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The Book of Robert
Crumb und die â€șillustrierteâ€č Schöpfung

Katharina Serles (Wien)

Als The Book of Genesis. Illustrated by R. Crumb1 im Oktober 2009 erschien, war es weder der erste noch der letzte Comic, der sich mit der (biblischen) Schöpfungsgeschichte, mit Gott und Religion auseinandersetzte (vgl. Hajdu 2009). »Comics have always been about mythic narratives and beings« (Rushkoff 2010, ix), konstatiert der Autor und Medientheoretiker Douglas Rushkoff, der selbst fĂŒr das Skript der Comic-Serie Testament (2006–2008) verantwortlich zeichnet. Wenn auch das adverbiale â€șimmerâ€č nicht seriöserweise belegt werden kann, sprechen zahlreiche einschlĂ€gige Quellen doch fĂŒr eine zumindest intensive Auseinandersetzung des Mediums mit Religion: InterdisziplinĂ€re Forschungen zu Comics und Religion (vgl. z. B. Wermke 1976; Lewis/Hoff Kraemer 2010; Heinzelmann 2017; Gamzou/Kottun-Fromm 2018; Wessely/Heimerl 2018; www.sacredandsequential.org) zeigen auf, wie weitreichend und vielfĂ€ltig die BezĂŒge und Referenzmodi sind.

Egal wie weit und bestellt das Feld auch ist, Robert Crumbs Genesis. Illustrated wird dennoch eine spezielle – wenn nicht sogar exklusive – Position zugedacht, die in dreierlei Hinsicht zentral mit dem Autor verknĂŒpft ist und darin ebenso auf dreierlei Weise provoziert: sein Bibel-Comic sei erstens außergewöhnlich, weil er von Crumb stamme, der in seiner tabulosen beziehungsweise tabubrechenden kĂŒnstlerischen Haltung beinahe denkunmöglich mit einem so â€șheiligenâ€č Gegenstand zusammenzubringen sei. In seiner Rezension »God Gets Graphic« schreibt David Hajdu: »The prospect of Crumb’s doing the Bible might seem at first a stunt, an all-too-obvious mash-up of the most sacred and the most profane« (Hajdu 2009). Zweitens, weil die Bibel (sei das nun ĂŒberraschend oder nicht) viele Übereinstimmungen in Bezug auf Sex, Gewalt und Verhandlungen menschlicher AbgrĂŒnde mit Crumbs genuinen, oft abstoßenden, obszönen und problematischen Darstellungen und Themen aufweise – und der Vergleich so möglicherweise eine Re-Evaluierung des â€șBuchs der BĂŒcherâ€č provoziere. In R. C. Harveys Rezension liest sich das so, als wĂŒrde Crumb die Bibel geradezu vereinnahmen: »Old Testament sex with its heavy-duty people, often nude, fits right into the typical Crumb milieu.« (Harvey 2010). Drittens, weil der Comic geradezu nichts mit Crumb zu tun habe, der seine eigene Autorschaft weitestgehend herunterspiele: Schließlich habe er, so Crumb, lediglich textgetreu das erste Buch der Bibel illustriert. Hier wĂ€re ein Tabubruch im Nichtentsprechen gewisser Erwartungshaltungen zu verorten, was Hajdu als geradezu biblischen Akt des Widerstehens von Versuchungen deutet: »He resists the temptation to go all-out Crumb on us« (Hajdu 2009).

Die produktive Provokation ist in diesen FĂ€llen also in der gleichzeitigen NĂ€he und Ferne des Gegenstands zu seinem Autor zu identifizieren, der die Situation zusĂ€tzlich verkompliziert, indem er seinen Zugang vieldeutig und paradox als »visual, literal interpretation« (GI, [7]) bezeichnet. FĂŒr diese Sonderrolle spricht auch der »Appendix A« im Comicwissenschaftlichen Sammelband Graven Images. Religion in Comic Books and Graphic Novels: Der Band erschien 2010 so knapp nach Crumbs Genesis. Illustrated, dass die Herausgeber_innen nicht mit einer ausfĂŒhrlichen Auseinandersetzung reagieren konnten. Die Bedeutung des Buchs antizipierend, reagierten sie mit einer im Anhang abgedruckten Web-Notiz Scott McClouds, in der er bereits am Erscheinungstag des Comics davon spricht, dass der Band »some people happy, other people mad« machen werde (McCloud 2010, 345f.); bezugnehmend darauf, ist im Vorwort die Rede von »â€șhotâ€č issues arising« (Hoff Kraemer/Lewis 2010, 10). Knapp zehn Jahre spĂ€ter ist auf der WebprĂ€senz des Hooded Utilitarian, eines Comic-Kritik-Blogs rund um Noah Berlatsky, immer noch eine extensive, wochenlange Debatte (v. a. zwischen Berlatsky, Alan Choate, Ng Suat Tong, Ken Parille, Peter Sattler, Caroline Small und Matthias Wivel) nachzulesen, die in den Kommentaren noch jahrelang weitergefĂŒhrt wird und sich im Wesentlichen – sowohl aus literatur- und religionswissenschaftlicher wie comictheoretischer Perspektive –, um die Fragen dreht, ob Crumbs Adaption »too literal« oder »not literal enough« (Sattler 2010) sei, ob er die Möglichkeiten des Mediums zufriedenstellend ausschöpfe, oder hinter seine eigenen (bzw. jene der rezipierenden) kĂŒnstlerischen, intellektuellen und interpretatorischen AnsprĂŒche zurĂŒckfalle.

Ich möchte im Folgenden darlegen, in welche Genre- und Bild-Traditionen Crumb sich mit seiner Genesis. Illustrated einschreibt, welche er bricht, welche Inszenierungen von Autor_innenschaft/Ich-Konzeptualisierung beziehungsweise Paradigmen des Illustrierens damit einhergehen, worin dabei die Provokation liegt – und wo wir hier eigentlich genau hin- oder (in Anspielung auf den Titel des dieser Ausgabe zugrundeliegenden Workshops) wegschauen.

Grafische Kosmogonien

In seinem Vorwort zu A Graphic Cosmogony (2010) beschreibt der Journalist Paul Gravett einen intrinsischen Zusammenhang zwischen Comics und der Schöpfungsgeschichte mit folgenden Worten:

When it comes to the birth of comics, like the birth of the cosmos, it’s still open to speculation. The Book of Genesis might open with â€șIn the beginning was the wordâ€č, but it seems more than likely that â€șIn the beginning was the pictureâ€č. Or at least a picture which served as a word, a visual vehicle for representation and meaning. (Gravett 2010, 3)

