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»Houses are Organisms«:
Fluchtlinien durch Wohnungen, Beziehungsgeschichten und indigene Zeit-Räume in Gabriella Giandellis interiorae

Katharina Eck (Bremen)

Schnee rieselt auf einen Hochhauskomplex in einer unbekannten westlichen Großstadt, teils in großen Flocken. Er macht die Spuren der Anwohner_innen sichtbar, Erwachsene ziehen ihre Mantelkrägen hoch, Kinder bauen einen Schneemann. Doch trotz dieser Bilder präsentiert die in Mailand lebende ­Illustratorin, Autorin und Designerin Gabriella Giandelli, deren Comics und Kinderbücher international erscheinen, in ihrer Graphic Novel interiorae1 keineswegs eine idyllische urbane Winterlandschaft. Vielmehr gibt sie in den Bleistift- bzw. Buntstiftzeichnungen der einzelnen Panels immer wieder Innenräume zu sehen, wie der Titel auch bereits andeutet, und kombiniert diese mit den Außenansichten der Hochhäuser, mit deren Eingängen und Fenstern, sowie mit fantastisch-surrealen Räumen bzw. Traumlandschaften. Erzählt werden Ausschnitte aus dem Alltag verschiedener Bewohner_innen eines Hochhauses sowie deren soziale und emotionale Verstrickungen, wobei ein weißer Cartoon-Hase stellenweise als Erzählerfigur durch das Geschehen führt und es kommentiert. Der Hase markiert, sich an die Leser_innen wendend, schon zu Beginn deutlich, dass man sich beim Lesen bzw. Betrachten dieser miteinander verknüpften Narrative teilweise auf einer fantastischen Ebene bewegt, die parallel zu den Alltagshandlungen und -gesprächen abläuft, wobei er mit seinen übernatürlichen Eigenschaften als Vermittlerinstanz fungiert: »I can go wherever I want. I move through things. No one can see me.« (Giandelli, 12).

Nach und nach werden die Figuren mit ihren spezifischen Problemen und Sorgen eingeführt: Die alte Dame Mrs. Angela, deren Traumbilder und Visionen eine wichtige Rolle spielen, da sie kurz vor dem Übergang in den Tod bzw. in eine bildsprachlich als indigen entworfene andere Welt steht, sowie deren Haushälterin Irina, weiterhin zwei Mädchen, die Musik hören und – wie der Hase erzählt – ihren Weihnachtsferien entgegen fiebern, Matteo, der Bruder des einen Mädchens, und, vor dem Hochhaus, eine alleinerziehende Mutter mit ihrem Kind Nico. Hinzu kommen zwei unglückliche Liebesgeschichten bzw. Dreiecksbeziehungen, die von Einsamkeit und fehlender Kommunikation geprägt sind, was insbesondere in der Figur eines fetischartig seine Zimmerpflanzen umsorgenden Mannes kulminiert.2 Diese Beziehungsunfähigkeit wird von Bildern einer ›heilen‹ Familie kontrastiert, die allerdings bei einem Flugzeugabsturz verstorben ist, sodass die Eltern und beide Töchter nun als halb durchlässige Geisterwesen im Hochhaus erscheinen. Von besonderer Bedeutung für die Handlung ist neben dem Hasen sein »master« (vgl. ebd., 16). In Form einer schwarzen Blase oder (Keim-)Zelle dargestellt, hält dieser sich im Keller auf und veranlasst die Streifzüge des Untergebenen durch das Haus. Die Leser_innen erfahren, dass diese (Keim-)Zelle sich wohl von den Träumen der Bewohner_innen ernährt und das Fundament nicht nur des Gebäudes, sondern eigentlich allen Lebens darin bildet. Vor allem spielt die Bildsymbolik, die sich gerade erst im Zusammenspiel aller Panels und aller Narrative entfaltet und nicht linear aus einzelnen Panels oder Figuren abzuleiten ist, eine tragende Rolle für den in dieser Graphic Novel präsentierten Aussagekomplex. Diese Symbolik ist stark von indigenen Versatzstücken durchsetzt, wenn man so sagen will, ›indigenisiert‹. Die Haus-Geschichten enden apokalyptisch – das Haus bekommt Risse und stürzt zusammen – während schließlich der Aufbruch eines jungen Paares, und, auf der Traum-Ebene, immer wieder die indigen markierten Waldlandschaften, in die Mrs. Angela eingeht, in die Zukunft weisen.

Der Schnee, der die Bildsprache dominiert und die ästhetische Struktur der Graphic Novel in seiner weißen, formbaren, vergänglichen Materialität maßgeblich prägt, erhält gleich zu Beginn die Funktion eines Vorzeichens, einer Ankündigung (portent), wie eine der Protagonist_innen, Mrs. Angela, am Ende des ersten Kapitels betont: »The snow never falls at random. Its arrival is always a portent. The snow speaks to us, we just have to understand what it’s saying...« (ebd., 40; Abb. 1).

Abb. 1: Der Schnee ĂĽbernimmt die Funktions eines Vorzeichens (Giandelli: interiorae, [40]).

Dieses auf ein sich näherndes Schicksal bezogene Allwissen des Schnees, der nicht nur als bloßes Naturphänomen gelesen werden kann, ist umso bemerkenswerter, wenn man sich das Setting und die formale Gestaltung der Graphic Novel genauer ansieht. Sie ist von einem hohen Maß an ästhetischer Modellierung auf allen Ebenen ihres Aussagekomplexes3 geprägt; sowohl das Material und die Struktur der Seiten als auch das grafische Layout, die Kombinatorik von Bild und Wort bis hin zur Wahl der Farben und zur Schraffierung der Bildräume bzw. Anordnung der Sätze in und unter diese Bildräume, spielen als Zeichensystem zusammen und generieren dabei vier Bedeutungsfelder: Die hermetisch wirkende, von einer beängstigenden Vertikalität geprägte Architektur, die man auch als eine ›Fassadenlandschaft en bloc‹ charakterisieren kann, drängt sich immer wieder in den Fokus des Betrachtens und dominiert bereits die Covergestaltung. Durch Einblicke in verschiedenste Innenräume eines dieser Hochhäuser lassen sich spotlight-artig die intimen Lebenssituationen einiger Hausbewohner_innen, die generell stark von Zweifel und Einsamkeit gekennzeichnet sind, ableiten. Es entsteht ein semantisches Feld rund um soziale und familiäre Beziehungsstrukturen in Verbindung mit Praktiken und Kulturen des Wohnens und Nicht-mehr-Wohnens bzw. des durchaus sehr existentiell zu verstehenden Neu-Verortens. Dieses ist philosophisch im Sinne eines Werdens und Veränderns, Aufkeimens und Aufbegehrens aufzufassen.

Sowohl die Außenansichten als auch die i­nteriors gehen in eine von ihnen differente Ort- und Zeitstruktur über, die im Laufe der Erzählung deutlich als indigene Traumwelt markiert wird. Sie wird von dem durch die Bildräume gleitenden Hasen, genannt NANABOZHO, in einer Interaktion mit der im Keller des Hauses angesiedelten blasenartigen schwarzen ›(Keim-)Zelle‹ erschaffen. Dadurch werden die Haus-Geschichten mit der Religiösität bzw. einer auf Einklang von Mensch und Natur (unter der Vorstellung göttlich-trans­zendenten Waltens in der Natur) gerichteten Lebenswelt des Volkes der Algonkin in Verbindung gebracht. Dabei wird ­NANABOZHO,4 der Große Hase, im Zusammenhang mit den Traum-Panels auch konkret benannt und als ein Prinzip deutlich, das seinen algonkinischen Eigenschaften entlehnt ist, ein Weltenschöpfer und Grenzgänger zu sein und dabei zwischen harmonischer Ordnung und Zerstörung, Leben und Tod, Logos und Traum zu vermitteln. Dieses ›Prinzip NANABOZHO‹ wird im und mit dem Hasen verbildlicht und wandert durch alle Ebenen der Graphic Novel.

Schließlich ist festzustellen, dass gerade über die Traum-Bilder nach und nach der Aspekt des Unbewussten und Fantastischen die Erzählung durchdringt und dabei etwas Widerständiges dominant wird, das sich nicht auf rationalisierende Weise – so wie die Bewohner_innen in das Innere der Häuser – einordnen lässt. Dieses vierte und sehr wichtige Bedeutungsfeld möchte ich vor dem Hintergrund des Konzeptes einer ›Nomadologie‹ bzw. des NOMOS und damit verbunden der Kulturtechnik des Deterritorialisierens nach Deleuze und Guattari (Deleuze/Guattari 1992) näher beleuchten und in die Analyse von interiorae einbinden.

Das ›Stachelige‹ und das ›Innerste‹ als Merkmale der Giandelli-Ästhetik

Abb. 2a: Das Cover illustriert die architektonische Vertikalität des Hochhauses (­Giandelli: interiorae, Cover).

