opts the image of Jewish womanhood, not to give it a positive spin [...] but rather to disestablish it« (ebd., 2).

Abb. 10: Panel aus The Bunch, Her Baby, and Grammaw Blabette [2018].

Schlussbemerkungen

In dem Vorwort zu dem Ausstellungsband Aline Kominsky-Crumb & Robert Crumb. Drawn Together (2016) beschreibt Annette Gehring, Kuratorin der gleichnamigen Ausstellung, die vom 7. Juli bis 13. November 2016 im Cartoonmuseum Basel zu sehen war, das künstlerische Œuvre des kontroversen Ehepaars als »Unikum in der Comicwelt« (Gehring 2016a, 5). Darüber hinaus erläutert sie, dass die Comics von Aline Kominsky-Crumb und Robert Crumb stets mit den »Erwartungen des Publikums« spielen und »auch inhaltlich Gewohn- und Gewissheiten« zertrümmern (ebd.). »Vor der auf den ersten Blick banalen Folie häuslichen Alltagslebens« werden die rezipierenden Zeug_innen »der permanenten und schonungslosen offenen Selbstreflexion und Auseinandersetzung der beiden Hauptfiguren« (ebd.). Wie im Rahmen des vorliegenden Beitrags verdeutlicht wurde, sind die kollaborativen Comics der Crumbs, genau wie die individuellen Arbeiten von Aline Kominsky-Crumb, in ihrer schonungslosen Offenheit oftmals obszön und fast immer tabubrechend.

Als Pionierin der feministischen Underground-Bewegung und Wegbereiterin des autobiografischen Comics23 scheut sich Kominsky-Crumb nicht davor, hegemoniale Wert- und Weltvorstellungen mit Hilfe ihrer expressionistischen Comics gezielt in Frage zu stellen. Dabei konfrontiert sie ihre Leser_innen mit grotesken (Körper-)Bildern, antisemitischen Stereotypen sowie nonkonformen Themen und bringt diese mit ihrer eigenen (kulturellen) jüdischen Identität in Verhandlung. Die Grenzen des ›guten Geschmacks‹ werden dabei nicht nur überspannt, sondern regelmäßig durchbrochen. Trotz ihrer von Unsicherheit und Selbsthass geprägten Figuren (und Geschichten), scheint dies Kominsky-Crumb jedoch weder peinlich noch unangenehm zu sein. Im Geiste einer queer-feministischen Gegenkultur präsentiert sie sich bzw. ihr grafisches Alter Ego vielmehr als »proud of being gross« (Crumb/Kominsky-Crumb/Crumb 2003 [1993], 7) und kreiert damit ein alternatives Verständnis von ›Weiblichkeit‹ jenseits etablierter Schönheitsnormen und gesellschaftlich akzeptierter Konventionen.

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Abbildungsverzeichnis

  • Abb. 1: Aline Kominsky-Crumb: Goldie. A Neurotic Woman [1972]. In: Kominsky-Crumb 2007, S. 141.
  • Abb. 2: Aline Kominsky-Crumb: Bunch Plays With Herself [1975]. In: Kominsky-Crumb 2018, S. 27.
  • Abb. 3: Robert Crumb / Aline Kominsky-Crumb: Dirty Laundry Comics. No. 1. [1974], Cover. In: Crumb/Kominsky-Crumb/Crumb 2003 [1993], S. 6.
  • Abb. 4: Robert Crumb / Aline Kominsky-Crumb: Their Cute Li’l Life Together [1977]. In: Crumb/Kominsky-Crumb/Crumb 2003 [1993], S. 44.
  • Abb. 5a/b: Rechts (5a): Robert Crumb / Aline Kominsky-Crumb: Their Cute Li’l Life Together [1977]. In: Crumb/Kominsky-Crumb/Crumb 2003 [1993], S. 46. Links (5b): Kominsky-Crumb/Noomin 1976, Cover.
  • Abb. 6: Robert Crumb / Aline Kominsky-Crumb: Their Cute Li’l Life Together [1977]. In: Crumb/Kominsky-Crumb/Crumb 2003 [1993], S. 49.
  • Abb. 7: Crumb, Robert / Aline Kominsky-Crumb: Aline ’N’ Bob’s Funtime Funnies [1974]. In: Crumb/Kominsky-Crumb/Crumb 2003 [1993], S. 21.
  • Abb. 8: Robert Crumb / Aline Kominsky-Crumb: Their Cute Li’l Life Together [1977]. In: Crumb/Kominsky-Crumb/Crumb 2003 [1993], S. 53.
  • Abb. 9: Robert Crumb / Aline Kominsky-Crumb / Sophie Crumb: Euro Dirty Laundry »Merci Au revoir!« In: Crumb/Kominsky-Crumb/Crumb 2003 [1993], S. 112.
  • Abb. 10: Aline Kominsky-Crumb: The Bunch, Her Baby, and Grammaw Blabette. In: Kominsky-Crumb 2018, S. 119–120.