Der Topos des Comics als ursprĂŒnglichstes ErzĂ€hlmedium, als das originale Medium unserer Weltreflexion, findet sich in den meisten Comic-Historiografien, deren Anspruch hĂ€ufig auch Rehabilitation oder Aufwertung des Mediums ist. Entsprechend beziehen sich viele auf frĂŒhe Funde visueller ErzĂ€hlkunst, wie die Höhlenmalereien von Lascaux (vgl. z. B. Abel/Klein 2016, 4), oder auf piktorale Schreib-/Zeichensysteme wie die Ă€gyptischen Hieroglyphen (vgl. z. B. Mitchell 2014, 260). Andere UrsprungserzĂ€hlungen des Comics machen ihn mit christlichen â€șProtocomicsâ€č, wie der Passionsgeschichte, oder aber auch mit mehrteiligen Visualisierungen der Schöpfungsgeschichte, wie etwa Meister Bertrams Grabower Altar aus dem 14., oder den Holzschnitten eines unbekannten Meisters in der Malermi-Bibel aus dem 15. Jahrhundert, vergleichbar. Der Comic, so die These, sei mindestens genauso alt wie KosmogonieerzĂ€hlungen. Auf eine Frage nach der Definition von Comics, twittert Neil Gaiman am 21. Dezember 2018 um 01.57 Uhr ironisch Folgendes: »Well, in the beginning there was a Comic. It was a drawing and words and another drawing and words and the words and drawings together made a story.« (Gaiman)

Comics ĂŒber die Entstehung der Welt sind somit doppelt â€șursprĂŒnglichâ€č. Diesen grafischen Kosmogonien ist gemein, dass sie die DiskursivitĂ€t des eigenen Ursprungs mit der DiskursivitĂ€t religiöser Schöpfungs- oder naturwissenschaftlicher Weltentstehungs-Geschichte zusammendenken. Sie demonstrieren, wie die entsprechenden Diskurse Wissen und Bedeutung nicht nur beschreiben, sondern auch (re-)produzieren. Als buchstĂ€bliche Schöpfungs-Geschichten verweisen sie außerdem immer auch auf grundlegende Fragen der Autor_innenschaft und (kĂŒnstlerischen) Produktion, sind in diesem Sinne selbst- und metareferenziell: »Nicht umsonst wĂ€re Robert Crumb der Schöpfer von Robert Crumbs Genesis, wenn der sich nicht darauf verstĂŒnde, dem selbst geschaffenen Schöpfer fĂŒr die Vertreibung aus dem Paradies böse sein zu können.« (Eder 2018, 146, Herv. lt. Orig.)

Narrative des Ursprungs wurden derart oft wieder-erzĂ€hlt und -gezeichnet, dass sie ihren eigenen Kanon geformt, sich in unser kollektives GedĂ€chtnis eingeschrieben und Einfluss darauf geĂŒbt haben, wie wir unsere Welt denken, beziehungsweise sehen.2 Westliche Comic-Kosmogonien referieren entsprechend auf kulturell dominante, konventionalisierte Ikonografien: sei es der naturwissenschaftliche Diskurs rund um SingularitĂ€t und Urknall, seien es christlich motivierte Darstellungen von absoluter Leere oder Dunkelheit, in die ein (mĂ€nnlicher) Schöpfer erst Materie oder Licht setzen muss. Naturwissenschaftliche Ikonografie findet sich exemplarisch reflektiert in Jens Harders ALPHA (2010), Teil eins seiner kulturgeschichtlich/diskurstheoretischen Reflexion ĂŒber die Entstehung der Welt, in dem auf ĂŒber 21 Seiten die Entstehung und Expansion des Universums aus einem Keim, beziehungsweise aus dem »Urzustand unendlicher Dichte und Temperatur« dargestellt wird (Harder 2010, 26; Abb. 1). Dieser Urzustand wird als SingularitĂ€t, als ein winziger Punkt auf einer (bis auf Kopf- und Fußzeile) leeren Seite ausgewiesen, aus dem sich Materie (und Zeit/Geschichte) auf den Folgeseiten erst entwickelt und ausbreitet. Das entspricht auch Larry Gonicks Cartoon History of the Universe – From the Big Bang to Alexander the Great (1977/1990), die ebenfalls von einer komprimierten, verdichteten Masse ausgeht: Gezeigt wird ein konzentrierter »hot lump« (Gonick 2001, 3), durch Bewegungslinien dynamisiert und damit geradezu kurz vor dem Zerbersten inszeniert (Abb. 2). Auf den unmittelbaren Folgeseiten kommt es dann auch zu dem – als doppelseitiges Splash Panel sowie als soundword realisierten – »Big // Bang« (ebd., 4f.).

Abb. 1: Jens Harder, ALPHA, 2010, S. 1 [Ausschnitt]. Der Beginn allen Seins (sowie aller Diskurse darĂŒber) ist bei Harder ein Punkt.

Abb. 2: Larry Gonicks The Cartoon History of the Universe (1990), S. 3 [Ausschnitt]. Gonick visualisiert den Zustand unendlicher Dichte kurz vor dem Urknall als eine kleine, dynamisierte Masse-Kugel.

Abb. 3: Robert Crumb, Genesis. Illustrated, 2009, S. [11], [Ausschnitt]. In seiner Darstellung der biblischen ErzÀhlung der Schöpfung von Himmel und Erde verbindet Crumb naturalistische und abstrakte Darstellungen.

Crumbs Darstellung vermengt die Diskurse: Seine UrsprungserzĂ€hlung beginnt mit einem Splash Panel: Eine alte, mĂ€nnliche Figur mit langem, hellen Bart, im Blocktext identifiziert als Gott, hĂ€lt/umfasst eine schwarze, flĂ€chige Spirale, die in Verbindung mit dem Text als Kreation Gottes, spezifischer als Beginn seiner Schöpfung von Himmel und Erde »without form«, »void« und in »darkness« (GI, [11]) erscheint (Abb. 3). Einerseits entspricht seine Gottesfigur dem westlich-monotheistisch-patriarchalen Gottesvater (vgl. Sattler 2010), dem »big father in the sky that we all fear so deeply« mit dem »long, flowing white hair and beard like Michelangelo’s God in the Sistine Chapel« (Crumb zit. n. Conan 2013); – wobei es bei seiner Variation auf Bildklischees (vgl. Sattler 2010) nicht um eine genaue Bildquelle geht.3 Andererseits hĂ€lt eben diese Figur im ersten Panel der Schöpfungsgeschichte eine abstrakte Wirbelform, die sich von den sonst vorwiegenden, historisierenden Bildinhalten jedenfalls als anachronistisch abhebt und bestenfalls modernen, naturwissenschaftlichen Visualisierungen von Galaxien oder schwarzen Löchern Ă€hnelt. Diese Bildanleihen legen auch die nĂ€chsten drei Panels nahe, die sich auf den ersten Schöpfungstag beziehen und in Ă€hnlich abstrakter Manier die Erschaffung des Lichts und die Trennung von Licht und Dunkelheit, Tag und Nacht, Himmel und Wasser abbilden und den geometrisch-flĂ€chigen Schwarz-weiß-Zeichnungen des frĂŒhen Universums, den Stern-/Gaswolken und Supernovas in Gonicks Cartoon History Ă€hneln (vgl. GI, [2] u. Gonick 2001, 6f.). Bis auf Aureolen um/hinter Gott (vgl. z. B. GI, [53]) und anderen Figuren (vgl. z. B. GI, [79]) wiederholen sich diese Schematisierungen in Folge nicht mehr.