Auf dem Cover des Buches wird nur das erste der hier genannten Felder, die architektonische Vertikalität bzw. das Hochhaus als Einstieg visualisiert (Abb. 2a und 2b). Es ist aber nicht nur ein anonymer Wohnblock zur Disposition gestellt, sondern ein ganzer Ideen­komplex »von Hierarchien und Machtverhältnissen, als Arena des Konflikts zwischen öffentlichem und privatem Raum, zwischen Schutzzone und Bedrohung, Ordnung und Chaos, Magie und Rationalität, Poesie und Pragmatismus« (Schmidt 2011, 90). In seiner Ausrichtung nach oben bringt das Hochhaus eine »architektonisch bewirkte Transzendenz« zum Ausdruck und zugleich »den spirituellen Anspruch einer Vermittlung zwischen Himmel und Erde« (ebd., 91). Auf seinen Etagen oder auch Schichten können sich »private und kollektive Wünsche überlagern« (ebd., 94).5 Obwohl das Hochhaus per se ein »apokalyptischer Ort« (ebd.) mit einem latenten Gefährdungspotential ist, als das es auch bei Giandelli erscheint, sind die sehr optimistischen Anklänge an eine »art of city living«6 (ebd., 104) darin enthalten. Das Hochhaus ist gerade aufgrund der kulturell-sozialen Beziehungsstrukturen in seinem Inneren von Interesse.

Abb. 2b: Stachelige, kahle Bäume bestimmen das Bild (Giandelli: interiorae, Cover mit aufgeklapptem Innenteil).

Das Cover zeigt eine über Vorder- und Rückseite verlaufende Reihe von Hochhäusern mit davor gesetzten stacheligen kahlen Bäumen und einem etwas mehr als ein Drittel der Fläche einnehmenden grau-schraffierten und somit eine Nachtstimmung vermittelnden Himmel. Zusätzlich lassen sich zwei Klappen des Buches von innen nach außen falten. Somit kann man ein Panorama herstellen und betrachten. Dieses Lebens- und ­Gestaltungsprinzip ›Hochhaus‹ umfasst also erstens auch materialiter die Erzählung des Buches und fordert zweitens die Betrachter_innen zu einer aktiveren Handhabung des Buches als nur einem Umblättern der Seiten auf. Schon vor dem eigentlichen Beginn der Lektüre setzt man sich mit dem Umschlag, der Gestaltung, dem Hochhaus-Effekt und damit, wer oder was sich wohl hinter den hermetisch wirkenden Fensteröffnungen verbirgt, auseinander, anstatt schnell umzublättern und eventuell das Cover gar nicht erst in Bezug zum ›Inhalt‹ zu setzen – dieser Bezug ist vielmehr begreiflich hergestellt und wahrnehmbar. Weiterhin ist zum Cover und allgemein zu den Seiten des Buches zu sagen, dass sie aus einem auffällig starken, haptisch sehr hochwertigen Papier bestehen und so den Eindruck eines gebundenen Kunstwerks erzeugen. Der Hochhauskomplex bildet eine undurchdringbare Fassadenstruktur, die sich gitterähnlich und gerade in Kombination mit dem dunklen Himmel und den zumeist schwarzen Fensteröffnungen eher feindlich, fast wie ein Gefängniskomplex, zeigt. Das Stachelige der Antennen auf den Dächern und der Baumverästelungen verstärkt diesen Effekt noch. Einige Farbakzente sind durch den Anteil an gelben und blauen Fenstern sowie die gelb und lila gestrichenen Häuser gesetzt, ansonsten ist dieses Cover wie auch sämtliche Panels in einem graugrünen bzw. auf der Skala von schwarz bis weiß changierenden Grundton gehalten. Der Titel interiorae ist in gelben Lettern und somit kontrastierend zum Grauhimmel abgesetzt und lohnt ebenfalls einen genauen Blick.

Abb. 3: Eine weibliche Bewohnerin beobachtet sich im Spiegel (Giandelli: interiorae, [9]).

Dass mit dem Titel respektive Leitwort des Buches die Kategorie von Innenräumlichkeit, von Interieurs angezeigt wird, kann recht schnell geschlussfolgert werden. Dadurch ergibt sich eine reizvolle Irritation, da gerade keine solche Innenräumlichkeit, sondern eine undurchdringlich wirkende Außenfassade sichtbar ist. Nun wird als weiteres Irritationsmoment mittels einer grammatikalischen Verschiebung der Bedeutungsspielraum dieses Wortes ausgeweitet: das Suffix -ae kommt aus der lateinischen a-Deklination, die man nicht auf das Wort interior anwendet, d. h. im Lateinischen müsste das Wort interiores heißen (= Eingeweide oder auch Einwohner des Landesinneren), und im Italienischen gäbe es die Varianten interiore (= Innenleben) oder auch interiora (= Innereien). Mit interiorae liegt also ein Neologismus vor, der auf eine Feminisierung des Wortes und seines Signifikates abhebt. Das, worum es im Inneren oder Innersten des Buches geht, verschiebt sich oder pendelt in einen Bereich von weiblichen Räumen. Die Probleme der weiblichen Hausbewohnerinnen – in den verschiedenen Altersstufen von der Heranwachsenden bis zur Greisin und Sterbenden – spielen entweder als Einzelschicksale oder in der Konstellation mit männlichen Geliebten bzw. Bezugspersonen und mit traditionellen ­Familienstrukturen im Narrativ der Graphic Novel eine bedeutende Rolle. Von der Spiegel-Szene im Bad des jungen, ihren Körper begutach­tenden Mädchens in den ersten Panels (Abb. 3) über Mrs. Angelas Beziehung zu ihrem Hausmädchen Irina, bis hin zu den Nöten der überforderten Alleinerziehenden und dem Wutausbruch der verbitterten Ehefrau, die klagt: »Marrying you was the worst mistake of my life« (Giandelli, 85) geht es im Kern um die Lebensgestaltung, Handlungsmacht oder Enttäuschung von Frauen im Setting des Hochhauses.

Abb. 4: Männliche und weibliche ­Beobachterperspektive alternieren (Giandelli: interiorae, [33]).

Einerseits spielt die Graphic Novel mit gängigen Klischees, wie bspw. mit Visualisierungen der sich am Telefon über die Untreue ihres Exmannes beschwe­ren­den oder auch der auf der Couch auf den heim­kehrenden Mann wartenden Frau (ebd., 18, 29), anderer­seits werden genau solche Erwartungsbilder auch wieder vielfach durchkreuzt: Die Macht des Über-Blicks durch ein Fernglas wechselt zwischen der männlichen und der weiblichen Position (Abb. 4 und 5).

Ebenso haftet die Einsamkeit der in kleine Fenster gesetzten und von draußen nach drinnen beobachtbaren Figuren – gefangenen Figuren – nicht nur dem weiblichen Geschlecht an. Am Ende ist es ausgerechnet ein Außenseiter-Junge aus dem Keller, mit dem Irina aus dem zusammenbrechenden Haus flieht, und dem somit (ebenso wie Angela und Irina) eine visionäre Rolle zukommt. Ein Spektrum von Einblicken in das Innere der Figuren tut sich auf, wird entfaltet ohne detailliert erzählt oder begründet zu werden, und wirkt besonders irritierend und eindrücklich durch den Kontrast zu den visuell sehr stark gemachten wehrhaften und abwehrenden Hochhäusern mit ihrem sehr spezifischen, von einer schraffierenden ›Handschrift‹ geprägten Farbschema.

Abb. 5: Der Wechsel in der Beobachterperspektive durchkreuzt traditionelle Erwartungsbilder (Giandelli: interiorae, [44]).

Das Zeichnerisch-Grafische, das insbesondere über den Buntstift-Duktus und die Schraffierungen vermittelt wird, und die so entstehenden Bildräume können als das hauptsächliche Ausdrucksmittel von Giandellis Graphic Novel definiert werden.7 Neben vielen reinen Bild-Panels gibt es auch jede Menge Text, der in drei verschiedenen Formen eingefügt ist; als Sprech- oder Gedankenblase und an dramaturgisch wichtigen Stellen auch als Untertitel. Songlyrics, die ebenfalls vorkommen, erhalten ihre eigenen, zum Teil durch Noten und eine andere Typographie gekennzeich­neten ›Sprechblasen‹. Die Erzählperspektive bzw. die Fokalisierung ist nicht einheitlich, sondern wandert von einer Figur zur nächsten und lässt so mehrere Pers­pektiven, Lesarten und eine damit verbunden Polyphonie zu. Es ist vor allem dieses gestalterische Mittel, bzw. diese Erzähl- und Visualisierungstaktik, die bewirken, dass die Stereotype von Geschlechter-Zuordnungen, Familienleben und Hochhaus-Gemeinschaft einerseits und den indigenen Lebenswelten und Vorstellungen andererseits sich nicht verfestigen und eindeutig verräumlichen können, sondern vielmehr der Betrachter_innen-Blick darauf thematisiert und in Schwebe gehalten wird. Hin und wieder stehen sogar einige gesprochene Sätze ohne genauere Zuordnung im (Bild-)Raum. Oftmals erhalten die Sätze damit einen aphoristischen Status, wie es bspw. bei der oben zitierten Kapitelabschluss-Formulierung von Mrs. Angela über die ankündigende (portent) Eigenschaft des Schnees der Fall ist. Die Graphic Novel weist sich selbst einen philosophischen Blick auf die eigenen Inhalte zu und schafft somit auch Momente der Distanzierung im Lesen.