 

  • 1] Im Gegensatz zu den Mainstream-Comics – allem voran den populären Superheld_innen-Comics der Verlage DC und Marvel – richten sich die Underground-Comics, welche in den 1960er Jahren in den USA entstehen und zumeist in Selbstverlagen möglichst günstig produziert und dann ›unter dem Ladentisch‹ verkauft wurden, an eine erwachsene Leser_innenschaft. Dementsprechend überwiegen in den Underground-Comics vor allem gesellschaftskritische und tabubrechende Themen wie Sex, Drogen und Gewalt.
  • 2] Der Name ›The Bunch‹ stellt eine bewusste Anlehnung an den von Robert Crumb kreierten Charakter Honeybunch Kaminski dar – einer Comicfigur, die von Naomi Gregoris als »freizügiges junges Mädchen mit strammen Waden und langen Haaren« (Gregoris, o.S.) beschrieben wird. Wie Aline Kominsky-Crumb wiederholt in Interviews berichtet hat, wurde die Comickünstlerin – aufgrund der Ähnlichkeit der beiden Nachnamen Kominsky und Kaminski – von ihren Freunden ›Honeybunch‹ genannt, noch bevor sie ihren späteren Ehemann Robert Crumb überhaupt kennengelernt hatte. Da Kominsky-Crumb die Figur der Honeybunch Kaminski irgendwann als zu passiv und zu konform empfand, beschloss sie, ihrem autobiografischen Alter Ego den Namen ›The Bunch‹ zu geben (vgl. Bagge, o.S.).
  • 3] Zu Stilfragen und den Comics von Aline Kominsky-Crumb siehe Etter 2020.
  • 4] Mit dem Sprechblasentext kommentiert Kominsky-Crumbs grafisches Alter Ego nicht nur ihre vermeintlich obszöne Sexualität. Die Aussage kann ebenfalls als Meta-Kommentar zu der hier präsentierten tabubrechenden Zeichnung einer Comic-Künstlerin verstanden werden.
  • 5] Der Comic Bunch Plays With Herself wird ebenfalls in dem Interview thematisiert, das Sarah Lightman mit Aline Kominsky-Crumb geführt hat und das in der vorliegenden Closure-Ausgabe zu lesen ist. In dem Interview äußert sich Kominsky-Crumb wie folgt zu dem Comic: »This is ... the most disgusting and the most horrifying story I’ve ever done and I didn’t do it... I wasn’t... I don’t plan what I do. I didn’t do it to be disgusting but it’s, like, about every horrible and fun thing you can do with your body. And I think if a man did it, it might be bad, but it’s so much worse when a woman does it. And, like, it truly horrified everyone I knew. When I actually, look at it now. I cannot believe that I came up with this. It’s really incredible« (Kominsky-Crumb/Lightman 2020, S. 67).
  • 6] Für eine detaillierte Analyse von Bunch Plays With Herself im Hinblick auf die Gender-Frage siehe ebenfalls Sina 2020c.
  • 7] Wie Kominsky-Crumb selbst bemerkt, hat sie nicht nur vor, sondern auch während ihrer Schwangerschaft regelmäßig Drogen konsumiert, was einen weiteren (gesellschaftlichen) Tabubruch darstellt. »In these days of heightened scrutiny and huge moral judgement about women’s material behaviors, admitting to doing ›lots of drugs‹ during pregnancy is not a conventional fact to publicly disclose, especially because, here, it is resolutely not in the form of asking for an apology, and sidesteps shame altogether« (Chute 2018, 9).
  • 8] Unter ›queer‹ wird hier in einem bewusst offenen und weit gefassten Sinne »die Unabgeschlossenheit und Widerständigkeit gegen binäre Strukturen und feste Kategorien« (Brunow/Dickel 2018, 8) verstanden.
  • 9] Die Zeichnung dient ebenfalls als Cover der vorliegenden CLOSURE-Spezialausgabe #6.5.
  • 10] Dass auch in diesem Comic der Crumbs schmutzige Wäsche gewaschen wird, wird bereits durch den Titelschriftzug verdeutlicht, dessen Buchstaben nassen Wäschestücken ähneln, die mit Hilfe von Wäscheklammern an einer Leine befestigt wurden.