Ähnlich wie bei Harder, der in seiner großangelegten Comic-ErzĂ€hlung ĂŒber die Entstehung der Welt ein Panoptikum an Bildern aus unterschiedlichsten historischen, ideologischen, diskursiven Kontexten direkt nebeneinanderstellt (er spricht von einer BĂŒndelung »alle[r] visuellen Vorstellungen«, Harder 2010, 339), verdichten sich an dieser Stelle bei Crumb die intertextuellen Referenzen. Sein â€șBook of Robertâ€č ĂŒber das Book of Genesis als â€șComic-Bookâ€č ist in Anspruch, Inhalt und Form eine mehrfach potenzierte und gleichzeitig in eins zusammenfallende Metareflexion ĂŒber ErzĂ€hlungen und Bilder.

Gutter-Götter

Im Vorwort zu Graven Images, betitelt mit »Looking for God in the Gutter«, argumentiert Rushkoff, dass der Grund fĂŒr die Auseinandersetzung von ComickĂŒnstler_innen mit Religion im Gutter liege: »It’s there in that gap that the magic of comics occurs.« (Rushkoff 2010, ix) Diesen Zauber vergleicht er mit dem römisch-katholischen PhĂ€nomen der Wandlung von Brot und Wein in Leib und Blut Christi und liefert damit eine – zwar nicht weniger metaphysische, aber immerhin weniger brutale – Alternative fĂŒr die Gewaltmetapher McClouds zur ErlĂ€uterung von Closure, wenn die Leser_innen gar zu Kompliz_ innen bzw. Mörder_innen werden (vgl. McCloud 1993, 68). Stattdessen sei – so Rushkoff – das unsichtbare Geschehen zwischen den Panels ein geradezu â€șheiligerâ€č Moment, vergleichbar mit der Transsubstantiation. Diese geschehe nun eben im Comic »in the unseen crack between two discreet moments. It is everything, yet nothing« (Rushkoff 2010, ix). Seine weiteren AusfĂŒhrungen dazu Ă€hneln hinreichend bekannten Elaborationen zur Closure, beziehen sich auf die Evokation von Leser_innen-Partizipation durch die LĂŒcke (vgl. ebd., x) und geben darĂŒber hinaus keinen Aufschluss auf die spannende Ausgangsthese. Spielerisch weitergedacht, scheint im Bild der Wandlung jedenfalls ein anderes BezugsverhĂ€ltnis zwischen Panels angelegt zu sein. Diese sind dann nicht logisch/kausal verknĂŒpft, sondern höchstens wahrscheinlich, ihr Bezug ist nicht syntagmatisch, sondern paradigmatisch zu denken, ihr Zwischenraum wird im Lesen nicht geschlossen, er ist Ort der Transformation.4

Genesis. Illustrated gibt mit dem â€șOriginaltextâ€č5 auch alle Konjunktionen wieder – vor allem das seitenweise in Blocktexte an den Beginn jedes Panels gesetzte und damit ostentativ markierte »and« (vgl. z. B. »And God said [...]. / And God saw [...]. / And God said [...]. / And God said [...]. / And God said [...]. / And the earth put [...].« GI, [12]). Damit ist die Aufmerksamkeit bereits von vornherein auf die Relation der Panels gelenkt und insofern leicht verschoben, als die syntaktische QualitĂ€t der linearen Beziehung jedenfalls immer im Panel explizit gemacht wird. Wenn die Ausverhandlung des logisch-syntagmatischen VerhĂ€ltnisses also den Panels vorbehalten ist, ist im Gutter möglicherweise Raum fĂŒr jenen transformativen Zauber, der auch als Möglichkeit einer offenen Auseinandersetzung statt einer eindeutigen Bestimmung, ja Schließung der LĂŒcke, die Closure buchstĂ€blich bezeichnet, gedacht werden könnte.

Don Jolly schlĂ€gt passend dazu vor, Robert Crumbs analytische und interpretatorische Herangehensweise mit jener der biblischen Exegese zu vergleichen: »he is attempting to draw out meaning from a more direct engagement with the ancient text« (Jolly 2013, 336), was Zanne Domoney-Lyttle spĂ€ter in ihrer Dissertation zu Genesis. Illustrated aufgreift und mit A. David Lewis’ Ansatz in Verbindung bringt, der Retcon (die Technik der rĂŒckwirkenden KontinuitĂ€t) im Comic mit Midrasch (der rabbinischen Auslegung religiöser Texte) erklĂ€rt (vgl. Domoney-Lyttle 2018, 43; Lewis 2002). Konsequenterweise wird der Gutter Ort der exegetischen BeschĂ€ftigung: Domoney-Lyttle identifiziert sogar die breiten weißen RĂ€nder um den Hyperframe als Ort fĂŒr Marginalien, rĂŒckt also deren Funktionsweise in beste biblische Tradition (vgl. Domoney-Lyttle 2018, 40 u. FN 131).

Am Anfang waren Panel und Paratext

Bezeichnenderweise steht am Anfang vieler grafischer Kosmogonien die Mediatisierung: Bevor irgendetwas im Comic medial vermittelt werden kann, muss das Panel erschaffen werden; braucht es in der Bibel – je nach Übersetzung – Wort oder Licht, benötigt der Comic das Panel. Das entspricht Harders UrsprungserzĂ€hlung in ALPHA: Aus einem Urzustand endloser Dichte und Temperatur formiert sich direkt nach dem Urknall erst aus einigen wenigen â€șUr-Linienâ€č ein â€șUr-Panelâ€č, bevor der Rest des Universums und damit die ErzĂ€hlung seiner Geschichte in Comic-Form folgen kann (Abb. 4). Eine Ă€hnliche Genese des Mediums steht zu Beginn von Ralf Königs Archetyp (2009) – einem Comic ĂŒber Noah: Auf den Seiten eins bis acht wird zuerst der Strich, dann Licht und Schatten, beziehungsweise die Schraffur und schließlich auch die Kolorierung erschaffen. Auf den ersten zwei Seiten heißt es in- und unterhalb der Splash Panels: »Leer war die Welt und ohne Sinn, drum ist im ersten Bild nichts drin. // Da sprach Gott: Es werd’n Strich! / Doch der war ziemlich krakelich.« (König, 1f.; Abb. 5 & 6). Der Beginn der Schöpfungsgeschichte fĂ€llt so mit dem Beginn einer Zeichnung/der Reflexion ĂŒber das Zeichnen an sich zusammen; der absolute Nullpunkt ist ein leeres Panel. Selbst- und metareferenziell beschĂ€ftigen sich Harder wie König also intensiv mit der Erschaffung ihrer eigenen Mittel als notwendige Voraussetzung fĂŒr den Comic an sich.

Abb. 4: Jens Harder, ALPHA, 2010, S. 21 [Ausschnitt]. Die erste aus dem Urknall konkret entstehende Form bei Harder ist ein Rechteck auf Seite 21 rechts unten. Die Genese seiner Zusammensetzung aus Linien ist ebenfalls illustriert. Erst danach erfolgt die ErzÀhlung in konventionellen Comic-Panels.

