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Der kolonialistische Comic
Die Genese des ›Leopardenmannes‹ und die Verbildlichung kolonialer Ängste

Stephanie Zehnle (Kassel)

Schon auf der reiĂźerischen Titelseite der Comic-Episode Leopard Men (Buster Brown Comics 8, 1947) wird ein blonder Junge von einer Horde Schwarzer in Leopardenfellen durch den Dschungel gejagt. Der Teaser-Text verspricht ebenso eindeutig das pure Abenteuer:

Deep and dark are the mysteries of Africa. And only one who has known the terrors of the jungle can feel the suspense that hangs over it. For here death strikes suddenly and without warning. Men can be the hunted prey of animals … And sometimes the animals are all too human!! (Donavan/Barry, 1)

Der Dschungel erscheint als chaotischer Ort, in dem jegliche soziale Ordnung ins Gegenteil verkehrt sei. Daher würden Menschen plötzlich zu Gejagten, und selbst die Unterscheidung zwischen Mensch und Tier sei hier nicht mehr eindeutig zu treffen. Das Titelblatt des im Jahr darauf veröffentlichten The Land of the Leopard Men! (Charlie Chan 1, 1948) zeigt ebenfalls einen Schwarzen von monströser Größe im Leopardenfell (Abb. 1) und fragt die potentiellen Käufer_innen: »Who are they, these creatures of the jungle, who strike like beasts and walk like men?« (Infantino, 1).

Abb. 1: Eyecatcher – Auf dem Cover wird der
Leopardenmensch fälschlicherweise als Riese
im Fell dargestellt.

Der Typus eines solchen ›Leopardenmannes‹ fehlte in der späten Kolonialzeit bis Mitte des 20. Jahrhunderts in Europa und den USA in kaum einer Detektiv- oder Abenteuer-Comicreihe.1 Die Einarbeitung einer afrikanischen Geheimgesellschaft, die zur Anbetung ihres Fetischs regelmäßiger Menschenopfer bedarf und entsprechende Morde durch Art der Verwundung als Tat eines Leoparden zu kaschieren versucht, war ein willkommenes narratives Element. Auch die Bildästhetik wirkte durch spärlich mit Leopardenfellen bekleidete Frauen und/oder Männer augenfällig. Diese geheime Mischung von animalischer Erotik und exotischer Bedrohung galt es für die weißen Comic-Helden zu enthüllen und brachte auf diese Weise eine eigendynamische Komponente in die Geschichte ein. Während in vielen afrikanischen Regionen tatsächlich bestimmte soziale Institutionen innerhalb einer Dorfgemeinschaft für die Ausbildung der Heranwachsenden, die Jagd sowie die Klärung von Streitigkeiten zuständig waren und diese oftmals materielle und ideelle Referenzen zu Leoparden aufwiesen, so entbehrte die radikale Bekämpfung dieser indigenen ›Geheimgesellschaften‹ auf Basis von z. B. Kannibalismus-Vorwürfen doch jeder sachlichen Grundlage. In dieser komplexen Gemengelage von bedrohten lokalen Institutionen, Kollaborateuren und kolonialen Ängsten vor indigenem Widerstand entwickelten sich persistente und wirkmächtige Gerüchte über Mensch-Leopard-Metamorphosen und mordende Hybride, die sich in undurchsichtigen bis antikolonialen Zusammenschlüssen organisiert hätten. Sie würden in den tropischen Wäldern der afrikanischen Kolonien ihr Unwesen treiben und seien für seltsame Todesfälle verantwortlich. Diese Mythen verdichteten sich um 1900 von Sierra Leone im Westen bis in den Kongo zum kolonialen Diskurs über die ›Leopardenmenschen‹ bzw. ›Leopardenmänner‹,2 und fanden im 20. Jahrhundert über den Comic auch Eingang in Romane und Filme.

Abb. 2: Erfundene Evidenz – Die Bekleidung
dieser Skulptur war eine belgisch-koloniale
Auftragsarbeit, kein RitualkostĂĽm.

Eingeführt in die Comic-Welt wurden Leopardenmenschen erstmals durch Georges Rémi alias Hergé in Tim im Kongo (1930/31). Als visuelles Vorbild diente ihm eine Statue mit entsprechendem Tierkostüm (Abb. 2) aus dem belgischen Kolonialmuseum in Tervuren (Paul Wissaert, 1913). Der Angehörige der Leopardenmänner erhielt in der Geschichte jedoch nur einen relativ plumpen Gastauftritt, da sein Schöpfer lediglich das koloniale Klischee über kongolesische Geheimbünde in einer Sprechblase nacherzählte, ohne deren Wirken wirklich mit der Handlung im Comic zu verquicken – Hergé griff hier letztlich die in den Kolonien kursierenden Legenden als Nebenhandlung auf.3

Der Comic ist epochal betrachtet ein Produkt des Kolonialzeitalters, und seine globale Geschichte ist daher eng mit kolonialen und postkolonialen Denk- und Darstellungsmustern verknüpft.4 Während vielfach auf die Rolle des Kalten Krieges in den Comics der Nachkriegszeit hingewiesen wurde (Lefèvre), wird dieser Umstand sehr viel seltener thematisiert. Damit steht der Comic als populäre Kunstform keinesfalls medial isoliert, denn auch Filme, grafische Werbung und die Karikatur der 1930er und 40er Jahre arbeiteten verstärkt mit kolonial-exotischen Klischees. Diese Medien übten einen großen Einfluss auf die zeitgleich produzierten Comics aus, allen voran die beliebten adventure comics. Inhaltlich und narrativ orientierte sich dieses Subgenre außerdem am Pulp-Roman.5 Der bekannteste Film über Leopardenmänner ist sicherlich tarzan and the leopard woman von 1946, dessen Handlung sich stark von der Literaturvorlage des Tarzan-›Erfinders‹ Edgar Rice Burroughs (1935)6 unterscheidet: Während bei Burroughs die weiße ›Leopardenpriesterin‹ als unschuldige Gekidnappte in dieses Amt gezwungen wurde, ist die geheime Anführerin in der Verfilmung eine durchtriebene und bösartige weiße Übeltäterin. Im Film teilt Tarzan in schnell aufeinanderfolgenden Einstellungen, die durch ihre beinahe panelartige Abfolge an die Inszenierungen solcher Actionsequenzen im Comic erinnern, treffsichere Schläge gegen Leopardenmenschen aus. Diese ähneln aufgrund ihrer meist statischen Posen ebenfalls mehr gezeichneten Vorbildern (Abb. 3).

Abb. 3: Statische Szenen – Die Tarzan-Verfilmung wurde auch durch Schokoladen-Sammelbilder vermarktet.

Besonders die Detektivgeschichten, Dschungelabenteuer und Wild-West-Erzählungen in der ›Heftchenzeit‹ des Comics werden in der Forschung als purer »Eskapismus bzw. Flucht in die Phantasiewelt« (Schikowski, 54) gewertet. Längst wurde anerkannt, wie wirksam koloniale Bilderwelten auch über das koloniale Zeitalter hinaus waren und sind. Ein kennzeichnender Aspekt des Kolonialismus ist u. a. die neuzeitliche Herrschaftsbeziehung zwischen Gesellschaften, in denen sich die Kolonisierten den Ansprüchen der Kolonisatoren anpassen sollten. Dieses Gefüge war indes geprägt durch »sendungsideologische Rechtfertigungs doktrinen, die auf der Überzeugung der Kolonialherren von ihrer eigenen kulturellen Höherwertigkeit beruhen« (Osterhammel, 21). Kolonialisierung war dementsprechend auch ein mentaler Prozess, der Diskurse und Weltanschauungen kulturell produzierte und repräsentierte. Das bedeutet im Sinne der Postcolonial Studies wiederum, dass dieses Zeitalter nicht mit der nationalen de-jure-Unabhängigkeit zuvor kolonisierter Regionen endete, da sich Asymmetrien ökonomisch und vor allem auch kulturell – letztlich bis in die Gegenwart – weiter manifestieren. Und obwohl solche (pop-)kulturellen Kontinuitäten und globalen Zusammenhänge dieser Diskurse in den Geisteswissenschaften bekannt sind, wurde der kolonialistische Impetus in der Comic-Forschung bislang nationalhistorisch verstanden, sodass man koloniale Perspektiven im Comic nur in Hinblick auf eine ganz bestimmte Kolonialnation betrachtete. Folglich wurden Kolonialismen und Rassismen explizit im französischen, belgischen oder deutschen Comic untersucht.

Kalbe und Sackmann haben in ihrer Bestandsaufnahme über Afrikaner_innen in deutschen Comics zeigen können, dass die Darstellungstraditionen von Schwarzen als »entweder extrem feindselig oder anbiedernd und tölpelhaft« (15) bis in die 1960er Jahre hinein kaum in Frage gestellt oder korrigiert wurden. Die Präsentation von Afrikaner_innen mit extrem dicken roten Lippen war eine standardisierte Ästhetik, die sich im 19. Jahrhundert in der Hochphase des modernen Kolonialismus entwickelt hatte und bis ins späte 20. Jahrhundert allgemeine Akzeptanz fand.