  • 11] Wie Hillary Chute erläutert, ist die Verbindung von Sex bzw. Sexualität und dem grafischen Medium Comics bereits in dem englischen Wort graphic eingelassen: »›Graphic‹ in many contexts simply means sex« (Chute 2018, 104).
  • 12] Auf den Zusammenhang von Sexualität und Gewalt in den kollaborativen Comics der Crumbs geht u. a. Hillary Chute ein (vgl. Chute 2010).
  • 13] Siehe hierzu auch Kupczynska 2020.
  • 14] Siehe hierzu auch Sina 2020b.
  • 15] Zu den bekanntesten popkulturellen Verkörperungen dieses Stereotyps zählt sicherlich die Figur der Fran Fine aus der US-Amerikanischen TV-Serie The Nanny (1993–1999).
  • 16] Siehe hierzu auch Frahm 2020.
  • 17] Zu den Arbeiten von Sophie Crumb siehe u. a. Nowotny 2020.
  • 18] Zum Konzept des_der ›heimatlosen‹ Jüd_in in der Populärkultur siehe u. a. Engelmann 2016.
  • 19] Im Rahmen ihrer Ausführungen zu den Comics von Aline Kominsky-Crumb beschreibt F. K. Clementi die stereotype Figur des Schlemihls wie folgt: »The schlemiel has a long history dating back to pre-Hasskalah Jewish culture – in the universe of the eastern shtetlach. [...] The schlemiel is the first-generation out-of-the-ghetto father, a burning embarrassment to his assimilated children« (Clementi, 9–10; Herv. im Orig.).
  • 20] Dass Kominsky-Crumb ihr grafisches Alter Ego wie Frida Kahlo aussehen lässt, bringt noch eine weitere Bedeutungsebene in Bezug auf die Reflexion (kultureller) jüdischer Identität ins Spiel, die Tahneer Oksman wie folgt beschreibt: »Here, she draws herself to look like Frida Kahlo, with thick eyebrows and a cross around her neck, though her characteristic hair, nose, eyes and lips remain. In this panel her visual self-depiction emphasizes the possibility, in autobiography, of representing the self by using whatever image suits one’s particular needs and desires at any moment in time [...]. But her alter ego’s words, in addition to her enduring ›Jewish‹ features, quickly complicate that possibility by declaring her Jewishness on the page. This opportunity for self-fashioning is additionally undercut by the reader’s potential knowledge by Kahlo’s own rumored Jewish patrilineal background« (Oksman, 54).
  • 21] Wie in einer Definition der GRA Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus nachzulesen ist, wurde der »Begriff ›Ostjude‹ [...] vom jüdischen Schriftsteller Nathan Birnbaum zu Beginn des 20. Jahrhunderts als Gegenbegriff zum ›Westjuden‹ geprägt. Wichtiger als die geografische Dimension waren dabei die sozioökonomischen, kulturellen und religiösen Unterschiede zwischen ›Westjuden‹ (meint v. a. Juden aus Deutschland) und ›Ostjuden‹ (meint Juden aus dem östlichen Europa). Der Begriff ›Ostjude‹ ist durch die Verwendung in der antisemitischen Propaganda deutschnationaler Kreise negativ konnotiert« (https://www.gra.ch/bildung/gra-glossar/begriffe/judentum/ostjude/. Letzter Zugriff am 17.02.2020). In populärkulturellen Medien wird ein stereotyper ›Ostjude‹ in der Regel als ein orthodoxer männlicher Jude in traditioneller dunkler Kleidung mit Hut, langem Bart und Schläfenlocken inszeniert. Eine besonders prominente Version dieses medialen Stereotyps lässt sich etwa in dem Film Annie Hall (1977) finden, wenn die von Woody Allen gespielte Figur des jüdischen Alvy Singer beim gemeinsamen Osteressen mit seiner christlichen Lebensgefährtin plötzlich als orthodoxer Jude am Tisch sitzt.
  • 22] Bei Blabette handelt es sich um einen sprechenden Namen (telling name), der von dem englischen Verb to blab (zu Deutsch plappern) abgeleitet ist (vgl. Oksman, 60).
  • 23] Zur Rolle von Aline Kominsky-Crumb für die Geschichte und Entwicklung autobiografischer Comics siehe Gardner 2008.