Fotografie und Comic als Medienkombination

Shooting Pictures, Drawing Blood rezensiert von Sarah Steidl

Fotografien von Krieg und Gewalt sind omnipräsent; sie zirkulieren global und transmedial. Als etabliertes journalistisches sowie dokumentarisches Medium kommt ihnen nicht zuletzt die juristische Anerkennung als Abbildung mit Beweischarakter zu. In Shooting Pictures, Drawing Blood beschäftigt sich Johannes C. P. Schmid nun erstmalig umfangreich mit der Einbindung dieses Bildtypus in faktuale Comics über die Kriegsereignisse im 20. Jahrhundert. Dabei analysiert und reflektiert er neben Formen der Einbettung des fotografischen Materials vor allem dessen Funktion als Authentifizierungsstrategie.

Graphic War Memoirs sind ein Nischenphänomen. Graphic War Memoirs , die fotografisches Material beinhalten, sind es umso mehr. Johannes C. P. Schmid zeigt in seiner 2015 publizierten und mit dem American Studies Award of the University of Hamburg ausgezeichneten Master-Arbeit jedoch auf, inwiefern sich gerade innerhalb dieser randständigen Erscheinung bislang unerforschte ästhetische Potenziale im Hinblick auf die Frage nach der Repräsentation von Krieg und Gewalt entfalten. Bevor Schmid anhand von vier ausgewählten Graphic War Memoirs aus dem 21. Jahrhundert den Möglichkeiten der Einbindung von Kriegsfotografien in die Panel-Struktur nachgeht, spürt er der sehr stark divergierenden Bild-Rezeption beider Medien vergleichend nach. Pointiert und im Rekurs auf kanonisch gewordene Texte der Bildwissenschaft, wie beispielsweise Roland Barthes The Photographic Message oder Susan Sontags On Photography, trägt er dabei die kultur- und mediengeschichtliche Wirkungsgeschichte von Fotografien einerseits und Comics andererseits zusammen, einsetzend mit der Entstehung der Fotografie im 19. Jahrhundert. Im Gegensatz zu Fotografien und der ihnen zuerkannten ›authentischen‹ Abbildung von kriegerischen und gewaltvollen Exzessen wurde und wird der Zeichnung eine solche Beweisfunktion lange Zeit abgesprochen. Sie repräsentiere vielmehr eine Transformation des Geschehens, der eine subjektive Interpretation vorausgehe. Derlei rezeptionsbedingte Gegensätze der beiden Bildtypen arbeitet Schmid als potenziellen Reibungspunkt hinsichtlich ihrer Kombination in den zu untersuchenden Graphic War Memoirs heraus.

In diesem Spannungsfeld visueller Kultur verortet, wirft Schmids Untersuchung nicht zuletzt auch Fragen der Rahmentheorie auf. So bearbeitet diese ambitionierte Abschlussarbeit nicht nur ein freigelegtes Desiderat innerhalb der Comicwissenschaft, sondern weist darüber hinaus auf eine gängige Praxis innerhalb dieses Mediums hin, dessen (kreative) Perspektiven für eine sich noch in Entwicklung und Ausdifferenzierung befindliche Theoriebildung nicht zu unterschätzen sind. In einem den Einzelanalysen vorgelagerten Kapitel greift Schmid die aktuelle Intermedialitätsdebatte auf: Diskussionen zu Rahmen und Rahmung von Fotografien in grafischer Literatur gliedert er dabei in zwei Aspekte: Zum einen fragt er nach den Rahmen der Comic-Panels und Fotografien als konkrete Begrenzungen des Einzelbildes; zum anderen bemüht er ein eher metaphorisches Verständnis, wenn er die jeweiligen Rahmen beider Medien als potenzielle gesellschaftlich ausgehandelte Sinndeutungsmuster versteht.

Wie wird das Krieg und Gewalt dokumentierende fotografische Material nun im Comic und durch dessen sequentielle Erzählung gerahmt? Schmid führt an, dass Comics Fotografien als Reproduktionen des tatsächlichen Fotos oder diese als eine Zeichnung remediatisieren können. Dabei können sie als Ganzes in die Panel-Sequenz Einbindung finden oder aber dieser als Paratext oder Supplement beigefügt sein. Nicht unerwähnt lässt Schmid, dass viele Autor_innen Fotografien zudem im Arbeitsprozess als Vorlagen für spätere Zeichnungen nutzen und dies meist auch explizit in Interviews kommunizieren.

Schmids detaillierte Analysen von Last Day in Vietnam (2000), Alan’s War (2000-2008), The Photographer (2003-2006) sowie Waltz With Bashir (2008) legen diese obig nur angerissenen unterschiedlichen Praktiken des Einsatzes und der Rahmung von Fotografien in Graphic War Memoirs frei und zeigen deren jeweils unterschiedliche Bedeutung für die (Schock-)Wirkung bei ihren Rezipient_innen auf. Zentrale Relevanz gewinnt dabei einerseits das Potenzial grafischer Literatur, die unweigerlich von Fotografien aufgeworfene explikatorische Lücke narrativ zu füllen, andererseits die Möglichkeit der Fotografie, die Betrachter_innen direkt zu ›durchbohren‹. Dass der Zusammenschluss beider Medien als Ergebnis innovativer und intensiver künstlerischer sowie autobiografischer Aushandlungsprozesse einen ›anderen‹ Zugang zu den Schrecken von Kriegen und Gewaltexzessen ermöglicht, stellt Schmid dabei als zentrale Wirkmächtigkeit der untersuchten Comics heraus. Mentale Phänomene wie Erinnerung und Trauma können im intermedialen Verhältnis zwischen Comic und Fotografie sowohl Objektivierung als auch Subjektivierung erfahren. Damit schreibt Schmid den vier untersuchten Comics implizit auch eine therapeutische Wirkung zu – sowohl für die jeweils und mitunter betroffenen Zeichner selbst als auch für die Rezipient_innen.

Schmids pointierte Einzelanalysen ergänzen den Stand der Forschung zum jeweiligen Einzelwerk; doch es ist gerade die durch die vier Analysen dargelegte Bandbreite der Möglichkeiten dieser Medienkombination, die seine Studie als eine wichtige Grundlagenarbeit ausweist, welche richtungsweisend für Potenziale der Comicforschung sensibilisiert und sich mit ihren umfangreichen theoretischen Bezugnahmen zugleich als ein Postulat für eine inter- bzw. transdisziplinäre Theoriebildung liest.

 

Shooting Pictures, Drawing Blood
Johannes C. P. Schmid
Berlin: Christian A. Bachmann Verlag, 2016
102 S., 19,90 Euro
ISBN 978-3-941030-90-9