Abb. 5 & 6: Ralf König, Archetyp, 2009, S. 1f. Die ErzÀhlung der Mediatisierung wird auf den ersten Seiten der digitalen Version noch verstÀrkt durch die Implementierung des Verlagslogos im Panelframe.

 

Bei Crumb sind alle Mittel des Comics bereits vorhanden: Bereits vor das erste Panel ist eine von Crumb gezeichnete Landkarte gesetzt, die nicht Teil der Diegese ist, aber gerahmt und so im Kontext doch auch als Panel erscheint. Von Anfang an wird Medienspezifik ausgestellt, erscheint Rahmung als bedeutungstragend: So analysiert Jolly, dass der Rahmen des ersten Splash Panels im ersten Kapitel, dem vermeintlich chaotischen Zustand vor der Schöpfung bereits eine diskursive Note verleiht, den Urzustand schon als gerahmt, i. e. konstruiert, interpretiert:

The creation, in Crumb’s view, was an unprecedented event in scope and worthy of unprecedented temporal emphasis, hence the splash, but still a narrative event. It remains bound, essentially, by the same form as all the rest of the drama to follow. (Jolly 2013, 337)

Domoney-Lyttle argumentiert darĂŒber hinaus, diese Setzung des einzigen Splash Panels6 wĂŒrde das fĂŒr Crumb zentrale Thema markieren – »Without that moment, there would be nothing, and so dedicating an entire splash page endows the text with great significance« (Domoney-Lyttle 2018, 47). Sie hebt auch die Relation zu der gegenĂŒberliegenden Karte von Abrahams Welt (ca. 2000–1600 v. chr.) hervor, die im direkten Vergleich zeigt, was sich aus diesem Urzustand entwickeln wird: »The map-page is a reminder that out of the chaos of the formless void on its opposite page, order will be created in the shape of structured lands« (ebd., 79).

Genau genommen beginnt Crumbs Genesis. Illustrated aber schon vor dieser EtĂŒde ĂŒber die Diskurse von Chaos und Ordnung, Urzustand und Entwicklungsziel – und zwar mit einer Reihe an signifikanten Paratexten, die ebenfalls auf unterschiedliche mediale Vermittlungen und Intertexte verweisen: Der Schutzumschlag des Hardcovers zitiert mit seinem gelb hinterlegten Titel, sowie den unterschiedlichen Schriftarten die US-amerikanische Serie Classics Illustrated (1941–1971) und betont damit sowohl die Selbstinszenierung Crumbs als Illustrator (beziehungsweise nimmt diese vorweg), als auch Crumbs Einordnung des Bibeltexts als literarisches, menschengemachtes Werk: »I believe it is the words of men.« (GI, [7]). Domoney-Lyttle hat darĂŒber hinaus herausgearbeitet, dass die gotischen SchriftzĂŒge an erste Gutenberg-Bibeldrucke sowie an erste Versionen der King James Bible erinnern (vgl. ebd., 75), und dass die Auswahl der Bildszene (die Vertreibung aus dem Paradies) dem Cover von Robert Alters Genesis entspricht – beides zentrale Quellen Crumbs. Damit verleihe er seiner Version »the same status and regard as other illustrated bibles and theological commentaries on Genesis.« (Domoney-Lyttle 2018, 77).

Die leicht variierte Wiederholung des Titel-Schriftzugs auf dem Schutzumschlag in Schmutz- (GI, [1]), und Innentitel (GI, [3]) wird in einer vierten Wiederholung vor dem Einsetzen der ErzĂ€hlung (GI, [9]) auf die Spitze getrieben. Im Hardcover der Erstausgabe ist der Titel außerdem ein fĂŒnftes und sechstes Mal in goldenen Lettern auf Buchdeckel und -rĂŒcken geprĂ€gt, wodurch er an klassische Bibelausgaben erinnert. Dieselbe Ästhetik greift auch der Verlag David Zwirner Books auf: In grĂ¶ĂŸtmöglichem Kontrast zum Inhalt, wird die Neuauflage der 1986 ausschließlich in Frankreich erschienenen Bible of Filth ebenfalls als Bibel inszeniert.

Die Idee einer möglichst treuen, direkten Übertragung des Bibeltexts ins Medium Comic wird gleichzeitig durch paratextuelle Referenzen, intertextuelle Anspielungen und selbstbezĂŒgliche Einschreibungen Crumbs in Frage gestellt/unterwandert; die Konzepte von Autor_innenschaft, Illustration, Reproduktion und Interpretation werden – von Crumb ins Spiel gebracht – und von Crumb dekonstruiert. Die Comic-Bibeln, von deren losem Umgang mit der Vorlage sich Crumb mehrfach explizit distanziert (vgl. GI, [7]; Jolly 2013, 335f.), sind just in den Vignetten der Hauptfiguren auf der RĂŒckseite des Schutzumschlags anzitiert: Die frĂŒhen Hefte der Picture Stories from the Bible verzeichnen ihre Protagonist_innen auf Ă€hnliche Weise und in gleicher Anordnung (Abb. 7 & 8). DarĂŒber hinaus suggerieren einige Paratexte eine originĂ€re Autorschaft Crumbs: etwa seine Widmung »for Aline« Kominsky-Crumb (GI, [5]) sowie die Rahmung des Comics durch zwei explizit von Crumb verfasste Texte, nĂ€mlich eine EinfĂŒhrung (GI, [7]) und ein – auf knapp mehr als 200 Seiten Comic-ErzĂ€hlung folgender – achtseitiger Kommentar zu Quellen und eigenen Interpretationen (vgl. GI, [213–220]). Sich den Bibeltext derart buchstĂ€blich einzuverleiben, ihn durch die Widmung gar als individualisiertes Kunstwerk fĂŒr eine Person zu inszenieren, ist eine Provokation, ja muss fĂŒr religiöse Leser_innen einen Tabubruch, ein Sakrileg darstellen.

Abb. 7: Robert Crumb, Genesis. Illustrated (2009), RĂŒckseite. Die Auflistung zentraler dramatis personae und Kapitel, die all-umfassende Haltung Gottes sowie die von der Vorderseite wiederholte Beteuerung »all 50 chapters« zu enthalten, suggeriert kompromisslose VollstĂ€ndigkeit. Die rĂ€umliche Anordnung des Texts auf dem Kleid Gottes könnte außerdem eine comic-spezifische Allusion auf The Yellow Kid sein.

Abb. 8: Don Cameron, Picture Stories from the Bible #1 (1942). Die Vignetten finden sich in Ă€hnlicher Anordnung auf vielen weiteren Covern wieder und sind keineswegs eine Eigenheit der Picture Stories from the Bible. Ähnliche Elemente finden sich etwa in EC Horror Comics wie The Vault of Horror oder Tales from the Crypt.