Bildsprache und -räume von interiorae: Differente Orte und die Konstruktion von Wissensfeldern

Die insgesamt fünf Kapitel werden jeweils mit einer ganzen, komplett in schwarz gefärbten Seite eingeführt, dadurch lenkt keine weitere grafische Gestaltung von den auf die Sekunde genauen Zeitangaben ab, die hier als maßgebliches Strukturierungsmerkmal weiß auf schwarz gesetzt sind und an die Stelle von Titeln oder Leitworten treten. Dieser Countdown erzeugt Spannung und sorgt für eine bedrohliche Grundstimmung, ohne dass die Leser_innen wissen, worauf eigentlich hingezählt wird. Die Zeit wird tatsächlich bis zu einem apokalyptischen Zusammensturz des Hauses und des gewohnten Umfeldes gemessen. Die einzelnen Handlungsstränge und insbesondere die hineingesetzten Traumlandschaften stehen so durchgängig im Fokus einer auf ein Ereignis oder eine grundlegende Veränderung abzielenden Instanz – gewissermaßen zählt die Graphic Novel selbst ihre Erzählzeit herunter bis zu ihrem letzten Panel, wo das Paar als Wechsel in eine neue Raum-Zeit in die Weite des Waldes hinausläuft. Der ästhetisch und inhaltlich strukturierende Countdown weist zwei besondere Merkmale auf: Er erstreckt sich insgesamt nur über drei Tage vom 19. bis 21. Dezember und markiert außerdem nicht eine beliebige Jahreszeit, sondern die hochgradig symbolische Vorweihnachtszeit.8 Dadurch ist eine Referenz auf die christliche Religion und eine biblische Zukunftserwartung gegeben: Jesus Christus wurde als Messias in die Welt geschickt, um die Menschheit zu erlösen, und der Themenkreis des Ankündigens (eines ›Zeichens‹ für zukünftige Ereignisse) durchzieht entsprechend das ganze Buch. Der 21. Dezember ist zudem der Tag der Wintersonnenwende; es ist ein kulturell bedeutsamer Ausschnitt aus den Jahreszeiten visualisiert und dadurch ein kosmisch-astronomischer Bezugsrahmen geschaffen worden.

Beide Aspekte, die Weihnacht mit ihrem Messianischen/Heilbringenden/Erwartungsvollen sowie die kosmische Dimension, formen entscheidend den Aussagekomplex mit: Nicht nur, dass es verbal und visuell zahlreiche Verweise auf das Weihnachtsfest und die damit verbundene Erwartung von Harmonie und Frieden gibt, gleichzeitig ziehen sich Schnee und Eis als bildräumliches Raster durch die Erzählung und setzen diese immer wieder in einen Bezug mit den Erscheinungen der Atmosphäre und des Himmels, letztlich des Über-Irdischen. Gesteigert wird diese kosmische Dimension mit der Verortung der indigenen Traum-Landschaft in ein Planeten- und Sonnensystem, das diese Traumwelt als nicht mehr zur irdischen Landschaft zugehörig (extra-terrestrisch) markiert (Giandelli, 125–129) (Abb. 6). Gleichzeitig sollte man sich bewusstmachen, dass die Sonne zum Zeitpunkt der Wintersonnenwende den tiefsten Stand erreicht, sodass man sich nach der Logik der Natur bereits wieder am Wendepunkt befindet. In der Graphic Novel wird hier auf einer weiteren Ebene eine Alternative zur Hochhaus- und Zivilisationswelt entwickelt. Kosmisch ausgedehnt impliziert sie eine Wende von der einen Lebensweise zur anderen – vielleicht als Versöhnungsangebot, das aber nur als Traum visualisiert werden kann. Auf diese Weise verknüpfen sich zwei (Bild-)Welten miteinander und bieten den Betrachter_innen vielfältige Symboliken und Wissensfelder bzw. -räume an.

Abb. 6: Die Traumlandschaft ist in einem Planetensystem verankert (Giandelli: interiorae, [129]).

Neben der vor allem über die Schnee-Symbolik erreichten kosmischen Dimension bzw. des Herannahens eines Wendepunktes als ein wichtiges Wissensfeld9 in der Graphic Novel ist an zweiter Stelle das Blicken/Beobachten auszumachen. Es stellt sich dabei die Frage nach einem Voyeurismus, der sich in Einblicken in private Räume bis hin in die Träume der Bewohner_innen niederschlägt. Im Gegensatz zur Undurchdringlichkeit der Hoch­häuser des Covers werden die Betrachter_innen mit dem ersten ganzseitigen Panel in einen der intimsten Räume gesogen, in das Innere eines Badezimmers. Sie blicken einer nackten Frau vor dem Spiegel über die Schulter, die sie wiederum aus dem Spiegel heraus mit dem linken Auge ansieht (Abb. 3). Als weitere Panels mit diesem Thema sind die Blicke durch das Fernglas, die wechselnde Betrachterperspektive des Ein-Blicks durch Fenster von draußen nach drinnen und des Blickens – auch über die Schulter von Figuren oder an deren Stelle – aus dem Fens­ter nach draußen zu nennen. Auch dieses Wissensfeld wird in den indigenisierten Panels gesteigert; hier dringt der Betrachterblick sogar in die Traumwelten von Mrs. Angela und bis in ihre frühe Kindheit vor. Schließlich ist sogar das organisch ­Innerste, ein wie ein Verdauungstrakt geformter Tunnel, beim im doppelten Sinne ›Verinnerlichen‹ der Traumbilder zu sehen (Abb. 7).

Abb. 7: Verinnerlichung der Traumbilder der Bewohner_innen (Giandelli: interiorae, [103]).

So wird auch die konfliktreiche Privatheit, das ›Innerste‹, das der Titel bereits verspricht, verhandelt. Das Innere des Hochhauses, die Interieurs, sind die Interaktionsorte für alle Beziehungsgefüge10 der Protagonist_innen, die sich dabei gegenseitig beobachten und wiederum von den Betrachter_innen der Graphic Novel dabei beobachtet werden. Neben dem Spiegel ist das hauptsächliche Requisit hierfür das Fernglas, das dem Zimmerpflanzenfreund gehört und das unweigerlich an Stelle des puren Requisits als Vergrößerungsapparat des Sichtbaren zu einer Seh- und Erkenntnis-Prothese11 wird. Durch dieses schaut auch seine Geliebte (Chiara) nach draußen (ebd., 33), während er es wiederum in einer ironisierenden Geste später selbst benutzt (ebd., 44), um ihr Weggehen aus sicherer Distanz zu beobachten und zu kommentieren (Abb. 4 und 5). Sein Schauen durch das Fernglas bzw. dessen Fetischisierung wird am Ende des zweiten Kapitels wiederaufgenommen; auch hier beobachten die Betrachter_innen ihn bei seinem Voyeurismus. Sie bekommen in einer visuellen Zuspitzung auf zwei Panels exakt die zwei sehr begrenzten runden Sichtfelder der Objektive zu sehen, die in diesem Moment seine Weltsicht formen.

Die Leere, die er und alle Betrachter_innen sehen,12 der beständige Schneefall und schließlich das Bild der bereits verstorbenen schneemannbauenden Kinder, die schon im ersten Kapitel eingeführt werden, bringen mit den spezifischen medialen Mitteln der Graphic Novel bzw. ihrer Comic-Sprache (vgl. Frahm 2010, 38–43) das Geschehen in seinem quasi-zyklischen Narrativ der Vergänglichkeit und Aussichtslosigkeit der Hochhaus-Beziehungen in einen Gegensatz zur alternativen (indigenen) Traumwelt. Der Wechsel aus Überblicks-Perspektiven (seltener eine vollständige Vogelperspektive) und Zoom-Einstellungen auf Gesichter und Details dient der Aufmerksamkeitslenkung auf übergreifende emotionale Zusammenhänge. Diese wird nicht nur durch die unterschiedlichen homodiegetischen Erzählinstanzen, sondern auch eine durch die (wortlose) Abfolge von Bildern ›erzählende‹ heterodiegetische Instanz geleistet. Es ergeben sich oft Lenkungen und Blick-Ausschnitte hin zu Durchgangs- und Übergangsräumen als drittes Wissensfeld, das ich hier hervorheben möchte, und das mit dem zweiten Feld von Blicken und Beobachten zusammenhängt. Ein übergeordnetes Wissensfeld und direkt auf die Indigenisierung bezogen ist die Schwellenerfahrung, respektive das seelische aber durchaus auch körperlich empfundene Wandern zwischen den Welten. Es wird von der (Keim-)Zelle als von ihr verschlungene und durchdrungene »nightly small deaths« (Giandelli, 74) charakterisiert (Abb. 8).

Abb. 8: Die Keimzelle spricht ĂĽber das Wandern zwischen den Welten (Giandelli: interiorae, [74]).