Diese kolonialistischen Abbildungsmuster sind nicht nur im diachronen Vergleich erstaunlich ähnlich einzuschätzen, sondern auch in der synchronen Gegenüberstellung: Tatsächlich bestand bereits im Zeitalter des Imperialismus ein globaler Transfer über Visualisierungen kolonisierter Gesellschaften, wie das Beispiel des Leopardenmanns zweifelsfrei zeigen wird. Im Allgemeinen gilt, dass in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts der nordamerikanische Comic als strip und book in die europäische und außereuropäische Welt getragen wurde, und in der Nachkriegszeit dann auch der frankobelgische Comic an Einfluss gewann. Dieser Transferprozess meint aber primär die Verbreitung neuer Erzählgattungen wie die funny comics und adventure comics.7 Das Motiv des Leopardenmannes ist hingegen nicht in einen solchen unilateralen Adaptionsprozess einzuordnen. Dieser Typus steht stattdessen stellvertretend für global vereinheitlichte Denk- und Darstellungsmodelle innerhalb einer »Koexistenz der unterschiedlichen Strömungen« (Dolle-Weinkauff 2006). Entgegen der These von Schikowski, nach welcher nahezu unabhängige Comic-Kulturen in verschiedenen Regionen erst im 21. Jahrhundert zusammen fanden (ebd., 10), belegt das Beispiel des Leopardenmanns die globale Vernetztheit eines Typus im Kolonialzeitalter: Dieser wurde zuerst in Belgien aufgegriffen, dann in den USA populär adaptiert und schließlich wiederum in Europa und Afrika umgedeutet. Insofern können im Folgenden Ansätze für eine globale Geschichte kolonialer Diskurse im Comic formuliert werden und bisher übersehene Tradierungslinien aufgezeigt werden.

Das Klischee im Kontext: Afrikas kolonisierte Gesellschaften im Comic

Als Comic-Typus entstand der Leopardenmann innerhalb eines bestehenden westlichen Figurenspektrums kolonialistischer Bilderwelten, die Afrikaner_innen als Schwarze seit Jahrhunderten klischeehaft präsentierten. Die Darstellung von Afrikaner_innen in Bildern war bis ins 19. Jahrhundert darauf beschränkt, diese im Stil von ›Hofmohren‹ – schwarze Diener_innen in orientalistischer Kleidung – oder ›Edlen Wilden‹ in paradiesischen Landschaften zu zeigen.8 Mit dem Glauben daran, dass Afrika vollkommen kolonialisiert werden könne und müsse, änderte sich der Zeichenstil dann jedoch radikal, auch wenn einzelne Reminiszenzen aus der Zeit des dienstbaren und/oder zivilisierten Untergebenen – man denke an den Sarotti-Mohr – bis heute in der Werbung zu finden sind. Aus dem edlen Diener wurde der »gemeine Neger, ein notorischer Faulpelz, den man am besten mit der Nilpferdpeitsche zur Räson brachte« (Kolbe/Sackmann, 21). Dieser sollte nicht bewundert, sondern belacht werden, um dem kolonialen Glauben Ausdruck zu verleihen, dass die kindlich-dummen Afrikaner_innen keineswegs in der Lage seien, ohne die Kolonialmacht eigenverantwortlich funktionierende Staatlichkeit und technisch-zivilisatorischen Fortschritt zu bewirken. Ihre Hilflosigkeit und Bedürftigkeit nach Anleitung und strenger Führung durch Weiße sind in Comics, Werbegrafiken und Karikaturen der Kolonialzeit überall ähnlich anzutreffen. Die Zeichner_innen übernahmen auch deshalb gegenseitig diese Klischees, weil die europäischen Künstler_innen in ihrem Alltag keinen Schwarzen begegneten und die meisten nie Afrika bereisten. In den Abenteuerund Kriminal-Comics ab den 1920er Jahren wurde das Fremde daher sehr instrumentell als exotisch-bedrohliche Schablone eingeführt – meist verkörpert als Zähne fletschende Wilde mit Knochen als Kopfschmuck, die wehrlose weiße Frauen angreifen. Und selbst als die weißen Bösewichte immer individueller und komplexer charakterisiert wurden, blieben die Schwarzen nur tradierte Klischees. Zwar arbeitet der Comic unter anderem mit den Stilmitteln der Übertreibung und Überzeichnung, dass Afrikaner_innen jedoch über Jahrzehnte fast ausschließlich als Primitive oder wilde Kannibalen verlacht wurden, kann nicht nur mit gattungsspezifischen Erfordernissen und Merkmalen erklärt werden. Diese Charaktere wurden meist nicht weiter ausdifferenziert oder gar individualisiert. Der Typus bezog sich also nicht auf eine bestimmte Afrikaner_in, sondern immer nur auf eine austauschbaren Repräsentant_in eines bestimmten ›Stammes‹ oder der ›afrikanischen‹ Gesellschaft an sich. Die Comic-Zeichner_innen gaben die vermeintliche koloniale Überlegenheit auf den Bereichen Technik, Kultur, Moral und Intellekt, die in den populären Medien ihrer Zeit ebenfalls nur sehr selten in Frage gestellt wurde, unreflektiert wider. In der kolonialen Comic-Welt wurden indes auch ganz eigene Elemente für die Darstellung von Afrikaner_innen ge- oder erfunden, die nicht aus den bekannten Reiseberichten und Kolonialromanen stammten. So etwa der goldene Nasenring, der wahrscheinlich der bildlichen und/oder schriftlichen Überlieferungen der indigenen Bevölkerungen Asiens oder Südamerikas entlehnt war (Kolbe/Sackmann, 25). Andere charakterisierende Beifügungen wurden um 1900 auch von ethnologischen Fotografien oder angeblich ›naturgetreuen‹ Völkerschauen übernommen, wobei deren kolonialer Inszenierungsfaktor immens war.9 Und wann immer diese hierarchisch konstruierte Ordnung auf Abbildungen untergraben wurde – afrikanische Intellektuelle etwa in Anzügen gezeigt wurden –, begründete dies im Comic einen Anlass zum Scherz, da ›der Afrikaner‹ nicht in europäische Kleidung gehöre und daher beispielsweise mit einer Kombination aus Jackett und Bastrock nur zur Lachnummer tauge. In quasi ›äffischer‹ Manier würden sie eine gekonnte Nachahmung westlicher Zivilisiertheit immer wieder verfehlen. Das Titelblatt einer Kriegsausgabe der Lustigen Blätter von 1914 präsentiert die schwarzen Soldaten der französischen Armee sogar ganz direkt als Schimpansen in bunter Militäruniform und bezeichnet sie zudem als »Gorilla-Regiment« (Trier).

Selbstverständlich war in Karikaturen und Comics dieser Epoche auch eine »ironische Kommentierung des Kolonialismus […] häufig anzutreffen« (Näpel, 237), bei der das Hauptanliegen eine satirische Infragestellung kolonialen Handelns war. Dies beinhaltete jedoch meist keine bildliche Aufwertung der dargestellten Afrikaner_innen, die dennoch in dümmlicher Trägheit und intellektueller Passivität präsentiert wurden. Schwarze waren auch in diesen Geschichten meist clownsähnlich koloriert, wobei in den US-amerikanischen Comics dazu noch spezifisch afro-amerikanische Rassenstereotype einflossen (ebd., 251). Nur einige wenige Comics, die neben kolonialauch ausdrücklich rassismuskritische Inhalte aufwiesen, behandelten dieses Sujet im frühen 20. Jahrhundert (Balzer/Frahm, 58), dann jedoch meist explizit und unmissverständlich. Die Veröffentlichungen über Leopardenmänner hingegen scheinen weiterhin die damit verbundenen Rassismen eher beiläufig und unreflektiert wiederzugeben.

Der Rassismus im Beispiel von Hergés Tim im Kongo wurde immer wieder als belanglose Jugendsünde verharmlost, obwohl er die belgisch-kolonialistische Sicht auf ein Afrika bzw. einen Kongo voller fauler und dummer Schwarzer relativ ungefiltert verbreitet.10 Der Autor gestand nach dem Zweiten Weltkrieg, Afrikaner_innen im paternalistischen Geist des damaligen Belgien gezeichnet zu haben, jedoch kann in seinen überarbeiteten Fassungen der Folge keinerlei Umkehr festgestellt werden, da beispielsweise für die Farbversion von 1946 lediglich die Bezüge zur belgischen Kolonialmacht getilgt wurden (Näpel, 263, 270). Die Afrikaner_innen bleiben bloße Gehilfen europäischer Akteure, und als einzige indigene Autoritäten gegenüber der Kolonialherrschaft erscheint ein Medizinmann als überholte Respektsperson, die der Lächerlichkeit preisgegeben wird. Darüber hinaus stellt sich heraus, dass er sich nur persönlich bereichern will, wohingegen der Kolonialherr im Interesse seiner schwarzen Untertanen handelt. Dieses Muster, das in der Folge für das Motiv des Leopardenmannes häufig übernommen wurde, stellt eine absurde Verdrehung der tatsächlichen Gegebenheiten dar. Es verbildlicht stattdessen ganz offen die europäisch-kolonialen Legitimationsstrategien (ebd., 274). Hergé lässt in seiner Geschichte eine geheime Leopardengesellschaft konspirativ gegen Kolonialisten vorgehen. Ein entmachteter Leopardenmann bzw. Magier schließt eine Allianz mit dem weißen Gegenspieler Tims, um den jungen Reporter ungestraft zu töten: »Et tout li monde li croire li vrai léopard être coupable«11 (Hergé, 30). Er greift Tim dann ironischerweise während dessen Leopardenjagd an, wird dabei aber von einer Riesenschlange überwältigt. Weil Tim ihn rettet, unterwirft sich der Leopardenmann ihm bereitwillig als sein »esclave«12 und hilft, den weißen Bösewicht zu schnappen. Der Leopardenmann/Magier verkörpert hier also ein abergläubisches und fortschrittsfeindliches Afrika, das sich von den ›falschen‹ und ›bösen‹ Europäer_innen leiten lässt und für sie sogar mordet. Er wird nicht als denkendes, sondern nur als ausführendes Wesen charakterisiert, das im Tierkostüm wie ein eben solches Tier Verbrechen anderer ausführt. Mit einem Leopardenfell verkleidet verdeckt er für diese Taten feige sein Gesicht, löst Konflikte gewaltsam aus dem Hinterhalt und auf der Grundlage von Fetischglauben, anstatt sich offen mit den Kolonisatoren zu messen. Ohne seine Maskierung wird der Leopardenmensch hingegen als fauler Mann gezeigt, der rauchend herumlungert und einen Kochtopf als Hut trägt.