 

Dass die dicht gesetzte, handgeschriebene EinfĂŒhrung (Abb. 9) – außer als Fundort fĂŒr Crumbs Quellen und Beleg fĂŒr seine Haltung/Herangehensweise – bisher keiner ausfĂŒhrlichen Analyse unterzogen wurde, erstaunt, legt sie doch wichtige ZugĂ€nge zum Text offen: Die einleitende Beteuerung der treuen Wiedergabe des â€șOriginaltextsâ€č, inklusive Namens- und quasi Berufsbezeichnung, erinnert nicht zufĂ€llig an einen biblischen Eid, oder eine richterliche Schwurformel: »I, R. Crumb, the illustrator of this book, have, to the best of my ability, faithfully reproduced every word of the original text, which I derived from several sources« (GI, [7]). Crumb antizipiert damit einerseits ironisch die – an seiner Person festgemachte – Kritik, denn in der Tat erhielt The New Yorker nach auszugsweisen Vorabdrucken eine FĂŒlle an wĂŒtenden Leser_innenbriefen (vgl. Alderman/Alderman 2011, 23); und versucht gleichzeitig diese durch die Betonung bester und seriösester Absichten zu entkrĂ€ften. Liest man diese Worte andererseits als dem Topos der Herausgeber_innenfiktion zugehörig, ist alles Folgende in eine literarische Tradition einzuordnen, die WidersprĂŒche erzeugt, statt sie aufzulösen und – unter dem Vorwand der Authentifizierung – letztlich die Konstruiertheit des Texts ausstellt. Der metadiegetische ErzĂ€hler »R. Crumb« wĂ€re damit unzuverlĂ€ssig, wenn er von getreuer Wiedergabe und einem »straight illustration job« spricht; eine Lesart, die hilft, den Widerspruch zwischen dem Konzept eines â€șoriginalenâ€č und gleichzeitig von verschiedenen Quellen â€șabgeleitetenâ€č Texts oder die Schwierigkeiten einer »literal interpretation« nicht zu glĂ€tten, sondern als kĂŒnstlerisch-produktive Strategie zu denken (vgl. Domoney-Lyttle 2018, 81). So wĂ€re dann auch der Disclaimer auf dem Cover (»Adult Supervision recommended for Minors«, GI, [cover]) und der Vorsatz, nichts/niemanden lĂ€cherlich und keine Bildscherze machen zu wollen (vgl. GI, [7]) ironisches Spiel mit der eigenen Rezeption, wie sie auch der folgende Satz andeutet: »That said, I know that you can’t please everybody« (vgl. dazu auch Domoney-Lyttle 2018, 133f.).

Abb. 9: Robert Crumb, Genesis. Illustrated (2009), S. [7]. Es lohnt sich, die dicht beschriebene Einleitungsseite auch visuell zu interpretieren. WĂ€hrend die gotische Titelfont und das fett und grĂ¶ĂŸer hervorgehobene »OLD!« zum Schluss Alter und Gemachtheit des vorliegenden Dokuments betonen, suggeriert die Initiale »I«, mehrfach wiederholt (u. a. zu Beginn jedes Absatzes) doch eine zentrale Rolle Crumbs.

Einmal mehr lohnt der Vergleich mit Harder: Das strenge Prinzip der Nummerierung seiner Kapitel in ALPHA und BETA (2014) – in der Kopfzeile jeder Seite – suggeriert VollstĂ€ndigkeit. In den ausfĂŒhrlichen Appendizes beider BĂ€nde finden die Leser_innen nicht nur Quellenangaben, sondern auch Leseinstruktionen, Diagramme, Zeitstrahlen, Skizzen sowie ein Vor- und Nachwort des KĂŒnstlers. Insofern keiner der beiden, weder Crumb noch Harder, volle Autorschaft ĂŒber sein Buch behauptet,7 mutet diese dennoch besonders extensiv stattfindende Einschreibung in den Paratexten paradox an.

Wörtliche Bild-Interpretation. Paradigmen des â€șIllustrierensâ€č

Was nun bei Crumb tatsĂ€chlich unter einem »straight illustration job«, beziehungsweise seiner Rolle als â€șIllustratorâ€č, zu verstehen ist, bleibt komplex und widersprĂŒchlich. Es lohnt sich allerdings, die vielfĂ€ltigen Diskussionen kursorisch wiederzugeben, da sie verschiedene, geradezu paradigmatische Auffassungen und Inszenierungen von (Comic)Autor_innenschaft nachvollziehbar machen:

Dominant – und durch Eigenaussagen Crumbs bestĂ€rkt – erscheint die Auffassung von der entlarvend direkten und nicht-zensierten/-zensierenden Abbildung; eine Herangehensweise, die Scott S. Elliott unter »exposure« subsumiert (Elliott 2018, 141; Herv. lt. Orig.) und Juan Carlos PĂ©rez GarcĂ­a, Crumb zitierend, mit einem Exorzismus vergleicht: »Mi intenciĂłn ha sido exorcizar el poder de la Biblia«, heißt es dort wörtlich (Crumb zit. n. PĂ©rez GarcĂ­a 2011–2012). In anderen Interviews spricht Crumb analog davon, den Text durch die Illustrationen freizulegen (vgl. Crumb zit. n. Conan 2013) und solchermaßen alles darin Vorhandene hervorzubringen (vgl. Crumb zit. n. Widmer 2010). Darin liege auch das subversive Potenzial (vgl. Crumb zit. n. Groth 2011).

Viele Rezensent_innen argumentieren weiter, dass das, worum es eigentlich gehe, was den Gnostiker Crumb (vgl. Groth 2011) am biblischen Stoff eigentlich interessiere, die mehr oder weniger offen verhandelte SexualitĂ€t und BrutalitĂ€t der Menschheit sei. Weil dieser Stoff aber wiederum seinen eigenen Geschichten Ă€hnle (vgl. PĂ©rez GarcĂ­a 2011–2012, 562f.), inszeniere ihn das einmal mehr als gottgleichen Schöpfer der Genesis. Illustrated. Die kĂŒnstlerische Leistung besteht dann nĂ€mlich im HerausschĂ€len des essenziell Crumb’schen aus der Bibel. FĂŒr PĂ©rez GarcĂ­a wird dieser Comic ĂŒberhaupt zum SchlĂŒsseltext (vgl. ebd. 2011–2012, 563) seines Werks, das damit als »groß angelegtes Projekt zur Entzifferung der heimlichen Funktionsmechanismen der Menschheit erscheint« (ebd. 2011–2012, 563; Übers. d. Verf.). Crumb muss nichts parodieren oder interpretieren, alles liegt bereits offen in der Bibel – oder umgekehrt: Das Buch der BĂŒcher ist schon immer Teil des Crumb’schen Werks, wie er selbst erlĂ€utert: »In den Text einzutauchen, hat mir gezeigt, dass mein Unsinn am Anfang aller AnfĂ€nge bereits existierte« (Crumb zit. n. ebd. 2011–2012, 564; Übers. d. Verf.).