Um die Spezifik des Hasen, der (Keim-)Zelle und der Bedeutung dieser Wissensfelder für die indigenen Träume besser erfassen zu können, muss noch Genaueres über die Panelgestaltung festgehalten werden: Diese Panels weisen eine regelmäßige Anordnung auf; sie sind alle rechteckig, in der Aufteilung streng geometrisch gehalten und dabei durch dünne schwarze Linien eingerahmt. Sie generieren ihre Aussage hauptsächlich über den Lesefluss von einem zum nächsten. Viele Charaktere können die Leser_innen erst Kapitel für Kapitel in ihrer Komplexität kennenlernen, daher kann man hier von einer sich entwickelnden Geschichte sprechen, auch wenn die Panels ebenfalls als Einzelbilder – jedes für sich genommen – bereits Aussagen generieren. Es sind meist vier bis sieben Panels pro Seite angeordnet, seltener und damit in ihrer Bedeutung besonders herausgehoben sind Seiten mit entweder drei horizontal länglichen Panels13 sowie ganzseitige Panels,14 die sich bspw. regelmäßig immer nach der schwarz abgesetzten Kapiteleingangsseite finden. Als integriert in das Anordnungs-Schema der Panels ist ein ebenso aussagekräftiges Farbgebungs-Schema aufzufassen, das von einem dunklen, grau-grünen Grundton dominiert wird und sich überdies durch eine sehr kontrastreiche schwarz-weiß-Gestaltung auszeichnet. Diese spiegelt sich nochmals in den Figuren des weißen Hasen und der untergrundverbundenen schwarzen (Keim-)Zelle bzw. bezeichnet hier zwei Seiten eines höheren Prinzips, ähnlich dem des Yin und Yang. Einige Sequenzen sind durch einen Wechsel des Farbschemas herausgehoben.

Abb. 9: Einige Seiten weisen einen Wechsel des Farbschemas auf (Giandelli: interiorae, [123]).

Hier sind die Rot-Blau-Tönung mit diesen beiden verstärkten Grundtönen auf den Seiten 122 und 123 (Abb. 9) sowie eine sich optisch völlig abhebende Bunt-Gestaltung auf den Seiten 125 bis 129 zu nennen. Das Rot-Blau geht in eine (v. a. um gelb und lila) erweiterte Farbigkeit über und markiert so die Stelle im Erzählgefüge, die Angelas Übergang in den Tod visualisiert. Zugleich wird hier am eindrucksvollsten die (/ihre) indigene Traumwelt entfaltet, die in der Graphic Novel die Funktion einer Parallel- und Alternativwelt erfüllt. Diese Welt wird entworfen, um einen von der Hochhaus-Logik und den kommunikativ und emotional nicht (mehr) zueinander findenden Bewohner_innen, differenten Ort vor Augen zu führen, der eine solche Differenz über indigenisierte Figuren und Objekte markiert bzw. begründet. Das Gleiten vom Hochhaus (aus dem urbanen Setting, der anonymisierten Lebensform, der Fremdbestimmung) in diese mit indigenen Mythen und farbigen Wäldern gleichsam ›dekorierte‹ Alternativwelt stellt eine Schwellenerfahrung dar, wie auch – exemplarisch an Angelas Transgression von einer Welt in die andere gezeigt – der Übergang vom Leben in den Tod oder vom Wachzustand in den Traum. Die Ambiguität der symbolischen Figuren, wie dem sowohl Wachstum verheißenden als auch Träume verschlingenden Keim, dem omnipotenten, allerdings auch durch den Keim instrumentalisierten und meist passiv umherschweifenden Hasen, und der Landschaften, die zugleich fantastische und bedrohliche Züge aufweisen, lässt jedoch keine finale Wertung zu. Das Wandern zwischen den Welten, der Zusammensturz des Hochhauses, die ungewisse Reise im Schlusspanel: All dies verhindert eine voreilige Dichotomisierung von westlicher, entfremdender Zivilisation und ganzheitlicher, Natur und Kultur vereinender indigener Lebensweise, obwohl mit diesen Stereotypisierungen durchaus ein komplexes Spiel gespielt wird.

Ein Höhepunkt dieses Spiels stellt die Binnenerzählung eines Todes-Traums dar, in dem Angela von einer Indianerfigur abgeholt und in eine neue, der irdischen Welt enthobene Landschaft versetzt wird.

Abb. 10: Der als Buddha-Statue erscheinende Hase erwartet den Indiander (Giandelli: interiorae, [121]).

Eingeführt wird diese Todes-/Übergangs-Sequenz durch den als riesige Buddha-Statue präsentierten Hasen, der den rot-blauen Wald bewacht und die Indianerfigur auf einem stilisierten vogelgesichtigen Kanu erwartet (ebd., 121) (Abb. 10). Das Dickicht der Stämme auf der folgenden Doppelseite bekommt zusätzlich zur markanten Farbe auch durch die Form bzw. Kombination von drei waagrechten Panels eine Sonderstellung.

Eines der bunten, waagrechten Panels zeigt die laufenden Füße des Hasen, vergrößert im Profil. Er geht dem Indianer voraus, der wiederum Angela in seinen Armen trägt. Durch die Aufteilung seines Körpers über mehrere der ­fremdartig-­fantastischen Landschafts-Panels wird die Aufmerksamkeit stark auf den Hasen in seiner Führerrolle gelenkt. Abgesehen von mehreren Rückenansichten ist insbesondere der Bauch des Hasen mit dem charakteristischen Bauchnabel vergrößert während der Wanderung zu Angelas neuer Heimstatt abgebildet (Abb. 11 und 12). Er wird hier zum Geburtsnabel und Nabel der Welt, gerade auch dadurch, dass er mit den schwebenden Planetenformen im Hintergrund korrespondiert. So ist das Geschehen auch als Körpererfahrung auf eine kosmologische Ebene gebracht, die vom Hochhaus nun gänzlich abgekoppelt ist. Über das Spiel mit gängigen Stereotypen, das mit dem Lotussitz auch auf einen meditierenden Buddhisten aus dem asiatischen Raum verweist, ist diese körperliche Allmacht des Hasen wiederum mit einem höheren geistigen Zustand verkoppelt. Überhaupt ist es dem Hasen möglich, sich relativ frei durch die Panels und die unterschiedlichen Welten zu bewegen, was auf einer formalästhetischen Ebene der Serialität von Comic-Zeichen(-Körpern) zuzuordnen ist.

Abb. 11: Der Hase geht dem Indianer voraus (Giandelli: interiorae, [125]).

Abb. 12: Der Nabel auf dem vergrößerte Bauch des Hasen wird zum Nabel der Welt (Giandelli: interiorae, [127]).

Auf das Wissensfeld der Schwellenerfahrung und der Übergänge bezogen, wird der NANABOZHO als alle Erzählungen miteinander verknüpfende und sie den Betrachter_innen vermittelnde konzeptuelle Figur genutzt. In seiner Eigenschaft des Welten­schöpfers und Grenzgängers und als Urbild eines Schamanen und Geister­beschwörers, der selbst beliebig seine Erscheinung verändern kann, gleitet er bspw. von einem Fenster zum anderen (vgl. ebd. 12) oder wird zu einem Riesen (vgl. ebd. 24), der sich an der Außenfassade des Gebäudes hochstreckt und auf eines der Fenster zeigen kann (Abb. 13).

Abb. 13: Der Hase wird zum Grenzgänger zwischen den Welten (Giandelli: interiorae, [24]).

Für den Aussagekomplex von interiorae steht er als indigener Urmythos, mit dem alles beginnt und endet, exemplarisch für das Weltenwandeln und die existentielle Suche nach Veränderung, Erlösung und Harmonie, die im ignoranten Dasein im urbanen Hochhaus zum Scheitern verurteilt ist. Er führt letztlich einen ›Mythos des Mythos‹ vor Augen und problematisiert somit vielmehr die westliche Idee von indigener Spiritualität und Lebensweise als eine solche tatsächlich hereinholen bzw. in der Ästhetik des Buches direkt vermitteln zu wollen. Bereits in der frühen Phase der Formierung der Ethnologie als Wissenschaft findet eine recht detaillierte Beschreibung des NANABOZHO Eingang in einen Bericht des Geographic Board of Canada:

The conception named Nanabozho exercises the diverse functions of many persons, and he likewise suffers their pains and needs. He is this life struggling with the many forms of want, misfortune, and death that come to the bodies and beings of nature (White 1913, 331).

Es handelt sich um eine spezifische Konzeption bei den Algonkin, bzw. den dieser Sprachfamilie zugeordneten Ojibwe, die zu den am weitesten verbreiteten indigenen Populationen in Nordamerika zählen (glottolog.org / Campbell 1997). Giandelli ›baut‹ hier mit den bildsprachlichen Mitteln der Graphic Novel einen hybriden Erinnerungsort auf. In diesem treten nicht nur die aktualisierten und potentiellen Erinnerungen der fiktiven Charaktere wie der verstorbenen Familie oder Mrs. Angela auf, vielmehr wird darüber hinaus der Umgang des Menschen mit der Welt und seine (Wunsch-)Identität(en) thematisiert.