Während der großen Wirtschaftskrisen der späten 1920er Jahre wendeten sich die Zeichner_innen und Publizist_innen »eskapistischen Abenteuerstoffen zu« (Balzer/Frahm, 53). Die Helden reisten nun vornehmlich ins All oder zu fremden Kulturen – oftmals den Dschungel Afrikas, der wie eine Theaterbühne inszeniert wurde.13 Hergé kreierte 1929 mit Tim sogar einen Reporter, der realistische Berichterstattung aus der kolonialen Welt suggerierte, obwohl der Autor, so Thierry Groensteen, hiermit eher »offensichtliche Einfachheit« (zit. nach Schikowski, 109) und schattenlose Naivität ausdrückte. Das Genre der frankobelgischen Abenteuer-Comics nahm im Besonderen die orientalistischen Sichtweisen Europas und Nordamerikas auf. Im Sinne von Edward W. Said muss Orientalismus als Diskurs verstanden werden, mit dem der Orient vom Westen ausgehend durch Wissenschaft, Politik und Kultur über Jahrhunderte mystifiziert und exotisiert wurde (Said, 10). Zu einer solchen Verfremdung und Degradierung kolonisierter Gesellschaften hat Hergés Werk einen Beitrag geleistet. Tim im Kongo ist als rassistischer und kolonialistischer Comic heute sehr umstritten und immer wieder wurde auf verschiedenen Kontinenten über die Publikation bzw. ein Verbot heftig debattiert.14 Hergés ligne claire wurde auch »als Manifest des Mainstreams« (Schikowski, 11 0) bezeichnet, und die nicht zu unterschätzende Breitenwirkung von Tim-und-Struppi-Abenteuern mit geschätzten 230 Millionen verkauften Exemplaren weltweit (ebd., 15) sowie der große Einfluss dieses Stils auf andere Künstler_innen in diesem Genre legen nahe, dass die rassistischen Stereotype von Tim im Kongo dem allgemeinen Diskurs über das koloniale Afrika einerseits entsprachen, ihn jedoch umgekehrt auch prägten, vervielfältigten und verfestigten.

Wie im klassischen Abenteuerroman, als dessen Comic-Äquivalent Tim im Kongo stehen kann, so wurde auch in den amerikanischen ›Schundcomics‹ der 1930er und 40er Jahre stets ein männlicher Held auf Detektiv- und Abenteuerreisen geschickt. Dabei

wurden erstmals im Comic ĂĽberhaupt auch Emotionen wie Pathos, Patriotismus und Gerechtigkeitssinn angesprochen. Und mit dem Eskapismus zog, als scheinbar paradoxer Umstand, auch erstmals der Realismus in den Comic ein (Balzer/Frahm, 53).15

Dieses Subgenre war es auch, das die Publikationsformate nachhaltig veränderte, denn die Episoden wurden nicht mehr wie bei Hergé als kurzweilige strips in Zeitungen und Zeitungsbeilagen, sondern in eigens entwickelten Heften vertrieben.16

Leopardenmänner als Entgrenzung von Spezies und Gewalt

In diesen 10-Cent-Heften wurden auch gewalthafte Szenen dargestellt, die von großen Teilen der Öffentlichkeit, der Wissenschaft sowie der Politik als Gefahr für die jugendliche Leserschaft, in denen man in den 1950ern die Hauptzielgruppe des Mediums sah, stark verurteilt wurden. Als in den USA 1954 in der Folge Schauprozesse gegen die Gewaltverherrlichung und Erotik im Comic geführt wurden, reagierten die Herausgeber_innen mit einer Art freiwilligen Selbstzensur in Form des Comics Code.17 Dessen Auflagen berührten vor allem die Themen Religion, Kleidung, Ehe, Sex und exzessive Gewalt – kolonialistische und generell hegemoniale ideologische Inhalte fanden hingegen keine Erwähnung in diesem Kodex. Auch die Leopardenmensch-Episoden, häufiger Bestandteil der umstrittenen Horror-Comics, wurden weder in den beschriebenen Gerichtsprozessen noch in der damaligen Forschung als eigenständiges Phänomen von Gewalt im Comic beachtet. Zudem wurden Leopardenmänner im kolonialistischen Comic als entmenschlicht dargestellt, sodass keinerlei Skrupel bezüglich der Gewalt gegen sie aufkommen konnte (Clewe, 185).

Dabei geht es in diesen Geschichten immer um schwere Verletzungen und/oder Tötungen. Wenn Gewalt explizit gezeigt wird, geschieht dies entweder als Zweikampf – ähnlich den Superhelden_innen und ihren Kontrahent_innen – oder als zweckrationales Beseitigen der Leopardenmänner durch Schüsse und Schläge. Die eigentliche Grausamkeit ihrer angeblichen rituellen Morde wird nicht durch Folter und Qual, sondern sowohl durch halb im Verborgenen gelassene Motive und die durch Kostümierung verwischte Identität als auch mittels der Verortung ihrer Taten im dunklen Regenwald und während des Schutzes der Nacht verdeutlicht. Die Kämpfe gegen den weißen Helden sind der Kulminationspunkt der Handlung, an dem sich der Konflikt zwischen Gut und Böse entscheidet. Gewalt ist hierbei nicht nur ein instrumentelles Mittel zur Erreichung bestimmter Ziele, da der Kampf selbst immer detailliert und körperlichästhetisch dargestellt wird. Solche Panels tragen kaum etwas zum Fortgang des Narrationsstrangs bei. Dolle-Weinkauff spricht daher von »Aggression als Selbstzweck« (2007, 139).

Abb. 4: Virile Hybride – Der Leopardenmann als sexuelle Bedrohung für die weiße Frau.

Als Prototyp für die dem Code vorangegangene Blütezeit der Comics kann George Mandels Ted Crane and the Leopard Men von 1940 angeführt werden, das speziell auch mit dem Klischee der sexualisierten Gewalt durch ›animalische Schwarze‹ arbeitet. Mandel war ein New Yorker Comic-Zeichner und Romanautor, der bereits in den 1930ern für The Funnies arbeitete. In seiner Version der Leopardenmann-Geschichte wird der Titelheld Ted Crane in den US A von seinem Anthropologie-Professor für dessen Afrika-Expedition angeheuert: Es gilt, einen vermeintlich im Kongo verschollenen Stamm zu suchen. Schon auf dem Schiff nach Ostafrika wird die Tochter des Professors von einem Wesen in hautengem Leopardenkostüm und mit Raubkatzenmaske angegriffen. Anders als bei Hergé vermittelt Mandel der Leserschaft allerdings keine Eindeutigkeit über die Spezies dieses Hybriden. Aufgrund seiner Darstellung kann hier die Verkleidung auch als Haut eines Mischwesens aus Mensch und Leopard betrachtet werden, sodass die daraus resultierende Ungewissheit Spannung aufbaut (Abb. 4). Ted rettet die hübsche Betty natürlich vor dieser Kreatur, und ihr Vater bemerkt dazu: »I thought Leopard-Men are just a native superstition!« (Mandel, [2])

Kurz nach der Ankunft der Expeditionsgruppe in Mombasa ertönt erneut ein Hilferuf von Betty: »Ted! Help me!« (ebd., 3). Bei diesem zweiten Überfall sitzt die junge Frau im grünen Morgenmantel vor ihrem Spiegel, als sich der Leopardenmann nähert. Im Kampf mit Crane verliert er dann eine Kralle, bevor er ganz plötzlich verschwinden kann. Seine tatsächliche Intention bleibt unklar, doch verweist die Inszenierung des Panels auf sexuelle Gewalt: Die Wehrlosigkeit der Frau durch ihre unzureichende Bekleidung und das Eindringen des Fremden in den privaten Raum des Boudoirs einerseits sowie die sexuelle Triebhaftigkeit des muskulösen schwarzen Angreifers durch seine tierliche Kostümierung andererseits kontrastieren hier besonders deutlich. Afrikanische Männer werden als ›virile Wilde‹ im Gegensatz zum disziplinierten Weißen charakterisiert, die ihre gewalttätigen und sexuellen Triebe nicht kontrollieren können.18 Die Bedrohung der Frau wird also dadurch gesteigert, dass sexueller Missbrauch durch einen Schwarzen als ultimative Gewalttat gegen sittlich-moralische und rassistische Regime verstoßen würde. Das crime-Genre berührt – auch und gerade durch die indirekte Thematisierung bestehender Tabus – immer existenzielle gesellschaftlich-koloniale und individuelle Ängste (Phillips/Strobl, 39). Die verhandelte sexuelle Gewalt ist allerdings immer lediglich in Andeutungen vorhanden und stets nur als Bedrohung, die der Held zu verhindern weiß. Eindeutig zielen diese Ehrverletzungen aber letztlich auf die (Krieger-)Ehre der männlichen Protagonisten (Clewe, 151). Weibliche Figuren werden in den Leopardenmann-Geschichten überwiegend zum keusch-passiven Opfer stilisiert, und so bestätigt auch Betty im Folgenden ihre Rolle als wehrlose Frau und gesteht ihrem Retter: »Ted, you’re getting to be my favorite hero!« (Mandel, 4)

Die Expeditionsgruppe um Ted Crane gerät im weiteren Verlauf der Geschichte in die Hände von spärlich bekleideten »savages« (ebd., 5), die sie in ihr Dorf verschleppen. Wie bei Hergé sprechen die Afrikaner_innen dort nur gebrochen die englische Sprache. Nur knapp können die drei Amerikaner_innen ihrer rituellen Opferung entgehen, indem sie sich als Gegner der Leopardenmänner zu erkennen geben und die erbeutete Kralle als Beweis vorzeigen. Nun wird der Spuk aufgeklärt: Sie befinden sich in den Händen des verschollen geglaubten Stammes, der sich aber in Wahrheit vor den Leopardenmännern versteckt, um nicht von ihnen versklavt zu werden. In der Logik der Narration erscheinen die Leopardenmänner hier als gemeinsamer Feind von angeblich rückschrittlichen und primitiven Kolonialisierten und weißen Vertretern der Hegemonialmächte, die einen gemeinsamen Kampf und eine Unionsbildung ermöglichen, die zwar kolonialistischem Wunschdenken, nicht aber kolonialen Realitäten entsprachen.