Eine Konsequenz dieser VorgĂ€ngigkeit jeder ReferenzialitĂ€t (i. e. alles ist bereits vorhanden und muss nur aufgedeckt werden) ist auch, dass Crumb zwar zahlreiche Bild- und Textquellen nennt, definitive Zuordnungen aber ins Leere laufen. Was Ng Suat Tong als »Crumb’s almost anti-intellectual approach to Genesis« beschreibt, könnte vielleicht als archetypische Illustrationsweise bezeichnet werden: Zwar entsteht immer wieder der Eindruck des Zitathaften, doch sind es statt konkreter Bildvorlagen zu Klischees gewordene Ikonografien aus Kunstgeschichte und PopulĂ€rkultur, AllgemeinplĂ€tze des kollektiven Unbewussten, die Crumb hier ab- und aufruft. Ob die gestaffelte Komposition von Hirsch, Reh und Hase nun an Disney oder eine Ă€hnliche Aufstellung von Dachs, Fuchs und Hase der britischen Zeichentrickserie Als die Tiere den Wald verliessen (UK 1992–1995) erinnert (vgl. GI, [14]), ob die Darstellung von Katze und Maus das ikonografische Thema des SĂŒndenfalls evoziert, wie das etwa auch in DĂŒrers Kupferstich Adam und Eva von 1504 passiert (vgl. GI, [14]), oder einmal mehr an einen gĂ€ngigen Comic-Topos erinnert,8 oder ob die Paradies- Vögel im Hintergrund Ähnlichkeiten mit den Vögeln des Luther-Bibel-Illustrators MatthĂ€us Merian haben, ist letztlich nicht relevant, beziehungsweise nicht eindeutig feststellbar.9 Gerade im Sinne einer Kosmogonie geht es um eine möglichst breite ReprĂ€sentanz bei grĂ¶ĂŸtmöglicher Wiedererkennbarkeit.

Wie Ng Suat Tong10 versuchen sich einige Rezipierende dennoch in Hinweisen auf lose BildbezĂŒge, die hĂ€ufig einen westlich-mĂ€nnlichen Kanon reproduzieren: Vom 9. Juni bis 28. August 2016 wurde Genesis. Illustrated etwa in der Sammelausstellung Graphic Masters gemeinsam mit Druckgrafiken von DĂŒrer, Rembrandt, Hogarth, Goya und Picasso im Seattle Art Museum gezeigt, um Traditionslinien sichtbar zu machen. Matthias Wivel, Kunsthistoriker und Kurator, identifiziert im Abgleich mit Rembrandt und Brueghel das Potenzial von Crumbs Illustrationen im Cartoonhaften: Dessen gleichzeitig naturalistische wie archetypische und dadurch zugĂ€ngliche Bildsprache bilde ein »masterful piece of cartoon exegesis« (Wivel 2010).

Das Cartoonhafte ist etwa an Crumbs Gottesfigur nachzuvollziehen: Als weißer Mann mit Rauschebart, mal ĂŒbergroß und schwebend, mal anthropomorphisiert, bodenstĂ€ndig und nur minimal grĂ¶ĂŸer als die menschlichen Figuren, zeigt er fast immer auf etwas und referenziert so auf die deiktische Dimension historischer Visualisierungen. Crumb gelingt damit Teilhabe und Einschreibung in biblische Bild- und Schöpfungsgeschichte bei gleichzeitiger Treue zum Ausgangsmedium. Es sind nicht Gottes Handlungen und Akte, die dargestellt werden, sondern das Gestikulieren dieser Figur – beziehungsweise ihr Zeigen auf das, was durch sie (und Crumb) vorhanden ist:

Crumb’s God, more than being a character in his Genesis, is a caricature of the pop cultural images that have come to be associated with the figure of God and the Bible in general. Although Crumb’s line work is rich in detail, his God is a potent cartoon: a design lacking in unessential elements. (Jolly 2013, 337)

Andere Rezipierende betonen zuletzt den exegetischen Charakter der Auseinandersetzung: »Crumb approaches the project as if he is producing a graphic commentary, or a visual exegesis of an ancient, mythical text.« (Domoney-Lyttle 2018, 6; vgl. Elliott 2018, S. 141f.; Jolly 2013, 336). Diese wird etwa durch die interpretatorische Leistung der Auswahl der Bildsujets, der Perspektivierung, oder der Strukturierung/Rhythmisierung in Panels erzeugt (vgl. Domoney-Lyttle 2018, 89). Ein passendes Leitmotiv der Rezeption von Genesis. Illustrated ist der Verweis auf die mit vier Jahren relativ lange Produktionsdauer und die isolierte Arbeitssituation Crumbs. Wer so arbeitet, so die Auffassung, muss fast zwangslÀufig religiöse Studien betreiben: »Like a monastic scribe, he pursued his vision in a desolate shelter in the mountains outside town, working for weeks without human contact.« (Widmer 2010)

Nichts ausgelassen?

Ob nun aus religiöser, mythologischer oder naturwissenschaftlicher Perspektive gesehen, eine Geschichte vom absoluten Ursprung, ab ovo zu erzĂ€hlen, suggeriert immer auch, dass alles erzĂ€hlt wird. Zwei der besprochenen Comic-Kosmogonien werben jedenfalls mit diesem Anspruch auf dem Cover: Gonicks erstes Heft der Cartoon History behauptet in großen Lettern, sich mit der »Evolution of Everything« zu beschĂ€ftigen – und fĂŒgt dann etwas kleiner, quasi typografisch verschĂ€mt, hinzu: »including sex«. Auf dem Cover von Genesis. Illustrated ist entsprechend zu lesen: »Nothing Left Out!« und »All 50 chapters«; und Crumb bekrĂ€ftigt in einem Interview: »[I]f you start leaving stuff out, then you‘re playing God.« (Crumb zit. n. Conan 2013).11

Domoney-Lyttle hat bereits auf die Problematik dieses Anspruchs hingewiesen: Crumbs wiederholtes Beharren darauf, sich an â€șjedes Wort des Originaltextsâ€č gehalten zu haben, korrespondiert nicht mit seiner ebenfalls wiederholten Angabe, sich auf mehrere Quellen zu beziehen. Sie fasst zusammen: »I have so far mentioned several times that Crumb claims his interpretation includes â€șevery word of the original textâ€č which has been derived from â€șseveral sourcesâ€č. This is evidently paradoxical and therefore problematic.« (Domoney-Lyttle 2018, 81) unweigerlich wird hier außerdem verschleiert, dass nicht nur der Bibeltext, sondern auch Bildtraditionen, auf die Crumb sich bezieht – und wie gezeigt werden konnte auch das Genre der Comic-Kosmogonie – vergeschlechtlichte, d. h. in diesem Fall mĂ€nnliche, Sichtweisen und Blicktraditionen reproduzieren, also den weiblichen â€șstuffâ€č auslassen.