Der Nomos des Go ... indigene Mythen und nomadisches Denken

Eine Deutungsmöglichkeit dieser indigen strukturierten Bild- und Wissensfelder bietet das Konzept des Nomadismus und der Deterritorialisierung, das Gilles Deleuze zusammen mit Félix Guattari in Tausend Plateaus entwickelt. Es soll hier als ein Konzept des widerständigen Denkens, das in Giandellis Spiel mit den Übergängen und Schwellen-Räumen sichtbar wird, zur Deutung herangezogen werden.15

In dem Kapitel »Abhandlung über Nomadologie: Die Kriegsmaschine« finden sich einige für die Lektüre von Giandellis Graphic Novel durchweg interessante Ausführungen zur, von dem Deleuze’schen Begriff des nomos abgeleiteten, Nomadologie:

Der Nomos des Go gegen den Staat des Schach, Nomos gegen Polis. Beim Schach wird der Raum codiert und decodiert, während Go ganz anders verfährt und den Raum territorialisiert und deterritorialisiert [...]. Ein anderes Recht, eine andere Bewegung, ein anderer Zeit-Raum (Deleuze/Guattari 1992, 484).

Dabei wird ein Alternativvorschlag zum Logos des fixen und hierarchisch verordneten Gesetzes, welches dem Staat zugeordnet ist, gemacht: »Es handelt sich um einen Nomos, der etwas ganz anderes ist als das ›Gesetz‹« (ebd.) Dieser Nomos beinhaltet eine Tätigkeit und Ausrichtung des freien Entfaltens, wenn sich Subjekte, Dinge oder Gedanken – auch Orte – immer wieder neu formen können, anstatt permanent umfasst und fixiert zu sein. Die wichtigste Eigenschaft eines solchen nomadischen Lebens ist die Bewegung, das Sich-in-Bewegung-Halten, wie Jonathan Roffe betont: »Rather than existing within a ­hierarchical structure like a city, nomadic life takes a place in a non-structured environment where movement is primary.« (Roffe 2010, 190) Es geht hier also nicht um das Nomadische als Kennzeichen nomadischer (indigener) Völker – auch wenn diese als eine Erscheinungsform dieses Prinzips, wie hier in der Graphic Novel, dafür stehen können. Vielmehr geht es darum, wie offene Räume (glatte Räume, nach Deleuze und Guattari) ohne feste Grenzen und gleich Fluchtlinien gebildet/ gezogen werden können, wobei zugleich, jenseits vorgegebener Strukturen, Begegnungen und Möglichkeitsräume geschaffen werden. So sind auch alternative Lebensformen, Denkräume und Verbindungen möglich, die sich bspw. in den Traumwelten, in den kosmischen Beziehungen zwischen dem Hasen, den bunten Planeten und Angelas Wanderung, sowie der (Keim-)Zelle mit dem Hasen und mit den Bewohner_innen (mittels deren Träume) zeigen. Entsprechend kann von einer Deleuze’schen »dezentrierten Denkpraxis« (Ott 2005, 115) ausgegangen werden, die sich in Giandellis Narrativ visuell niederschlägt. »Dieser andere Nomos wird damit erkennbar als anderer Name der Werdensprozesse, welche die überkommenen Unterscheidungen durchkreuzen [...] neue Bereiche des Sichtbaren und Erzählbaren eröffnen« (ebd., 111). Interiorae ist das (vorläufige) Ergebnis solch eines in der Graphic Novel experimentell angelegten Durchkreuzens. An Stelle von Stillstand (wenn z. B. Angela nicht in die Wälder ziehen würde nach ihrem Tod) oder von Zerstörung als Endpunkt (wenn Irina und ihr Freund nach dem Zusammenbruch des Hochhauses nicht beim Weiterziehen gezeigt werden würden), ist die Deleuze’sche Deterritorialisierung am Werk: Das Verhältnis zu Ort und Zeit ist insbesondere von Veränderung und Neuformierung geprägt, dadurch sind Beziehungsgefüge möglich, die nicht-linear und ohne zwingende Genealogie wachsen und sich verästeln. Es werden also nomadische Flucht­linien gezogen und, mit Deleuze argumentiert, Deterritorialisierungen vorgenommen, bis hin zur Vernichtung des Hochhauses am Ende, das bis zu diesem Moment als souveränes Prinzip, als Ordnungssystem der Bewohner_innen in die Höhe ragte. Der Akzent im Denken verlagert sich »auf die unbewussten, produktiven Kräfte, die in die gesellschaftliche Ordnung intervenieren und deren Institutionen und Herrschaftsstrukturen unterlaufen« (Krause/Rölli 2010, 31). Konkret verdichten sich diese Tendenzen in der Sprache von interiorae auf und in den Figurenkonzepten des Hasen und der (Keim-)Zelle. Gerade NANABOZHO kann mit seinen sich ständig ändernden Körperteilen und -vermögen als eine Visualisierung dieses Prinzips von Deterritorialisierung gelesen werden.

Mit den Verbindungen der Hochhaus-Welt und der bunten, indigenen Traum-Welt verfolgt die Graphic Novel insgesamt eine Bildstrategie des Nomos; sie ist demnach als ein »Nomos des Go« zu lesen. An dem bereits als ein bedeutendes Wissensfeld herausgestellten Blicken/Beobachten, spezifisch auf die (Keim-)Zelle und deren Wirken bezogen, lässt sich dieses gegen eine Fixierung gerichtete Go nachvollziehen.16 Das erste Erscheinen der schwarzen (Keim-)Zelle (vgl. Giandelli, 21) wird allein über die mandelförmigen, sich nur unklar im völlig schwarzen Hintergrund des Kellerraumes abzeichnenden Augen markiert. Sie spricht bereits hier von den Träumen der Bewohner_innen und davon, dass kindliche sowie unbewusste, ›echte‹ Träume seltener werden, und ruft an dieser Stelle Fantasie-Erscheinungen auf, die nur aus Wortfetzen bestehen und sich später in der Graphic Novel noch in Bildern zeigen werden (Abb. 14).

Abb. 14: Die (Keim-)Zelle ruft aus Wortfetzen bestehende Fantasie-Erscheinungen, die später noch in der Graphic Novel visualisiert werden (Giandelli: interiorae, [21]).

Die drei Abschlusspanels des zweiten Kapitels, die ihr und ihren aphoristischen Schlussworten gewidmet sind, zeigen sie nunmehr als blasenförmige, gallertartige oder zumindest extrem formbare Masse mit den bekannten cartoonesken Mandelaugen, die auf die Betrachter_innen gerichtet sind. Die (Keim-)Zelle betont ihre Funktion, sich von den Träumen der Personen zu ernähren: »My stomach is growling with hunger« (ebd., 74; Abb. 8). Hiermit wird ein direkter Bezug zu einem mittlerweile auch in westlichen Industrie­ländern übernommenen Teil eines Rituals der Ojibwe (Chippewa) hergestellt. Die als Traumfänger bekannten Objekte sollen die bösen Träume einfangen, dabei bestanden sie anfangs u. a. aus Darmschnur und sind daher von einem Verdauungs(tr)akt nicht sehr weit entfernt, bzw. als eine metonymische Konstruktion aufzufassen. Es folgt dann die Einladung der (Keim-)Zelle, sich in ihrem Inner(st)en niederzulassen: »Please, ladies and gentlemen, settle down in the dark velvet of my innards« (ebd., 74). Das Verdauungs­system als Wohnstatt, das ­Träumen als kleiner Tod und die Form der Zelle als kleinster Organismus, der sich aus unendlich vielen vermehrungsfähigen Zellen weiter aufbaut, verbinden sich zu einem rhizomatischen System am Ende des ersten Kapitels, wenn der Traumfresser als (Keim-)Zelle für fünf aus ihm emporwachsende Blasen mit unterschiedlichen Traumbildern dient (Abb. 15).

Abb. 15: Die Traumfresser-Zelle stellt sich als rhizomatisches System dar (Giandelli: interiorae, [38]).
 
 

Die stilisierten Baumgewächse darum herum lassen ihre weißen Wurzeln tief daneben ins Erdreich sprießen. Auch dieser Bildsprache lässt sich mit den Philosophemen aus Tausend Plateaus gut auf die Spur kommen: Analog zu den Überlegungen zur Deterri­torialisierung und zum Nomos bilden Rhizome hybride Verflechtungen, die weder hierarchisiert noch finali­siert sind, sondern vielmehr Lücken, Brüche, Flucht­linien und neue Triebe zulassen. Das Rhizom bildet die Einleitung und den Einstieg in das selbst rhizomatisch angelegte und argumentierende Werk von Deleuze und Guattari, darin heißt es: »Ein Rhizom kann an jeder Stelle unterbrochen oder zerrissen werden, es setzt sich an seinen eigenen oder an anderen Linien weiter fort. [...] Jedes Rhizom enthält Segmentie­rungs­linien, die es stratifizieren, territorialisieren, organisieren, bezeichnen, zuordnen etc., aber auch Deterritorialisierungslinien, die jederzeit eine Flucht ermöglichen. [...] Deshalb kann man niemals einen Dualismus oder eine Dichotomie konstruieren [...] « (Deleuze/Guattari 1992, 21).