Im Verlauf der Geschichte gelingt es den Leopardenmännern dann doch, einige Stammesangehörige zu kidnappen. Sie können jedoch schließlich gestellt werden, und ihr weißer Anführer gesteht, die restlichen Verschwundenen unter Drogen gesetzt zu haben und sie als Sklaven auf seiner Insel arbeiten zu lassen. Diese Variante verknüpft das Motiv des Leopardenmenschen mit dem Sklavenhandel im Indischen Ozean und lässt einen asiatisch aussehenden Weißen erneut als übelsten Bösewicht erscheinen. Die Afrikaner_innen sind hier nur ein Mittel zum Zweck krimineller Vergehen und erscheinen völlig unfähig, die Probleme vor Ort ohne ›weiße‹ Unterstützung zu lösen. Die nordamerikanische Vergangenheit im Sklavenhandel – im Sinne von Schuld und Verantwortung – wird indes in diesem amerikanischen Comic nicht explizit reflektiert. Stattdessen wird die beängstigende Kraft des Magischen aufseiten der Kolonisierten – der Mensch-Tier-Transformation etwa – als diffuse Gewaltbereitschaft umgedeutet, die nur weiße Anführer im normativ guten oder bösen Sinne für sich lenken könnten. Es galt in dieser Ideologie also letztlich, Afrikaner_innen vor sich selbst zu schützen. Auf diese Weise legitimiert die Erzählung die umfassende koloniale Zivilisierungsmission am Beispiel des Leopardenmannes.

Eine besonders grausame Gewaltform, die Anthropophagie, wurde gelegentlich in Form von Andeutungen ebenfalls in die Leopardenmann-Comics eingearbeitet. Als Klischee ist der Kannibalismus auch in anderen kolonialistischen Comics anzutreffen. Dort erschienen ›Menschenfresser‹ entweder komisch überzeichnet, indem meist weiße Gefangene in einem Kochtopf von Indigenen aus Afrika, Südamerika oder der Südsee-Region gezeigt wurde, oder die Kannibalen wurden als ernsthafte Bedrohung skizziert, wobei hier keine expliziten bildlichen Darstellungen, sondern nur vage und geheimnisvolle Hinweise auf ihre Taten im Text gegeben wurden. So blieb es in den Leopardenmann-Comics thematisch stets bei bloßen Andeutungen von Menschenopferungen wie auch in Ted Crane oder bei abstrakten Fetischen wie in Tim im Kongo. Dass die Geopferten letztlich verspeist werden sollten oder für die Anbetung von Fetischen kannibalische Praktiken als erforderlich galten, wurde der ergänzenden Phantasie der Leserschaft überlassen. Anthropologen, Missionare und Beamte, die tatsächlich in den Kolonien tätig waren, vertraten die These, dass allein die Praxis, den Verstorbenen nach ungeklärter Todesursache vor der Bestattung einzelne Organe zu entnehmen und separat zu bestatten, ausreichendes Indiz dafür sei, dass diese Menschen von Leopardenmännern zum Zweck der Anthropophagie ermordet worden seien.19 Erstaunlicherweise griffen die Comics aus dem Horrorgenre Legenden über solche zivilisatorischen Verstöße nicht direkt auf. Ziel war es offensichtlich nicht, eine fremde Kultur aus ihr selbst heraus und in ihren eigenen Gesetzmäßigkeiten zu verstehen, sondern vielmehr den Mythos ›Leopardenmensch‹ nach vermeintlich europäischen Handlungsmaximen zu erklären. Tabubrecher waren auch in den kolonialen Comics innerhalb der Gut-Böse-Schemata immer aufseiten der Bösewichte anzusiedeln.20 In zeitgenössischen crime comics bleibt eine definitive Be- oder Verurteilung der kannibalischen Tat hingegen aus, sodass eine Uneindeutigkeit entsteht, die in den Kannibalen-Geschichten der Kolonialzeit noch eindeutigen moralischen Rastern weichen musste. Solche Geschichten spielen mit der Identifikation mit und der Ablehnung von Mördern durch die Leserschaft. Zwar wird auch in den Kolonial-Comics eine gewisse Faszination gegenüber dem Mythisch-Magischen evoziert, aber die ›westlich‹-rationalen Erklärungs- und Handlungsmuster erweisen sich am Ende dieser Abenteuer-Sequenzen doch immer als erfolgreich und moralisch überlegen.21

Recht und Unrecht im kolonialen Dschungel

Im Comic werden Kriminalität und Strafverfolgung bzw. Selbstjustiz stets auf der individuellen Ebene ausgetragen und gelöst (vgl. Fuchs/Reitberger, 1971). Das Medium bildet Welten ab, die sich durch ein eigenes »komplexes Beziehungsgefüge von Recht, Normdurchsetzung und sozialer Praxis« (Härter, 115) auszeichnen. Die großen US-Comic-Helden sind in der Regel weiße Männer, die ein nostalgisches System von Verbrechensbekämpfung glorifizieren, das oftmals eher einer Summe persönlicher Rachefeldzüge gleicht. In dieser »American-style apocalyptical justice « (Phillips/Strobl, 8) wird das Wesen einer Gerechtigkeit präsentiert, die sich oft jenseits eines rechtlichen Rahmens bewegt. Möglicherweise eignet sich das koloniale Setting also genau deshalb so passgenau für solche Phantasien von heroischer Selbstjustiz, weil koloniale Räume meist als staatsferne frontier-Zonen an der Grenze zur Wildnis imaginiert wurden. Fantasy-Welten entbehren oftmals einer staatlichen Zentralmacht (vgl. Clewe, 187) und generieren als abgeschlossene Welten eine distanzierte Rezeption. Dies gilt im Comic auch für koloniale Räume, in denen der Imagination nach Anarchie und Barbarei vorherrschen, sodass die Selbstjustiz von Einzeltätern bzw. -helden noch weniger in Zweifel gezogen wird.

Abb. 5: In Lauerstellung – Noch ist die Spezies des Angreifers ungeklärt.

In Dick Briefers Drums of the Leopard Men, einer US-Publikation von 1940, tritt dementsprechend ein weißer Held als Personifikation von Recht und Ordnung in der Wildnis auf. Der Plot beginnt mit dem Erschallen einer Trommel im Dschungel, die alle »peaceful natives« (Briefer, 1) in Schrecken versetzt. Es ist der akustische Befehl des weißen Bösewichtes Zan Marzov an seine schwarzen Helfer in Leopardenkostümen, ein ganzes Dorf zu massakrieren. Wie Raubkatzen springen diese ihre Opfer an. Als der amerikanische Held Buck später einige der Leichen findet, fragt er sich: »It’s certain that a beast’s claws killed them – but why didn’t that animal devour them?« (ebd., 3; Abb. 5)

Abb. 6: Der weiĂźe Held verfolgt die gesichtslosen Mischwesen.

Der Held tritt hier als klassischer Detektiv auf. Während er noch über diesen Fall grübelt, hat man als Leser_in bereits das Vorwissen über diese Morde und sieht im gleichen Panel auf dem Baum über der Szenerie einen Leopardenmann lauern, Buck wird aus dem Hinterhalt angesprungen. Auf diesen primitiven Angriff reagiert er mit einem Kinnhaken als Element des ehrenhaften westlichen Kampfes zwischen Männern ohne den einseitigen Vorteil des Waffenbesitzes auf kolonialer Seite, wie es wohl eher der Realität in den Kolonien entsprach. Nachdem der Angreifer überwältigt ist, zeigen die beiden größten Panels, wie sich die muskulöse weiße Hauptperson dessen Leopardenkostüm anzieht und die Verfolgung der restlichen Bande mit einer Pistole aufnimmt (Abb. 6).

Als eindeutiges Merkmal seiner Menschlichkeit ist für die Betrachter_innen trotz Maskierung aber immer sein Gesicht zu sehen, während die anderen Leopardenmänner gesichtslos, animalisch und ohne individuelle Charakterisierung als Teil einer Masse verbleiben. Als Buck in die geheime Höhle der Organisation vordringt, greifen ihn plötzlich drei echte Leoparden an. In ironischer Wendung fressen hier die Raubkatzen die Leopardenmänner und Buck befreit ganz nebenbei noch einen gekidnappten Diamantminenbesitzer.

Das koloniale Unbehagen im Comic: Kapitalismus und Zivilisationskritik

Abb. 7: Durch nächtliche Rituale im Dschungel mutieren Menschen zu Leoparden, Männer zu Mördern.