Passenderweise war Robert Crumbs Genesis. Illustrated zur 55. Internationalen Kunstausstellung Biennale Venedig 2013, kuratiert von Massimiliano Gioni, im Arsenale unter dem Motto »Der enzyklopÀdische Palast« ausgestellt. Im kursorischen Leitbild war zu lesen:

These personal cosmologies, with their delusions of omniscience, shed light on the constant challenge of reconciling the self with the universe, [...]. Today, as we grapple with a flood of information, such attempts to structure knowledge into all-inclusive systems seem even more necessary and even more desperate. (Gioni 2013)

Mit Blick auf Comic-Theorie bietet sich das Medium Comic fĂŒr derlei Vorhaben trotzdem geradezu an, ist es doch besonders geeignet, eine LĂŒcke, ein Fehlen, eine Disparatheit von ErzĂ€hlungen zu vermitteln. Comics vermögen mittels des Gutters das â€șNichtsâ€č oder das â€șDazwischenâ€č darzustellen, die WidersprĂŒchlichkeiten dieser AnsprĂŒche zu verorten und das zu verhandeln, was eben unterreprĂ€sentiert oder schlicht nicht vorhanden ist. Anders als die â€șverzweifeltenâ€č kĂŒnstlerischen EnzyklopĂ€dien der 55. Biennale, können Comics bei gleichzeitig dokumentarischem wie absolutem Anspruch markieren, dass in jedem Fall etwas ausgelassen sein muss. Oder wie Hillary Chute es ausdrĂŒckt:

[C]omics establishes itself suggestively as a rich location for the work of documentation, always calling attention to the relationship of part to whole, to the self-conscious buildup of information that may or may not coalesce into meaning. For if comics is a form about presence, it is also stippled with erasure – in the interruption provided by the ambiguous spaces of the gutter, its spaces of pause. (Chute 2016, 17)

Kosmogonien exkludieren per definitionem mehr als sie inkludieren können und schaffen immer auch die Schöpfung, die sie erzĂ€hlen; insofern spielt Crumb sozusagen unweigerlich Gott/Schöpfer – was auch seinen Autorinszenierungen entspricht. Gleichzeitig sind die Versprechen der allumfassenden und vollstĂ€ndigen Wiedergabe der Bibel Teil des metadiegetischen Verwirrspiels, worauf auch und gerade der Gutter jederzeit hinweist. Die AnsprĂŒche auf VollstĂ€ndigkeit und Direktheit mĂŒssen also zwangslĂ€ufig scheitern, oder kritisch unterwandert werden; entsprechend geraten die Konzepte von Crumb als â€șreinem Illustratorâ€č, der â€șwörtliche Bild-Interpretationenâ€č leiste, ins Wanken.

Wiesen Kalina Kupczynska und VĂ©ronique Sina in ihrer AnkĂŒndigung zum Workshop The Crumbs. ObszönitĂ€t und Tabubruch: Bekenntnisse zum Hin- und Wegschauen im Mai 2019 in Köln auf Robert Gernhardts Zitat ĂŒber den inhaltlich/thematischen Tabubrecher, aber zeichnerischen â€șAlten Meisterâ€č Crumb hin, ist der Sachverhalt fĂŒr Genesis. Illustrated intrikater. Das Originalzitat lautet: »in Worten lĂ€ĂŸt Crumb stĂ€ndig die Hosen runter, in den zahllosen Zeichnungen aber zieht er sie wieder hoch und schreitet mit festem Schritt sein Terrain ab« (Gernhardt 1982). Insofern als es ausgerechnet Crumb ist, der sich der Genesis annimmt, und der sich durchaus als ihr Schöpfer inszeniert, wird kontingent die Hose heruntergelassen, wenn auch das scheinbar sakrosankte Thema und die betont ernsthafte AusfĂŒhrung metaphorisch höchst hinaufgezogene Hosen nahelegen. Die GesĂ€ĂŸe liegen also unter anderen Vorzeichen ebenso frei wie sie verdeckt sind und dort, wo wir buchstĂ€blich auf sie schauen, Reihen sie sich in eine ikonografische, altmeisterliche Tradition des vertriebenen ersten Paares und der Verbildlichung des sĂŒndhaften ein – wie in Albrecht DĂŒrers Darstellung des SĂŒndenfalls in seiner Kleinen Passion (Abb. 10 u. Czapla 2013, 148) –, oder machen in ihrer ausgestellten, ĂŒberzeichneten Körperlichkeit die Eigenart von bildhaften Verkörperungen deutlich, wie sie in Michelangelos rĂ€tselhafter Darstellung eines doppelt im Bild vorhandenen Gottes in der Erschaffung der Gestirne und Pflanzen auf der Decke der Sixtinischen Kapelle angelegt ist (Abb. 11 u. Garbe 2019, 37).

Abb. 10: Albrecht DĂŒrer, Die Vertreibung aus dem Paradies, 1510 [Ausschnitt]. Evas »sinnlich-aufreizende« (Czapla 2013, 148) Pose, aber auch Adams nicht minder deutlich geformtes GesĂ€ĂŸ, ziehen in DĂŒrers Holzschnitt in ihrer PlastizitĂ€t die Blicke auf sich.

Abb. 11: Michelangelo, Erschaffung der Gestirne und Pflanzen, 1511 [Ausschnitt]. Der in diesem Deckenfresko doppelt dargestellte Gott gibt der Kunstgeschichte bis heute RĂ€tsel auf (vgl. Garbe 2019, 37); links an den Bildrand gerĂŒckt, verlĂ€sst er offensichtlich die Szene und kehrt den Betrachtenden dabei den RĂŒcken und ein besonders konkret menschlich-verkörperlichtes GesĂ€ĂŸ zu.

Abb. 12: Robert Crumb, Genesis. Illustrated, 2009, S. [19], [Ausschnitt]. Sind die Darstellungen von Nacktheit in Crumbs Genesis. Illustrated auch verhĂ€ltnismĂ€ĂŸig keusch (im ersten Panel links oben auf S. [18] wird Adams Penis sogar durch das Haar Gottes zensiert), so ist gerade in diesem Panel Evas GesĂ€ĂŸ besonders prall geraten; die Pose erinnert in ihrer gleichzeitigen Zurschaustellung â€șweiblicher Rundungenâ€č außerdem an die broke back-Pose (vgl. Cocca 2016, 12).

 

Die spielerische GegenĂŒberstellung von â€șGenesis-GesĂ€ĂŸenâ€č bei DĂŒrer, Michelangelo und Crumb (Abb.10–12) soll am Ende die heruntergelassenen Hosen einer mĂ€nnlichen Kulturgeschichte symbolisieren, die sich als vollstĂ€ndig und allumfassend geriert, worin die vielleicht grĂ¶ĂŸte Provokation – zumindest fĂŒr die Verfasserin – liegt. Es ist damit nicht mehr und nicht weniger als ein â€șBook of Robert(s)â€č, das Crumb hier â€șillustriertâ€č; – das ist zwar kein Tabubruch, aber immerhin obszön.