Eine solche Verästelung oder Wucherung findet sich in Angelas Totenbett-Träumen im dritten Kapitel wieder: Hier werden in einem Schwarz-Weiß-Bild, das wiederum einem Schaubild oder einem Irrgarten gleicht, die Stationen ihres Lebens in kleinen Blasen visualisiert, nachdem sie oben im Bild von dem Totem-Cartoon der indigenen Parallelwelt verschluckt wurde (Abb. 7). Dieses totemistische Gesicht, die Maske, aktualisiert wiederum die Mandelaugen und eben auch die Fresser-Funktion der schwarzen (Keim-)Zelle in einer etwas abgewandelten Bildsprache. Der Aspekt der Geisterbeschwörung wird ein paar Seiten weiter direkt in das Schlafzimmer Angelas geholt bzw. entwickelt sich ausgehend von einem Buch auf ihrem Bett. Ihre Abwesenheit in dieser Szene wird über den rosa Sessel, das ovale Porträt darüber und die halb offene Tür beinahe zu einer unsichtbaren Präsenz; der Fortgang der Narration nimmt die Betrachter_innen dann mit auf ihre letzte Reise. In Bezug auf die Thematik der Augen, der Cartoonisierung der Traumfresser-Zelle und indigenen Maskenhaftigkeit17 spielen die sich hier anschließenden Übergangs-Panels eine große Rolle: Durch zweifach verstärkten Zoom belebt sich das Auge in der Maske in der Buchillustration dergestalt, dass es das dritte Panel komplett ausfüllt und dabei die Bäume des Traumwaldes spiegelt. Das Be­obachten erhält nun, durch die mystische Kraft des verlebendigenden Blicks, die Funktion einer Heraufbeschwörung neuer Realitäten. Fantasie und Wirklichkeit, Werden und Vergehen sind nicht mehr vollständig unterscheidbar. Der Traumfresser schließt zum Schluss dieser Reise Angela und ihren Hund in sich ein und ruht selbst, die eigenen Augen schließend, auf der riesenhaften gelben Maske mit den Mandelaugen (Abb. 6).18

Die Narrative und die Ästhetik von interiorae sind komplex und vieldeutig. Es fehlt bei aller Ernsthaftigkeit der existentiellen und beängs­tigenden Fragestellungen niemals an Ironie, an einer gewissen Selbstbefragung der Bilder, die sich rhizomatisch in Beziehung setzen und keiner der thematisierten Ebenen und Dimensionen den Vorrang vor der anderen geben.

Fluchtlinien und rhizomatische ­Beziehungen der Bewohner_innen

Die nomadischen Fluchtlinien, die angedeutet und entworfen oder wieder verworfen werden, gehen offensichtlich vom Hasen und vor allem dem Traumfresser aus, der zum Keim alternativer (Gedanken-)Bilder wird. Sie können auch – noch organischer gedacht – als Lebensadern bezeichnet werden, so wie der Traumfresser auch vom Hasen an seiner ›Nabelschnur‹ gehalten wird. Vergänglichkeit, Tod und Durchlässigkeit (Flucht, Wanderung) werden auf mehreren Ebenen und vordergründig auch in der Verbindung verschiedener Familienformungs- und Suchbewegungen wiederholt thematisiert. Zentral ist die Geschichte von Mrs. Angela und ihrem Hausmädchen. Sie ist zum einen am stärksten mit der indigenen Thematik verknüpft und befördert zum anderen im Zuge des Sterbens eine Beziehung zwischen Irina und dem Keller-Jungen. Dieser hat sich – wie sich Angela erinnert – schon seit der Kindheit lieber im Keller aufgehalten, sodass sowohl er als auch das ukrainische Hausmädchen auf ihre Weise Außenseiter der Gesellschaft sind und in ihrer Romanze und dem Aufbruch in die russische Natur (als Schlussbild und Vision der Graphic Novel) einen alternativen Weg weisen.

Im Zusammensturz und im Aufbruch oder Wandern am Schluss manifestieren sich enttäuschte Erwartungen, Rückzug und Erinnerungen an längst vergangene (verpasste oder niemals geschehene?) Ereignisse der Hochhaus-Nachbarschaft. Von den sechs eigenständigen, mehr oder weniger narrativ entfalteten Hausgeschichten, sind zwei als unglückliche Paarbeziehungen, oder vielmehr: Eifersuchtsdramen herausgearbeitet. Zum einen handelt es sich um den eigentlich nur in der Beobachtung anderer und der Beziehung mit seinen Zimmerpflanzen eine gewisse Befriedigung findenden Mann, der eine Affäre mit einer grünhaarigen Frau, die er im Grunde langweilig findet, eingegangen ist. Er meint, wahre Stärke läge im Alleinsein, und nimmt die Bedürfnisse seiner Geliebten weder ernst, noch denkt er über die Konsequenzen für sein eigenes Leben nach. Völlig isoliert zwischen seinen Aktenschränken wandernd, überlegt er: »Anyway, Chiara’s still a kid. Sometimes this naive bullshit just comes pouring out of her mouth!« (Giandelli, 72). Während er von innen durch sein Fernglas auf die hell erleuchtete Hochhausfassade gegenüber blickt, die ihn komplett umgibt, konterkariert die Bildsprache seine selbstaffirmative Gedankenkette: Er ist einsam und geht sozial unter; während er meint, die Kontrolle des Blicks auszuüben, blicken die unzähligen Augen der Fenster draußen auf ihn herab und sperren ihn in sein einsames häusliches Dasein ein. Chiara sucht zwar seine Nähe, hat aber dennoch eine weitere Affäre mit einem verheirateten Mann, von der sie behauptet, sie erhoffe sich von ihr nicht viel. In der ersten diesem Paar gewidmeten Sequenz beobachtet interessanterweise Chiara durch ein Fernrohr eine Frau mit blauen Stiefeln, die gerade in ein Taxi steigt. Das Paar ist von Anfang an durch Distanz und ein Begehren, in die Ferne und vielleicht die Zukunft schauen zu können, nicht aber durch Intimität oder den Genuss der Präsenz charakterisiert. Ironisierend zeigt ein späteres Panel, wie Chiara in ihrem Weggehen nun ihrerseits von ihm beobachtet wird, von seinem destruktiven Gedanken »Off you go to work, like a good little girl« begleitet (ebd., 44), was seine Verachtung gegenüber einem Alltag ausdrückt, in dem er genauso wie sie ›gefangen‹ ist. Gerade die darauf folgende Doppelseite, die ihn einmal in einer 180°-Drehung als telefonierenden Businessman und einmal in der Gegenüberstellung mit seinen Topfpflanzen zeigt, führt seine Verachtung durch die Skizzierung seiner eigenen Lebensweise ad absurdum. Gesteigert wird dies noch in der davor gezeigten Fürsorge für diese Pflanzen, die er als »ladies« anthropomorphisiert und mit denen er kommuniziert: »how are you today?«, »I’m here to take care of you and keep you nice and warm« (ebd. 27, Abb. 16).

Abb. 16: Der Pflanzenfreund (Giandelli: interiorae, [27]).

Was er in der Beziehung zu Menschen nicht schafft, projiziert er fast psychotisch auf die Pflanzen, ohne sich jedoch in der tatsächlichen Auseinandersetzung mit Chiara zu ›verraten‹. Das apokalyptische Schlusskapitel folgt später als eine narrative Konsequenz aus solchen gravierenden Beziehungsstörungen. Für diesen Schlussteil hat nun die Frau mit den Stiefeln, die von den Betrachter_innen in der runden Fernglas-Rahmung und nur von hinten erblickt wird (vgl. ebd., 33), eine vorausweisende Funktion: Es ist dieselbe Frau, die kurz vor dem Einsturz des Hauses im letzten Kapitel, wieder aus einem Taxi steigend, mit schreckerfüllten Augen den riesigen Riss in der Fassade sieht, und auch die letzte, die in diesem Moment in ihrer Wahrnehmung der Geschehnisse den Betrachter_innen vor Augen geführt wird. Was mit den anderen Bewohner_innen, abgesehen von dem Kellerjungen und Irina, geschieht, bleibt unklar.