Die positive Darstellung von weißen Unternehmern ist besonders in den amerikanischen Varianten der Leopardenmann-Comics während der 1940er Jahre sehr verbreitet. Wer sich Afrika ökonomisch zu Nutzen machen will, dem wird wie dem Diamantminenbesitzer letztlich moralische Legitimität für dieses Unterfangen beigemessen. In der Variation Leopard Men (Donavan/Barry, 1947)22 agiert der amerikanische Eigentümer einer Gummibaumplantage sogar selbst als Held der Kurzgeschichte. Er findet einen verletzten Arbeiter, der scheinbar von einem Leoparden angegriffen wurde. Der Sohn des Plantagenbesitzers entdeckt entsprechende Spuren, und sofort werden die Gewehre für die Jagd geholt. Doch aufgrund seiner zoologischen Kenntnis kommen dem Vater schnell Zweifel. Bei der Verfolgung enden die Leopardenspuren plötzlich und gehen in menschliche Fußabdrücke über: »A Leopard Man!« (ebd., 4), ruft der Vater. In einer längeren Jagdsequenz treiben die beiden Weißen die Leopardenmänner in den immer dunkler und dichter werdenden Dschungel. Als Drahtzieher fungieren wie bei Hergé wiederum ein weißer Mann und ein schwarzer ›Hexendoktor‹, welche die Plantage übernehmen wollen, doch spielt die Mensch-Tier-Metamorphose in diesem Comic auch eine rituelle Rolle: Als der Leopardenmann verkleidet am Feuer steht, offenbart er seinem Verbündeten: »[I] feel like leopard. Always wear leopard skin when feel so! Me want to kill …[…] white man!« (ebd., 5, Abb. 7)

Durch die Verschränkung von Text und Bild wird hier deutlich, dass der Leopardenmann in Aussehen, Verhalten und Denkweise zwischen Mensch und Tier oszilliert. Er ist ein körperlicher und geistiger Hybrid, der beide Komponenten phasenweise einander anzupassen versucht. Durch die Betonung der übergroßen Füße, Hände und Mundpartie wird gleichzeitig eine negroide Physiognomie übersteigert und in die Nähe des Kindlichen gerückt. Bei einem nächtlichen Tanz offenbaren die Leopardenmänner dann, dass sie alle Gummiplantagen zerstören wollen. Sie erscheinen somit als klare Gegner des wirtschaftlichen Fortschritts nach westlichem Modell und der kapitalistischen Ausbeutung des afrikanischen Regenwaldes. Der Sohn des Unternehmers provoziert die Tanzenden und beschimpft sie als »rats in cat’s clothing« (ebd., 7). Diese jagen den blonden Jungen daraufhin, stürzen aber in eine Fallgrube. In der Logik der Narration müssen hier animalische Menschen wie Tiere gefangen werden. Und so kann die legitime wirtschaftliche Ausbeutung gemäß dem Abschlusssatz des Vaters ungebrochen weitergehen: »The trappers will be back on the job tomorrow« (ebd., 9).

Abb. 8: Nackte Haut und Leopardenfell – Die Gewalt soll hier besonders animalisch wirken.

Auch in der Detektivgeschichte The Land of the Leopard Men! (Infantino, 1948)23 muss der Ermittler Charlie Chan in einem unbekannten afrikanischen Land den Mord an einem Plantagenbesitzer durch Leopardenmänner aufklären. Chan wird zunächst erklärt, dass Leopardenmänner früher nur Schwarze gejagt hätten und erst neuerdings auch weiße Siedler_innen angreifen würden. Die Hinterhältigkeit des Angriffs aus dem Dschungel heraus wird verdeutlicht, indem die Perspektive der Betrachter_innen das quasi animalische Anschleichen sichtbar macht und den Übergriff antizipieren lässt (Abb. 8). Als der Detektiv ins »native village« gelangt, werden auch dort die Kriegstrommeln geschlagen und die »death outfits« (ebd., 8) angelegt, um die Leopardengöttin im heiligen Schrein anzubeten. Ein riesiger Leopardenkopf spuckt Feuer und die attraktive weiße Plantagenerbin erscheint als Königin, die als eigentliche Auftraggeberin des Mordes an ihrem Verwandten agiert hat (Abb. 9). Die Leopardenmänner selbst bleiben also wiederum bloße Instrumente kolonialer Machtspiele. Chans Helfer bemerkt zu dieser Szene: »Gosh – who’d ever think that a glamour girl like you would turn out to be such a Jekyll in leopard’s clothing!« (ebd., 10) Dieses Spiel mit der weiblichen Sexualität und ihrer heimtückischen Verführung von afrikanischen Männern zum Mord ist die Alternative zur hilflosen Opferrolle, wie sie Betty in Ted Crane verkörpert. In dieser Variante werden Frauen zu offensiv-sexualisierten Täterinnen stilisiert, dem Klischee der Amazonen folgend.

Ideologiehistorisch wurde das Genre der Abenteuer-Geschichten im Golden Age fast immer bezüglich westlicher beziehungsweise amerikanischer Werte in Abgrenzung zu Faschismus und Sozialismus betrachtet. Tatsächlich fand darin aber auch eine Definition dessen statt, was im explizit kolonialen Diskurs als zivilisiert und menschlich zu gelten hatte. Während des Zweiten Weltkriegs wie auch danach sank das Interesse an klassischen Superhelden und verschob sich zugunsten von horror und crime stories (Phillips/Strobl, 24); ein Prozess, der auch das Motiv des Leopardenmannes betraf. Comics der 1950er und 60er Jahre waren oft »undistanzierte Reproduktionen vorgegebener Muster und Stereotypen« (Dolle-Weinkauff 1990, 116). Diese deckten sich mit den Sujets der Abenteuerromane zu dieser Zeit.24 Deren Protagonist_innen erfuhren keinerlei Entwicklung, sodass jegliche Dynamik nur durch die Konfrontation mit einer bestimmten Kultur, Region, Bösewichten usw. herbeigeführt wurde. Dennoch waren solche klischeehaften Konfliktrahmen aufgrund ständiger Wiederholung und Perpetuation ausschlaggebend für die Zementierung eines kolonialistischen Afrikabildes. Insbesondere die wiederkehrende US-amerikanische Rechtfertigung weißen Unternehmertums in den Kolonien legt das koloniale Unbehagen und vorhandene Skrupel dieser rassistischen Vormachtstellung implizit offen.

Abb. 9: Täterin – Die weiße Frau im Leopardenfell dominiert die Leopardenmänner.

Die Tarzan-Geschichten über den Leopardenmann nehmen indes eine Außenseiterrolle innerhalb des Comics ein. Tarzan ist in gewisser Weise sogar ein kolonialkritisches Sujet, weil der fortschrittsgläubige Futurismus, der fester Bestandteil kolonialer Ideologien war, nun dem Eskapismus aus der technologisierten Welt wich, in dessen Folge der ›Naturmensch‹ Tarzan zum Helden werden konnte. Der Titelheld gewinnt seine Weisheit gerade nicht mittels westlicher Bildung, sondern durch sein Aufwachsen mit Tieren in der Natur. Er ist gleichzeitig geistig überlegen und archaisch (Dolle-Weinkauff 1990, 74) – also ebenso ein Hybrid wie der Leopardenmann. In den Tarzan-Comic-Adaptionen kommen afrikanische Gesellschaften sowohl als ›Edle Wilde‹ denn auch als blutrünstige Barbaren vor. Der Protagonist soll diese Gegensätze ebenso vereinen wie den westlichen Humanismus und das Dschungelgesetz. Es geht hierbei um den Sieg der idealisierten Natur und des Naturrechts über die scheinbar verkommene Zivilisation, was u. a. erneut auch am Beispiel der Sklaverei ausgehandelt wird. Daher sind Vertreter der westlichen und kolonialen Moderne in Tarzan oft eine Bedrohung für den Dschungel und seine normativen Ordnungen.

Auf ästhetischer Ebene bietet dieses Setting vor allem einen ursprünglich-martialischen Hintergrund, um Tarzan als muskulösen Körper im Kampf und anderen Bewegungsformen in Szene zu setzen (ebd., 77–84). In der Leopardenmann-Episode aus der Feder des jüdisch-deutschen Immigranten Paul Reinmann von 1949 wird der Kampfstil Tarzans als tierähnlich und gerade nicht als westlich im Stil der klassischen Abenteuerheftchen dargestellt. Sowohl Tarzan als auch sein Antagonist tragen das Leopardenfell beziehungsweise die hautenge kurze gemusterte Hose als Zeichen von Macht. Der weiße Held unterscheidet sich allerdings gerade durch seine fehlende Kostümierung und seine dominant-erotische Nacktheit von den Leopardenmännern. Seine Kampfweise ist zwar primitiv und brachial, jedoch authentisch, ehrlich und nicht anonymisiert wie jene der Leopardenmänner, deren Kostüm weniger eine royale, der westlichen Auffassung nach legitime Macht – Tarzan wurde etwa auch der lord oder king des Dschungels genannt – als vielmehr das feige Jagdverhalten von Leoparden durch Anpirschen und Überraschungsangriffe repräsentiert (Abb. 10).25

Abb. 10: Zwei Hybride Afrikas im Kampf – Tarzan und das Dschungelgesetz siegen über ›feige‹ Leopardenmänner.

Diese Tarzan-Folge markiert einen Übergang zwischen den extrem stereotypen Darstellungen in den Abenteuer-Heftchen und kolonialkritischeren Zugängen im Postkolonialismus. Tarzan schlägt die Leopardenmänner nun nicht mehr mit klischeehaft-westlichen Waffen und Methoden, sondern durch die natürliche Kraft seines Körpers, wenn er beispielsweise seinen Gegner erwürgt. Er wendet aber nicht ausschließlich sein Naturwissen an, sondern besitzt dank seines Aufwachsens in der Nähe menschlicher Dschungelbewohner_innen auch ethnologische Kenntnisse: Aufgrund der rituellen Vernarbungen auf den Gesichtern der Leopardenmänner kann er sie einem bestimmten ›tribe‹ zuordnen und aufspüren. So werden nicht-westliche Methoden von Kriminalitätsaufklärung propagiert, obwohl die Leopardenmänner hier eindeutig noch als Bösewichte in der Dschungelwelt auftauchen, deren niederträchtiges Auflauern im Dickicht des Waldes und deren Angriffe mit einem fauchenden Leopardenkopf als einzige Tätigkeiten dargestellt werden. Ihre Visualisierung bleibt dem Stereotyp der Abenteuergeschichten treu, nur der weiße Held reagiert in eher individueller Weise auf diese Gefahr. Das Unbehagen der Kolonisatoren erwächst also nicht aus einer Kolonisationskritik, sondern steht vielmehr in der Tradition der westlichen Zivilisationskritik.