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Abbildungsverzeichnis

  • Abb. 1: Harder 2010, 1; Ausschnitt K. S. © Harder/Carlsen 2010
  • Abb. 2: Gonick 2001, 3; Ausschnitt K. S. © Gonick/Three Rivers Press 2001
  • Abb. 3: GI, [11]; Ausschnitt K. S. © Crumb/W. W. Norton & Company 2009
  • Abb. 4: Harder 2010, 21; Ausschnitt K. S. © Harder/Carlsen 2010
  • Abb. 5 und 6: König 2009, 1f. [e-Book] © König/Rowohlt 2009
  • Abb. 7: GI; RĂŒckseite. © Crumb/W. W. Norton & Company 2009
  • Abb. 8: Mulford, Montgomery (W), Cameron, Don (A): Picture Stories from the Bible #1. New York: DC Comics 1942, Cover. In: Grand Comics Database (GCD). <https://www.comics.org/issue/201820/cover/4/>. Letzter Zugriff am 19.06.2020. © Mulford & Cameron/DC Comics 1942
  • Abb. 9: GI, [7]; Ausschnitt K. S. © Crumb/W. W. Norton & Company 2009
  • Abb. 10: DĂŒrer, Albrecht: Die Vertreibung aus dem Paradies [in: Die kleine Passion], 1510; Ausschnitt K. S. In: Rijksmuseum Amsterdam, <https://www.rijksmuseum.nl/nl/collectie/rP-P-oB-1322>. Letzter Zugriff am 19.06.2020. © Rijksmuseum Amsterdam 2020
  • Abb. 11: Michelangelo: Erschaffung der Gestirne und Pflanzen [Decke der Sixtinischen Kapelle], 1511; Ausschnitt K. S. In: de Vecchi, Pierluigi: Die Sixtinische Kapelle. Das Meisterwerk Michelangelos erstrahlt in neuem Glanz. MĂŒnchen: Orbis 2001, S. 188. © Vatikanische Museen/Orbis 2001
  • Abb. 12: GI, [19]; Ausschnitt K. S. © Crumb/W. W. Norton & Company 2009

 

  • 1] Im Folgenden abgekĂŒrzt als: Genesis. Illustrated.
  • 2] Obwohl Comics – historisch und strukturell gesehen ein Medium des Anti-Hegemonialen, Fragmentarischen, Hybriden und Marginalisierten – besonders geeignet sind, patriarchale, (hetero)normative und kolonialistische Diskurse zu kritisieren und zu subvertieren, sind die reprĂ€sentierten Kanones der Bild- und Textreferenzen in Comic-Kosmogonien hĂ€ufig Ă€ußerst konventionell und homogen. Das Genre selbst ist von MĂ€nnern dominiert (die bereits erwĂ€hnte Sammlung A Graphic Cosmogony enthĂ€lt bloß vier Schöpfungsgeschichten von KĂŒnstlerinnen im Vergleich zu zwanzig von KĂŒnstlern); die einheitliche Autorenschaft hat dadurch wiederum Auswirkungen auf den (re-)produzierten Kanon.
  • 3] Crumb nennt entsprechend andernorts entweder das Gesicht seines Vaters, Charlton Hestons Moses-Verkörperung in Cecil B. DeMilles The Ten Commandments (USA 1956), oder etwa Mel Gibson (vgl. Arnold 2005, Groth 2011).
  • 4] Eine vergleichbare Alternative aus ErzĂ€hltheoretischer Richtung stammt von Michael Hein, der in einem Aufsatz zu ZeitverhĂ€ltnissen in Literatur und Comics das Konzept des Quantensprungs und der Kontingenz fĂŒr die Beziehungen zwischen Panels stark macht: »Panels [folgen] nicht aufeinander mit der chronologischen Eindeutigkeit von SĂ€tzen. Ihre Bedeutung ist kontingent, vergleichbar dem Quantum der physikalischen Theorie. Ihre Folge ist sprunghaft. Das heißt nicht, sie sei gleichgĂŒltig oder bedeutungslos. Sie hat vielmehr eine gewisse PlausibilitĂ€t, sie ist wahrscheinlich: wie eine Folge von QuantensprĂŒngen.« (Hein, 56)
  • 5] Wenn Crumb auch angibt, den Originaltext treu zu reproduzieren, so ist das selbstverstĂ€ndlich insofern eine Fiktion, als einerseits kein Original existiert und Crumb andererseits vor allem drei Quellen mischt (vgl. Domoney-Lyttle 2018, 81). In diesem Fall stammen die Konjunktionen nachweislich aus Robert Alters Übersetzung (vgl. ebd., 105).
  • 6] ZĂ€hlt man die vorangestellte Landkarte nicht zum eigentlichen Comic, ist das erste Panel von Crumbs Genesis. Illustrated tatsĂ€chlich das einzige Splash Panel. Ansonsten kommen durchschnittlich sieben Panels pro Seite auf insgesamt 201 beziehungsweise 202 Comicseiten zu stehen.
  • 7] Die Behauptung der Nicht-Autorschaft der beiden verlĂ€uft auf unterschiedlichen Ebenen: Sind es bei Harder die Bilder, die fast ausschließlich aus fremder Hand stammen, um vom KĂŒnstler, der eher als Sammler und Kurator fungiert, fĂŒr die Ă€sthetische HomogenitĂ€t lediglich nachgezeichnet und assoziativ kombiniert und arrangiert zu werden, ist es bei Crumb, der sich eben als Illustrator inszeniert, der Text.
  • 8] Ich danke VĂ©ronique Sina fĂŒr den Anstoß zu diesem Vergleich.
  • 9] In seiner â€șVorarbeitâ€č Adam and Eve. Our First Parents (2005) benennt Crumb explizit Merians Bilderbibel Icones biblicae (1627) als seine Quelle fĂŒr die Haltung Evas. Damit ist Crumbs Kenntnis des KĂŒnstlers jedenfalls belegt; auch lassen sich in FlĂŒgel- und Halshaltung der Vögel im Hintergrund etwa von Merians Darstellung der Sintflut mit der Arche Noah (um 1525) Ähnlichkeiten zu den Paradiesvögeln von Crumb feststellen.
  • 10] Ihm geht es dabei allerdings um einen Nachweis der unzulĂ€nglichen inhaltlichen BeschĂ€ftigung Crumbs mit seiner Vorlage: Die Rede ist davon, dass Vergleiche zu Blake, van der Goes und Klimt »unflattering« seien, beziehungsweise Crumb nichts zur »rich tradition of biblical illustration« beitrage (Ng Suat Tong 2010).
  • 11] Entsprechend absurd muten Projekte wie der Word for Word Bible Comic an, der durch seinen unter dem Pseudonym Simon Amadeus Pillario publizierenden Autor auf ganz Ă€hnliche Weise beworben wird, wie Crumb das fĂŒr Genesis. Illustrated tut: »HISTORICALLY ACCURATE, UNABRIDGED AND UNTAMED!«, ist in Majuskeln auf der Website zu lesen. Auch ein Disclaimer bezĂŒglich der Leser_innenschaft entspricht dem Hinweis auf Crumbs Cover: »A word-for-word comic presentation of the Bible, using a bold contemporary style and historical accuracy to bring out the impact and excitement within the scriptures to a more mature audience (12+ or 15+ age advisory)«. Umso erstaunlicher ist, dass dieses digitale Format, Crumbs Comic nicht zu kennen scheint und Anspruch auf Alleinstellung erhebt: »Unlike any other comic rendition of the Bible this one will be completely unabridged.« (Word for Word Bible Comic)