Die zweite scheiternde Paarbeziehung beginnt für die Betrachter_innen mit einem Streit und vermutlich der (längst fälligen) Trennung. Verständnis bringt keine Person für die andere auf. Der missmutige bebrillte Angestellte beschwert sich konstant seiner Frau gegenüber, die eine Affäre mit einem anderen Mann begonnen hat und dies auch zu verdienen meint. Das Gefühl, etwas verpasst und ihrem Leben einen schweren Fehler auferlegt zu haben, dominiert stark bei ihr – Eifersucht und enttäuschte Erwartungen sind in dieser Paarbeziehung die Koordinaten. Die Ursache für den entzweienden Streit, der ihn schließlich von ihr weg in den Keller treibt, ist ein Flirt der Frau auf einer Weihnachtsfeier. Das Weihnachtsfest und die immer wieder aufgerufene Dekoration hierzu – Weihnachtsbäume, Kugeln, Stechpalmen und Kerzen – verklammern diese Verzweiflungsstränge der Graphic Novel jedoch mit der eingefügten ›positiven‹ (Erinnerungs-)Geschichte einer vierköpfigen Familie. Eingeleitet wird diese Geschichte mit einem sich küssenden Paar vor dem Hochhaus, welches ­NANABOZHO dazu bringt, sentenzartig die friedliche Weihnachtsidylle (wie sie der symbolischen Ordnung der westlichen Kultur entspricht) mit den Gefühlen des Verliebtseins zu verbinden: »Ah... there’s nothing more exciting than falling in love around christmas-time... [...] the sweet melancholy of the decorated store windows...« (ebd., 23). Anschließend wird das Vergängliche gerade dieser Emotionen, analog zum Schnee als materialisierte Vergänglichkeit, betont: »Beauty and love are so brief... in a blink of an eye, it’s all over...« (ebd.). Der Aphorismus über den Schnee in Angelas Schlussworten des ersten Kapitels wiederholt diese Einsicht metaphorisch, wenn sie sagt, die Perfektion dieses Schnees »only lasts a single night« (ebd., 40). Eingerahmt wird die universelle Aussage des Hasen über die Liebe von zwei wiederum ironischen Brechungen: Der Hund des Kellerjungen blickt die Betrachter_innen frontal an mit der Warnung: »If you come any closer I’ll kill you!«, (ebd., 22) und die Ohnmacht des Hasen, der ja eigentlich nicht mehr als eine über die Seiten hüpfende und Sprüche präsentierende Cartoon-Instanz ist, bringt er selbst noch zum Ausdruck, indem er betont: »Rabbits only have a rabbit heart, you can’t go overboard with the emotions« (ebd., 23). Er ist kein allmächtiger NANABOZHO, und die Gefährdung der conditio humana (auch der Betrachter_innen!), die er nicht umcodieren kann, schwingt bei allen Szenen und Geschichten schon immer mit.

Die Geschichte der toten Familie hebt sich vor diesem Hintergrund deutlich ab. Zur Einführung weist der vergrößerte Hase auf eines der Fenster: »When I’m tired I go to my ­favorite apartment. Nothing ever changes here. It’s so peaceful« (ebd., 24) (Abb. 13). Der Frieden ist jedoch nur deshalb möglich, so wird bald klar, weil diese Familie bereits verstorben ist, bei einem Flugzeugabsturz im Jahr 1972. Der Tod als Befreiung von Qual und Zweifel, dies spiegelt auch die von der alten Angela in das Hochhaus hinein imaginierte indigene Fantasiewelt, in die sie bald qua eigenem Tod eingeht. Die Familien­idylle, die im Folgenden vorgeführt wird, existiert also nur in der kollektiven Erinnerung, obwohl unklar bleibt, von wem (nur dem Hasen?). Aleida Assmann unterscheidet sogenannte »Erinnerungsorte« von »Gedächtnisorten«:

Am Erinnerungsort ist eine bestimmte Geschichte gerade nicht weitergegangen, sondern mehr oder weniger abrupt abgebrochen. Die abgebrochene Geschichte materialisiert sich in Ruinen und Relikten [...]. Diese Orte sind erklärungsbedürftig; die Bedeutung der Relikte muss durch unabhängige Erinnerungen und Erzählungen gesichert werden. (Assmann 1996, 16).

Genau dies tut die Graphic Novel, indem sie einen Erinnerungsort visualisiert, der bis zur durch die europäischen Siedler_innen abgebrochenen Geschichte der Algonkin zurückreicht, und dessen Zusammenbruch während des Erzählens gezeigt wird (Abb. 17).

Abb. 17: Zusammenbruch des Erinnerungsortes während des Erzählens (Giandelli: interiorae, [140/141]).

So kann erneut ein Erinnerungsort entstehen, eine neue Herausforderung für das kulturelle Gedächtnis. Dessen Inhalte werden gespeichert, geordnet, geformt in den vielfältigsten Medien, und diese »Speicherung im Gedächtniskontext stellt eine hoch spezifische Seinsform zwischen einem ›Nicht mehr‹ und einem ›Noch Nicht‹ dar. Sie hält etwas fest, was nur im Stand der reinen Latenz und Potentialität besteht« (Assmann 2010, 167). Dies gilt für die nomadisch angelegte Graphic Novel Giandellis, die Bilder und Vorstellungen aus diesem Gedächtnis entnimmt und rhizomatisch verknüpft, ohne sie festzuschreiben oder mit (end-)gültigem Sinn zu belegen. Die verstorbene, erinnerte Familie ist als Trugbild markiert, es sind Geister, nur umrisshaft und durchlässig, sodass der Hintergrund durch sie durchscheint. Trotzdem hinterlässt sie Spuren. Ihre Schritte können von den Nachbarn gehört werden. Als Geister aus einer anderen Zeit repräsentieren sie auch ein Familienmodell aus einer anderen Zeit und rücken in eine Position, die zwar als Gegenpol zu den lebenden Bewohner_innen entworfen, aber dennoch nicht gänzlich positiv zu lesen ist. Wie bei allen Geschichten bleibt eine Lücke im Verstehen, eine Ambivalenz der Aussage bei den Rezi­pient_innen bestehen und fordert diese zu einer eigenen gedanklichen Produktivität auf.

Die beiden anderen Familiengeschichten, die kontrastierend hierzu, aber auch zu den Eifersuchtskonstellationen, durchgängig erzählt werden, aktualisieren andere bekannte Krisensituationen. Zum einen handelt es sich um eine überforderte alleinerziehende Mutter, die gerade verlassen wurde und bei ihren ebenfalls frustrierten Single-Freundinnen kaum Unterstützung findet. »You’re never going to be happy«, lautet die resignative Aufforderung zum Aufgeben (Giandelli, 56). Der kleine Sohn Nico ist oft sich selbst überlassen, kann aber als einziger den Hasen sehen und mit ihm reden, was ihn wie Angela, den Kellerjungen und die tote Familie als Grenzgänger auszeichnet. Der Jugendliche Matteo, der häufig vor seinem PC sitzt und dessen Beziehung zu seiner Schwester und deren Freundin ausgelotet wird, hängt einem Weltüberdruss nach. Hier zeichnen sich eskapistische Tendenzen ab, die als eine Kehrseite des Weltenwanderns, Nicht-Bleiben-Wollens und durchaus produktiven In-Bewegung-Bleibens thematisiert werden. »The city is sick, like the rest of the Western World. We’ve got to escape«, formuliert eine seiner Gedankenblasen programmatisch, (ebd., 31) und, wenn auch vordergründig als Teil eines PC-Spiels zu kategorisieren, bleibt doch der Eindruck eines an nomadische Fluchtlinien erinnenden Appells an die Betrachter_innen.

Fazit

Die (Keim-)Zelle und die Nabelschnur kommen als Bild und Konzept immer wieder vor, gegen das apokalyptische Ende hin findet die Abnabelung statt, das Signal zur Deterritorialisierung im Sinne eines nicht-festgelegten Neuanfangs. Das letzte ganzseitige Bild des ersten Kapitels zeigt die Semantik und das politisch-gesellschaftliche Potential des Keims/Traumfressers/NANABOZHO-Komplementärs emblematisch auf: Die unten mittig im Erdreich verwurzelte Masse entlässt vor dem Hochhaus fünf zu eigenen Schau-Räumen werdende Traumblasen und wird dabei von dem diesmal winzigen Hasen, der im weißen Wurzelgeflecht fast verschwindet, beobachtet. Ein strahlender Mini-Weihnachtsbaum ist zeichenhaft über den Keim und an der Grenze von Erdreich und Haus eingefügt. Als Kommentar und Motto aus dem Keim kommend ist zu lesen: »Houses are organisms. They must be nourished. They live off the energy of the dreams of those who dwell within them« (ebd., 38, Abb. 15).

Abb. 18: Die Graphic Novel endet mit dem ­Zusammensturz des Gebäudes (Giandelli: interiorae, [142]).

Der Keim ist Schöpfer und Wächter des Hauses und befindet sich selbst in einer symbiotischen Beziehung mit dem Haus ›über‹ sich und den Bewohnersubjekten, er scheint diese Subjekte überhaupt erst zu formen, durch die Träume, die er ihnen einpflanzt. Allerdings ernährt sich dieses Keimgebilde wiederum selbst von den Träumen, bezieht seine Energie aus ihnen, gibt sie wieder an das Haus ab. Das Hochhaus ist – wider jeden Wissens, das man über Architektur und deren primäre Eigenschaft der Festigkeit und Stabilität zu haben meint – eine lebendige, sich verändernde, von ihrem ›Inneren‹ abhängige und ephemere Existenz. Im Sinne der Übergangsräume und des Weltenwanderns bereitet Mrs. Angelas Todessehnsucht, oder vielmehr: die Sehnsucht in eine Art Reich des Manitu eingehen zu können, den Zusammenbruch des Hauses und den Neuanfang ihrer Schützlinge, die als Paar zusammenfinden, über alle Kapitel hinweg vor. Am Beginn ihrer Wanderung in den Traumwald bekommt das Innere des Hauses – Wände und Treppen – vielfach Risse, wie bspw. in der Wand der verzweifelten Mutter (vgl. ebd., 114). Sie pflanzen sich mit Angelas Tod weiter fort. In den apokalyptischen Visionen der letzten zehn Seiten verlässt zuerst die sowieso längst verstorbene Familie das Haus, dann fliegt die (Keim-)Zelle mit NANABOZHO an ihrer (Nabel-)Schnur davon. Im letzten Kapitel zerteilen die Risse die Fassade und der Zusammensturz erfolgt, worauf nur noch weiße wolkenartige Gebilde mit einem Totem in ihrer Mitte zu sehen sind (Abb. 18). Das nomadische Paar, das nun in eine andere Raum-Zeit-Struktur aufbricht, ist bereits unterwegs und hinterlässt Spuren im Schnee.