Afrika wirklich verstehen!? Die postkoloniale Rehabilitierung der Leopardenmänner

Comics sind in besonderem Maße »ein selbstreferentielles Medium, das eigene Normen, Standards und Erwartungen hervorbringt« (Balzer/Frahm, 49). Das bedeutet auch, dass in ihnen eingeführte Typen und Erzählmuster in Weiterentwicklungen aufgegriffen, modifiziert und nicht selten zudem kritisch reflektiert werden. Folglich haben sich differenzierte Repräsentationen des Leopardenmanns in den postkolonialen Dekaden entwickelt. In den 1970er Jahren revolutionierte sich der Abenteuer- und Superhelden-Comic, sodass die charakterlichen Tableaus der Helden im Silver Age komplexer, die Dichotomie von Gut und Böse zunehmend ambivalenter und widersprüchlicher wurden (vgl. Phillips/Strobl, 27; Schikowski, 82). Beispielsweise erfolgt bei der Abenteuer-Comicserie Corto Maltese ab den späten 1960er Jahren keine triviale oder wirklichkeitsferne Bebilderungen von roher Gewalt mehr, sondern eine eher zurückhaltende Darstellung. 26 Täter, Opfer und Leichen erscheinen im Schaffen des italienischen Comic-Zeichners Hugo Pratt (1927–95) nur als Fragmente oder schemenhafte Umrisse. Die Gewaltästhetik hat sich bei ihm von der reinen Action-Erzählung im Bilderrausch zu einer Kunst der Reduktion durch Andeutungen hin entwickelt (vgl. Dolle-Weinkauff 2007, 134). Die Leopardenmänner selbst sind bei Pratt nun nicht mehr stereotyp als Schwarze im Kostüm dargestellt, sondern in eher schlichter Kleidung mit abstrakten anstelle von tierlichen Mustern. Ebenso sind die Masken keineswegs nur an Leopardenköpfen orientiert, sondern ähneln Holzmasken aus ethnografischen Sammlungen (Abb. 11).

Abb. 11: Pratt ersetzte die uniformen LeopardenkostĂĽme durch authentischere Masken und Kleider.

In den vor dem Hintergrund des beginnenden Ersten Weltkrieges angelegten Geschichten dominieren vornehmlich vielschichtige Figuren, die einen unhinterfragt positiv konnotierten Helden und seine legitimierte Gewaltanwendung nicht mehr erlauben. Pratt stammte selbst aus einer multinationalen Familie und wuchs im italienisch-kolonialen Äthiopien auf. Er bereiste in der Nachkriegszeit viele Kolonien und schrieb zahlreiche Geschichten, die in kolonialen Gesellschaften angesiedelt sind (vgl. Schikowski, 185). Den Leopardenmännern widmete er eine eigene Geschichte, »Die Leopardenmenschen vom Rufidschi«, die im britisch besetzten Deutsch-Ostafrika angesiedelt ist. Der Einstieg erfolgt auf der Textebene durch Erläuterungen zum Ersten Weltkrieg, auf der Bildebene hingegen über klischeehafte Staffagen der ostafrikanischen Savanne: Zebras und mit bunten Tierfellen ausgestattete Krieger (vermutlich Massai) in Holzmasken treten auf. Schon auf der vierten Seite werden die Leopardenmenschen dann ausführlich von einem britischen Militär eingeführt:

Die Leopardenmenschen? Ich dachte, sie hätten das Gebiet verlassen. Auch hier gab es rituelle Schlachtungen. Wir fanden Pfoten und Krallen von Leoparden. Die Fanatiker terrorisieren alle Stämme im Umkreis. Letzthin haben sie sieben Menschen ermordet. (Pratt, 90)

Wie in der vorangegangenen Comic-Generation erscheinen die Leopardenmänner zunächst als rituelle Mörder. Bei einem Branntwein unter Europäern wird dann eine explizit koloniale Wahrnehmung von Vorkommnissen bzw. Gerüchten wiedergegeben; es ist von Massenpaniken unter der einheimischen Bevölkerung aufgrund der »religiösen Fanatiker« (Pratt, 91) die Rede. Corto Maltese gibt seine Ratlosigkeit angesichts der Situation offen zu: »Ich weiß nur, Afrika ist ein Kontinent voller Rätsel« (ebd., 91). Die Andersartigkeit Afrikas wird folglich über die Identifikation als Kontinent unlösbarer und archaischer Mysterien ausgedrückt, die von Weißen zunächst nicht verstanden werden können. Das koloniale Überlegenheitsgefühl weicht hier also einer Verklärung ›weißer Unwissenheit‹ und ›schwarzer Romantisierung‹. Doch aufgrund seiner interkulturellen Kompetenzen versteht Maltese im Laufe der Ereignisse als einziger Weißer die Signale der Leopardenmänner richtig zu deuten. Er erkennt in einer am Schauplatz des Angriffes durch einen Leopardenmann hinterlassenen Tierpfote einen Hinweis des Täters bzw. ein Rätsel, das es zu entschlüsseln gilt.

Als er dann auf einen sterbenden Leopardenmann trifft, entpuppt sich dieser unter der einen Maske als Deutscher und sein ebenfalls tödlich verwundeter Gehilfe als afrikanischer Soldat in deutschen Diensten: »Ich bin Korporal Mungo … Und ein Leopardenmensch« (ebd., 96). Man habe eine Schatzkarte stehlen wollen, um mit dem Inhalt der Schatzkiste die übrig gebliebenen Afrikaner des deutschen Kolonialmilitärs zu bezahlen, doch ein deutscher Befehlshaber habe Mungo betrogen und tödlich verletzt. Der Sterbende bittet Maltese, ihn zu rächen. Dieser ist von nun an entschlossen, den Verräter im moralischen Auftrag des Getöteten zur Rechenschaft zu ziehen. Während seiner Jagd wird das Band zwischen dem Helden und den Leopardenmenschen noch weiter intensiviert, es kommt sogar zur Blutsbrüderschaft mit einem von ihnen, dem Massai Brukoi, wodurch Maltese selbst zu einem Leopardenmann wird. Blutsbrüderschaften sind für afrikanische Geheimgesellschaften nie überliefert worden, dennoch entspringt in Pratts Version der ritterliche Ehrenkodex von Männerfreundschaft und Rache nicht der westlichen Kultur des Helden, sondern angeblich der afrikanischen Kultur. Maltese wird beinahe im Sinne eines ›teilnehmenden Beobachters‹ inszeniert und trägt tatsächlich kaum etwas zum Aufklärungsgeschehen bei. Als wichtiges narratives Element lässt der Autor den Helden dann mitten in der Schießerei in Ohnmacht fallen. In einer anschließenden Art Traumsequenz, die mittels sich zusammenschiebender schwarzer Wände als aus der Realität losgelöst gekennzeichnet wird, erscheint dem Protagonisten ein Leopard, der sich als Brukoi zu erkennen gibt. Der erklärt seinem weißen Freund, dass Afrikaner durch Magie Tiergestalt annehmen könnten, weil sie deren »Brüder « (ebd., 103) seien. Hier wird das Klischee der Natur- und Tiernähe afrikanischer Gesellschaften bedient, das jedoch eine sehr positive Umdeutung erfährt. Der Autor sorgt in diesem Mensch-Leopard-Zwiegespräch außerdem dafür, dass das Rätsel um Leopardenmänner, ihre Organisationsform und ihre Aufgabe im sozialen Gefüge aufgeklärt werden (Abb. 12):

Das ist eine alte Geschichte. Wir sind das Recht Afrikas. Unsere Völker und Stämme sind zwar unter einander verfeindet, aber sie erkennen die Herrschaft der Leopardenmenschen an. Wir sind zuständig für Verbrechen zwischen oder gegen Afrikaner. (ebd.)

Abb. 12: Der Leopardenmensch als Retter des Helden – Die Tier-Mensch-Metamorphose wird hier ernst genommen und rehabilitiert.

Gewissermaßen rehabilitiert Pratt das schlechte Image der Leopardenmänner in der Comic-Welt, in der sie stets als Rechtsfeinde und Gewalttäter ausgegeben wurden. Der Autor versucht, ein differenzierteres Bild von afrikanischen Gesellschaften nachzuzeichnen, in denen die Leopardenmenschen weder das rein Gute noch das abgrundtief Böse verkörperten. Wie bei einer Art ›internationalen Polizei‹ würden flüchtige Verbrecher_innen afrikaweit von kooperierenden Leopardenmenschen gefasst. Die Ambiguität von Recht und polizeilicher Exekutive wird hier transkulturell thematisiert, und Afrikaner_innen wird die Fähigkeit zugesprochen, sich selbst rechtlich zu organisieren, auch wenn diese subtilen Vorgänge stupiden Kolonialbeamten entgehen würden. In diesem Comic wird die unermessliche Verständnis­losigkeit auf kolonialer Seite angesprochen, die auch in der historischen Realität tatsächlich keine für sie logischen Schlussfolgerungen aus der Existenz der Leopardenmenschen ziehen konnte. Brukoi kommentiert dazu in Leopardengestalt:

Das sind WeiĂźe, und die WeiĂźen haben keine Ahnung von Afrika. Sie bringen ihre Gesetze mit, aber ĂĽber ihrem Gesetz steht das Gesetz Afrikas, unser Gesetz, und davon verstehen sie nichts. (ebd., 104)

Diese Ignoranz der Kolonisatoren wird in der letzten Szene noch einmal deutlich gemacht: Maltese kann durch die magischen Kräfte der Leopardenmänner nach einer Woche wieder aus seiner Ohnmacht erwachen, und Brukoi lässt ihm eine Leopardenpfote überbringen. Ein britischer Soldat erklärt Maltese arrogant, er sei durch die Pfote wohl nun zum Tode verurteilt. Maltese dechiffriert diese angeblich genuin ›afrikanische‹ Symbolsprache jedoch so, dass er von seinem Bruder nun offiziell als Leopardenmensch aufgenommen wurde. Dem Helden gelingt es bei Pratt, die kulturellen Verständigungsprobleme zu überwinden und sich als unabhängiges Individuum durch Tapferkeit und ritterlichen Edelmut in die ›wirkliche‹ afrikanische Gesellschaft zu integrieren. Corto Maltese tritt mit der Überlegenheit des großen Afrikaverstehers auf, der seine Erkenntnisse zwar den Rezipient_innen offenbart, den britischen Kolonialoffizieren diese jedoch verschweigt. Pratt versucht hier, die kolonisierten Subalternen in Gestalt eines Leopardenmannes bzw. eines Leoparden zum Sprechen zu bringen und ihre Version der Geheimgesellschaften und ihrer angeblichen Verbrechen der vermeintlich naiv-hegemonialen kolonialen Position entgegenzusetzen.27 Allerdings folgt er dabei wiederum europäischen Lesarten des kolonialen Anderen, das als mystisch, geheimnisvoll und kaum mit europäischer Kultur vereinbar gezeichnet wird. Hierbei werden koloniale Perspektiven durch antikoloniale europäische Sichtweisen widerlegt, was auf diese Weise dennoch Prozesse des silencing subalterner Deutungen und Stimmen unterstützt (vgl. Depelchin).

Abb. 13: Kollision der frankobelgischen Comic-
Welten – Chaland legt auch die Klischees früherer
Leopardenmann-Episoden offen.

Der wohl aktuellste Beitrag zum Motiv der Leopardenmänner ist Stählerne Herzen II (Chaland 1990). Dessen Struktur ähnelt mit den über je eine Abbildung pro (Doppel-)Seite angeordneten ausführlichen Textpassagen eher einer illustrierten Erzählung oder Bildergeschichte. Sein Inhalt ironisiert jeglichen postkolonialen Charme, und sowohl die belgische Kolonial­geschichte als auch die frankobelgische Comic-Tradition werden kritisch reflektiert. Am Ende nimmt sich der Protagonist und Kolonialist sogar vor, einige Leopardenmänner für sich als Diener zu zähmen. Hier werden am Motiv des Leopardenmannes also – anders als bei Pratt – koloniale Unterwerfungsfantasien und angeblich harmonische Kooperationen zwischen ehemaliger Kolonialmacht und Kolonie sarkastisch kritisiert und mit institutionalisierter Sklaverei verglichen. Chaland verspottet zudem das Œuvre der belgischen Comic-Zeichner, indem er betont beliebig die oberflächlichen Fantasy-Welten kollidieren lässt. So treffen etwa ein belgischer Kolonialrevisionist mit Tropenhelm, antike Senatoren im Stil von Asterix und Obelix und Hergés Leopardenmänner in einem Panel zusammen (Abb. 13). Gerade diese fehlende Kohärenz in Erzählverlauf und Zeichenstil verdeutlicht eine postkoloniale Kritik am unüberlegten Umgang früherer Comic-Autoren mit dem Kolonialismus.

Ein Typus und viele Ă„ngste

Der Leopardenmann ist eine Genre-übergreifende Figur, an der sich seit Hergé immer wieder Comic-Künstler bis in die Gegenwart abgearbeitet haben. Er taucht sowohl in trivialen Abenteuerepisoden als auch in anspruchsvolleren Autoren-Comics auf und ist auf drei Ebenen Ausdruck der ›dunklen Seite des Comics‹: Erstens ist er während der 1940er und 50er Jahre untrennbar mit den düsteren Genres horror (z. B. The Mark of the Leopard in der Horror-Reihe Baffling Mysteries) und crime (etwa The Land of the Leopard Men! in der Detektiv-Reihe Charlie Chan) verknüpft. Zweitens steht der Leopardenmann auf inhaltlicher Ebene für gewalthafte und sogar grausame Exzesse. Und drittens markiert dieser Typus die nicht aufgearbeiteten Fortschreibungen kolonialistischer Stereotypen im Comic. Am Leopardenmann lassen sich nationale und globale kulturelle, politische und ökonomische Deutungsmuster des Kolonialismus ablesen. Die Geschichten leben vom stets gleichen Spiel: Immer steht ein (versuchter) Gewaltakt von Leopardenmännern am Beginn der Narration, wobei die Motive für diese Tat im Verlauf der Handlung sehr widersprüchlich und disparat verurteilt oder rehabilitiert werden.

Es ist vielfach betont worden, dass Weltdarstellung in Comics und Weltvorstellung der Leser_innen keineswegs übereinstimmen müssten (vgl. Drechsel/Funhoff/Hoffmann, 12), tatsächlich aber scheinen Imagination und Narration bezüglich der Kolonialismen im Comic hier eine enge Allianz eingegangen zu sein: Künstler_innen und Leserschaft teilten ähnliche Vorstellungen, denen bestimmte Darstellungsmuster eigen waren. Die Leopardenmänner erhielten eine besonders schmale Palette an körperlicher und charakterlicher Differenzierung: Wer als primitiv galt, wurde folglich – und bis auf wenige kolonialkritische Ausnahmen – auch so abgebildet. Nicht nur beeinflusste die Wirklichkeit in den kolonisierten Territorien die Klischees im Leopardenmann-Comic, Ideen über dieses Phänomen in den populären Medien beeinflussten umgekehrt auch koloniale Reaktionen auf solche Gerüchte in den betroffenen Gebieten selbst.28 Leider wird in historischen Auseinandersetzungen mit dem Medium häufig nicht scharf zwischen der Geschichte des Comics und der Geschichte in Comics unterschieden.29 Es können historische Zeitbezüge über verschiedene Stilmittel zum Ausdruck gebracht werden (vgl. Dittmar, 175), im Fall der Leopardenmenschen sind es die austauschbaren Savannen- und Dschungellandschaften, afrikanische Hütten, Safari-Zelte und Safari-Kleidung im kolonialen Stil, die eine Handlung in einer üblicherweise nur ungenau zu bestimmenden kolonialen Zeit verorten, die eine Zeitschleife bildet. Am Beispiel der Leopardenmänner konnte gezeigt werden, wie aus lokal kursierenden Gerüchten in den afrikanischen Gebieten im kolonialistischen Comic überspitzte Stereotype gebildet wurden, die in postkolonialen Comics in Ansätzen dekonstruiert wurden. Die Leopardenmänner verkörperten Mordlust, Erotik und Verschwörung. Afrika wurde im Comic damit zur Projektionsfläche für verschiedene Tabubrüche und koloniale Ängste: Schwarze Untertanen töteten plötzlich weiße Kolonialist_innen, Menschen ermordeten und opferten Mitmenschen ›wie Tiere‹.

Die hier vorgestellten Varianten des Leopardenmannes stehen aber gerade für die Uneindeutigkeit von Wirklichkeit und Moral und treiben daher ein Spiel mit kolonialen Verunsicherungen und Ängsten. Gemäß dem Diskurs von europäischen Kolonialbeamten drohten in Afrika die Grenzen zwischen Mensch und Tier, zwischen Zivilisation und Wildnis sowie zwischen Rationalität und emotionalem Aberglauben zu verschwimmen (vgl. Speitkamp/Zehnle). Die damit einhergehende Fremdheitserfahrung sowie die Furcht vor dem unzugänglichen indigenen Wissen wurden mittels stereotyper Erklärungsversuche kanalisiert. Die panische Angst vor antikolonialen Aufständen wurde als Metapher einer Tier-Mensch-Metamorphose dargestellt, wohingegen im postkolonialen Comic die tatsächliche Verwandlungsmacht entweder romantisiert oder westlich-selbstreferentiell interpretiert wurde. Das Motiv der Leopardenmänner im Comic steht daher für das prekäre koloniale Selbstverständnis, das sich durch die wiederkehrende Aufklärung (und Verurteilung) solcher Mischwesen und ihrer Taten der eigenen Position in einem binär gedachten Herrschaftsverhältnis zu vergewissern versuchte. Der Leopardenmensch überlebte den politischen Kolonialismus und wurde durch seine Tradierung zum Marker für verschiedene Nuancen kolonialen Denkens in der Populärkultur, das auch Zweifel an der politischen und ökonomischen Ausbeutung Afrikas, das Paradiesische im ›Edle Wilde‹-Diskurs, sowie den Versuch einer postkolonialen Rehabilitierung afrikanischer Kulturen und Gesellschaften miteinschließt. Der Leopardenmann ist ein populärkultureller Stimmungsanzeiger für mitunter widersprüchliche Imaginationen des kolonialen Afrikas, der besonders tiefe koloniale Ängste ausdrückt.

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  • Spivak, Gayatri Chakravorty: Can the Subaltern Speak? Postkolonialität und subalterne Artikulation. Mit einer Einleitung von Hito Steyerl. Berlin u. Wien: Turia + Kant, 2008.
  • Tilley, Carol L.: Seducing the Innocent: Fredric Wertham and the Falsifications That Helped Condemn Comics. In: Information & Culture: A Journal of History 47.4 (2012), S. 383–413.
  • Trier, Walter: Letztes Aufgebot der ›Grande Armee‹ (Lustige Blätter 38). Berlin: Verlag der Lustigen Blätter, 1914.
  • Wertham, Fredric: Seduction of the Innocent. New York: Rinehart, 1954.
  • Zansky, Louis (P), Paul Gattuso (A) u. Christopher Rule (A): The Mark of Leopard (Baffling Mysteries 13). Springfield, MA: Periodical House Inc., 1953.
  • Zehnle, Stephanie: Der Leopard spielt mit den Herrschern. ›Leopardenmorde‹ im kolonialen Afrika. In: Tierstudien 5 (2014), S. 89–102.

Filmografie

  • tarzan and the leopard woman (USA 1946; R: Kurt Neumann).