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Bibliografie

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Abbildungsverzeichnis

Copyright: all images quoted from ­Gabriella Giandelli: interiorae, Seattle: Fantagraphics Books 2012. With friendly permission by Gabriella Giandelli and Neri Illustrations, New York.

  • Abb. 1: interiorae, S. 40.
  • Abb. 2a: interiorae, Cover.
  • Abb. 2b: interiorae, Cover.
  • Abb. 3: interiorae, S. 9.
  • Abb. 4: interiorae, S. 33.
  • Abb. 5: interiorae, S. 44.
  • Abb. 6: interiorae, S. 129.
  • Abb. 7: interiorae, S. 103.
  • Abb. 8: interiorae, S. 74.
  • Abb. 9: interiorae, S. 123.
  • Abb. 10: interiorae, S. 121.
  • Abb. 11: interiorae, S. 125.
  • Abb. 12: interiorae, S. 127.
  • Abb. 13: interiorae, S. 24.
  • Abb. 14: interiorae, S. 21.
  • Abb. 15: interiorae, S. 38.
  • Abb. 16: interiorae, S. 27.
  • Abb. 17: interiorae, S. 140/141.
  • Abb. 18: interiorae, S. 142.

 

  • 1] Erschienen im April 2012 bei Fantagraphics Books in Seattle.
  • 2] Teils werden die Personen mit Namen benannt, teils aber auch nicht. Generell scheinen sie eher exemplarische Charaktere zu sein, deren Namen und konkrete verwandtschaftliche, freundschaftliche etc. Beziehungen bewusst nicht vollständig aufgeschlĂĽsselt werden, um die Anonymität und Komplexität des menschlichen Lebens in den Hochhaus-Apartment-Anlagen zu unterstreichen.
  • 3] Gemeint ist hier die semiologische VerknĂĽpfung von Aussagen, die v. a. Roland Barthes vielfach untersucht und beschreibt, um zu zeigen, dass eine Aussage nicht als eine einfache Ăśbersetzung von a nach b zu verstehen ist. Siehe u. a.: Barthes 1964, 85.
  • 4] Durch die GroĂźschreibung wird in diesem Beitrag markiert, dass es sich um ein ins Bild gesetztes Prinzip und nicht nur einen Eigennamen handelt.
  • 5] Johann N. Schmidt bezieht sich an dieser Stelle seiner Argumentation auf Rem Koolhaas’ Delirious New York.
  • 6] Schmidt konstatiert hier, der fĂĽr seine New York-Bilder bekannte Comiczeichner Will Eisner Eisner mache die Architektur »zum lebendigen Paradigma der art of city living, bei der menschliche Schicksale nur scheinbar unverbunden sind, vielmehr mit schöner Notwendigkeit zusammentreffen« (104). In Giandellis Graphic ­Novel ist dieses city living auf einen sehr kleinen Ausschnitt, das Haus und seine unmittelbare Umgebung sowie die darin und dadurch in Gang gesetzten Fantasien, beschränkt. Dennoch verknĂĽpfen sich hier groĂźstädtische Schicksale, Ideen und Träume auf untrennbare Weise.
  • 7] Ole Frahm (»Die Fiktion des Graphischen Romans«, in: Susanne Hochreiter und Ursula Klingenböck (Hg.): »Bild ist Text ist Bild«, 53–77, hier 55) unterscheidet serielle Comics von der Graphic Novel bzgl. des Formats, da das Buch »durchaus nach weiteren ästhetischen Kategorien verlangt« und zudem »eine eigene Produktivität« hat, »die bestimmte Veröffentlichungen erst möglich macht«. Er bringt beide wieder auf einen Nenner, wenn es um ästhetische und politische Relevanz und Aussagekraft ihrer Mittel, also die ästhetische Struktur geht, denn dann »leiten sich ihre Mittel, dies sei ein weiteres Mal betont, vor allem aus der Ă„sthetik des Comics her – reformuliert und aktualisiert in Bezug auf die gesellschaftlichen Verhältnisse.«
  • 8] Die genauen Zeitangaben sind: Tuesday, December 19, 35 hours, 52 minutes, 36 seconds (1); Wednesday, December 20, 18 hours, 00 minutes, 37 seconds (2); Wednesday, December 20, 4 hours, 15 minutes, 33 seconds (3); Thursday, December 21, 01 hour, 56 minutes, 22 seconds (4); Thursday, December 21, 01 minute, 09 seconds (5).
  • 9] Mit ›Wissensfeld‹ ist hier die Verschränkung von Wissen und Macht formuliert, die sich in den zahlreichen Schriften zu Biomacht und Selbsttechnologien von Michel Foucault finden. Es ist als komplementär zu den ebenfalls von Foucault geprägten Praxisfeldern aufzufassen. Im Bezug auf die Graphic Novel, die tatsächlich Feld fĂĽr Feld bzw. Panel fĂĽr Panel bestimmte Formen des Wissens- und Erinnernswerten enfaltet, bietet es sich an, von Wissensfeldern zu sprechen.
  • 10] Das Wort GEFĂśGE findet sich auch häufig in der Terminologie von Deleuze.
  • 11] In diesem Zusammenhang ist Marshall McLuhans Theorie der Ausweitungen des menschlichen Körpers durch Medien interessant (Vgl. McLuhan, 2004).
  • 12] Barbara Uhlig, die zu italienischen Comics seit den 1960er Jahren forscht, und fĂĽr deren hochgradig ansteckende Begeisterung fĂĽr die fundierte Auseinandersetzung mit Comics ich sehr dankbar bin, hat eine ihrer Untersuchungen der Funktion eines gap – einer Leerstelle – bei Lorenzo Mattotti, mit dem auch u. a. Giandelli zusammengearbeitet hat, gewidmet. Mattotti nutzt, wie Uhlig zeigt, die Struktur des Comics El CosmĂłgrafo Sebastián Caboto (Mattotti/Zentner 1992) dazu, Historizität als ein fiktives Konstrukt zu kennzeichnen, das von Rezipient_innen erst hergestellt wird: »The narrator further calls the events into question: ›We imagine a river, older than eternity. We imagine a shipwreck. We imagine dead men‹ (38), and later: ›Is this really how things happened? Telling, that means inventing destinies‹ (48 [my translation]). By comments like these, Mattotti and Zentner emphasize our lack of knowledge, the many gaps in Cabot’s story.« (Uhlig 2013). Auch in interiorae wird keine Biografie lĂĽckenlos oder objektiv dargestellt, entsteht kein eindeutiges Bild.
  • 13] Auf den Seiten: 59, 61, 69, 74, 101, 102, 106–108, 122–123, 126, 134–135, 140–141.
  • 14] Auf den Seiten: 17, 24, 38, 53, 60, 73, 92, 103, 105, 111–113, 121, 129, 142.
  • 15] Nicht jedoch bezogen auf konkrete Nomadenvölker oder konkrete Minoritäten.
  • 16] Innerhalb des sprachlichen Systems von Deleuze und Guattari, auf das hier nicht ausfĂĽhrlicher eingegangen werden kann, vertritt das Prinzip des Go das Recht auf (De-)Territorialisierung: »Beim Go geht es darum, sich einen offenen Raum einzuteilen, den Raum zu halten und sich die Möglichkeit zu bewahren, an irgendeinem Punkt ĂĽberraschend aufzutauchen« (Deleuze/Guattari 1992, 484).
  • 17] Das Thema der Masken im Schwellenbereich von Ethnologie und Kunst wurde in einer groĂźen Ausstellung 2009 aufgegriffen: »MASKEN. Metamorphosen des Gesichts von Rodin bis Picasso.« Siehe: http://www.mathildenhoehe.eu/ausstellungen/archiv/masken/
  • 18] Vgl. Uhligs These, dass die Landschaft im Comic ­Murmure von Mattotti eher eine von den Figuren produzierte, psychische Landschaft ist denn eine real existierende: »the landscape is not just formed by Murmure’s moods but in turn affects the state of his psyche. This is shown above all in the change undergone by the colours, which are transformed from dark and eerie to light and friendly, forming an autonomous emotional colour space, which permits inferences to be drawn about the protagonist’s inner state, since everything in this fictional world is a ­construct and the reflection of his psyche« (Uhlig 2015, 96).