Abbildungsverzeichnis

  • Abb. 1: Infantino, Carmine: The Land of the Leopard Men! (Charlie Chan 1). New York: Crestwood Publishing Co., 1948, S. 1. <http://kirbymuseum.org/blogs/simonandkirby/archives/359>.
  • Abb. 2: Statue des Leopardenmenschen von Paul Wissaert. Foto: J. B. Burton.
  • Abb. 3: <http://www.erbzine.com/mag13/1382.html>.
  • Abb. 4: Mandel, George: Ted Crane and the Leopard Men (Exciting Comics 2). New York: Better Publications Inc., 1940, S. [3].
  • Abb. 5: Briefer, Richard: Drums of the Leopard Men (Jungle Comics 1). New York: Fiction House, 1940, S. 3.
  • Abb. 6: Briefer, Richard: Drums of the Leopard Men (Jungle Comics 1). New York: Fiction House, 1940, S. 4.
  • Abb. 7: Donavan, Hobart (P), Barry, Sy (W): Leopard Men (Buster Brown Comics 8). Clayton: Brown Shoe Co., 1947, S. 6.
  • Abb. 8: Infantino, Carmine: The Land of the Leopard Men! (Charlie Chan 1). New York: Crestwood Publishing Co., 1948, S. 2.
  • Abb. 9: Infantino, Carmine: The Land of the Leopard Men! (Charlie Chan 1). New York: Crestwood Publishing Co., 1948, S. 9.
  • Abb. 10: Reinmann, Paul: Edgar Rice Burroughs ›Tarzan and The Leopard Men‹ [Tarzan daily #10.10–10.15]. New York: United Feature Syndicate Inc., 1949.
  • Abb. 11: Pratt, Hugo: Die Leoparden-Menschen des Rufidschi, in: Corto Maltese. Die Ă„thiopier. Ăśbers. v. Hedda Siebel. Reinbeck bei Hamburg: Carlsen, 1982 [Originalausgabe Les Éthiopiques, 1972/3], S. 79.
  • Abb. 12: Pratt, Hugo: Die Leoparden-Menschen des Rufidschi, in: Corto Maltese: Die Ă„thiopier. Ăśbers. v. Hedda Siebel. BrĂĽssel: Reinbek: Carlsen, 1982 [1972/73], S. 93.
  • Abb. 13: Chaland, Yves (P), Le Pennetier u. Yann (W): Stählerne Herzen II. Ăśbers. v. U. Proefrock u. Ch. Markowitz. BrĂĽssel: Champaka Book, 1990.

 

  • 1] FĂĽr Hinweise zum Leopardenmann in verschiedensten Comics danke ich ganz herzlich meinen Kolleg_innen Prof. Karl Härter, Prof. Hendrik Dorgathen und Johanna Wurz. Trotz vieler wertvoller AuskĂĽnfte ist die Ăśbersicht aller Comics mit BezĂĽgen zu Leopardenmännern noch nicht komplett. Daher wird hier auf eine Bibliografie verzichtet, die (noch) nicht den Anspruch auf Vollständigkeit erheben könnte. FĂĽr diesen Aufsatz wurde jedoch eine möglichst repräsentative Auswahl aus bislang 25 Comics getroffen.
  • 2] In meinem historisch ausgerichteten Forschungsprojekt untersuche ich diesen Kolonialdiskurs in juristischen, ethnologischen und medialen Debatten. FĂĽr eine lokalhistorische Untersuchung zu den Mordfällen in SĂĽdnigeria vgl. Pratten.
  • 3] Vgl. dazu Bockhaven sowie Couvreur, 20f.
  • 4] Der Begriff ›Postkolonialismus‹ meint in zeitlicher Dimension zunächst das bis heute andauernde Zeitalter seit dem Ende kolonialer Staatlichkeit bzw. die Ăśbergangsphase der Dekolonisation ab den 1960er und 70er Jahren. Im Kontext der Comic-Geschichte muss dieser Terminus aber auch als Kategorie einer geistigen Strömung verstanden werden, die sich mit Kolonisierung und Dekolonisation kritisch auseinandersetzt. Daher sind postkoloniale / postkolonialistische Comics jene, die sich nach der eigentlichen Epoche des globalen Kolonialismus kritisch mit der Kolonialzeit bzw. deren Folgen beschäftigen und an einer Dekonstruktion des kolonialen Diskurses interessiert sind.
  • 5] Als Mischform schafften es Leopardenmann-Episoden auch als rein textliche oder illustrierte Kurzgeschichten in Comic-Hefte; vgl. Zansky/Gattuso/Rule.
  • 6] Die Ersterscheinung erfolgte seriell bereits 1932/33 in The Blue Book Magazine.
  • 7] Vgl. dazu Dolle-Weinkauff 2006.
  • 8] In den zahlreichen mehr oder weniger wissenschaftlichen Reiseberichten ĂĽber Afrika zwischen 1800 und 1850 wurden individuelle afrikanische Herrscher oder die eigenen afrikanischen Diener der Expeditionsgruppe als Ergänzung des FlieĂźtextes als Individuen im realistischen Stil gezeigt. Die Afrikareisenden waren stets abhängig vom Wohlwollen der Anwohner und der UnterstĂĽtzung durch die lokale Infrastruktur, was sich auch in den eher respektvollen Abbildungen widerspiegelt.
  • 9] Diese Abbildungen suggerierten dem Betrachter eine Authentizität, die es so nicht gab und negierten die Aushandlungen, die den Akt des Fotografierens tatsächlich begleiteten: Wollten sich afrikanische Familien beispielsweise fĂĽr Fotografien – deren Wert und Verwendung sie laut kolonialer Auffassung gar nicht nachvollziehen konnten – Sonntagskleidung anziehen, so verlangten Kolonialreisende unverfroren, die Frauen mögen sich doch ganz ›ursprĂĽnglich‹ mit nackten BrĂĽsten zeigen. Vgl. dazu Tagebucheinträge des Schweizer Zoologen Walter Volz (1875–1907), der Liberia von 1906 bis 1907 bereiste – und dort auch ĂĽber Leopardenmänner berichtete – und viele Dorfbewohner_innen fotografierte. Vgl. Archiv der Burgerbibliothek Bern, Msshh XXIV 136, Tagebuch 2, Eintrag vom 14.08.1906.
  • 10] Beispielsweise verteidigen die Verlage von HergĂ©s Werken die Kolonialismen und Rassismen immer wieder, indem sie erläutern, dass der Comic nur Vorurteile der Entstehungszeit wiedergibt.
  • 11] Dt. »Und die ganze Welt glauben, dass richtiger Leopard sein schuldig.«
  • 12] Dt. »Sklave.«
  • 13] Im ›amerikanischen Stil‹ wechselten die Perspektiven hingegen stärker ab als im frankobelgischen (vgl. Becker, 8).
  • 14] So verklagte 2011 ein kongolesischer Student den Verlag Moulinsart in Belgien erfolglos wegen dieser rassistischen Inhalte (vgl. Palandt, 23).
  • 15] Als Prototypen fĂĽr diesen ›Abenteuerrealismus‹ können die Tarzan-Comics sowie die Geschichten von Prince Valliant (seit 1937) erachtet werden.
  • 16] Dieser Boom der Langform von Abenteuer-Comics ebbte in den 1950er Jahren bereits wieder ab – Balzer und Frahm mutmaĂźen, dass dieser RĂĽckgang auf die Konkurrenz der Printmedien gegenĂĽber dem aufstrebenden Fernsehen zurĂĽckzufĂĽhren sei (54).
  • 17] Es kam im gleichen Jahr auch zu öffentlichen Comic-Verbrennungen und verschiedenen medial geäuĂźerten Protestformen gegen angeblich jugendschädliche Comics (vgl. Knigge 2014, 15).
  • 18] Wider diese Sexualisierung schwarzer Männer in ›weiß‹-rassistischen Angstphantasien zeichnete der sĂĽdafrikanische Comic-Autor Anton Kannemeyer viele Geschichten im Stil der ligne claire von HergĂ©. Die Männer werden hier mit einem riesigen schwarzen Penis und in ĂĽberzogener Virilität gezeigt, um Klischees offen zu benennen. Vgl. Kannemeyer 2014.
  • 19] Diese Kannibalismus-Theorie legte etwa ein ehemaliger britisch-kolonialer Richter in seinen Memoiren ĂĽber die Gerichtsverhandlungen von 1912 bezĂĽglich der so genannten Leopardenmensch-Morde in der Kolonie Sierra Leone dar (vgl. Beatty).
  • 20] In zeitgenössischen Comics gestaltet sich dies offensichtlich komplexer, denn hier werden WĂĽnsche nach einer körperlichen Entgrenzung des Ichs mit mehr Ambiguität und weniger normativ verhandelt (vgl. Saupe, 250).
  • 21] Saupe konnte darlegen, dass durch materielle Inkorporation des Verspeisens auch Geheimwissen und fremde Kräfte ĂĽbernommen wurden, die einen »Zugang zu einer höheren Welt« (247) ermöglichten. Auf einer so differenzierten Ebene bewegten sich die Leopardenmann-Comics der ›Abenteuer-Phase‹ allerdings nicht. Sie deuteten eine Faszination solcher Vorgänge zwar an, erstickten diese Phantasien aber sofort anhand rationalistisch-humanistischer Moralvorstellungen verkörpert durch den Helden.
  • 22] Zur Biografie von Barry vgl. Knigge 1988, 81.
  • 23] Vgl. zum Zeichner Knigge 1988, 259f.
  • 24] Gabilliet stellte dazu lapidar fest: »These magazines popularized adventure novels« (13).
  • 25] Zur ambigen Bedeutung des Leoparden fĂĽr die kolonisierten westafrikanischen Gesellschaften bzw. die europäisch-westlichen Kolonialmächte vgl. Zehnle.
  • 26] Vgl. zu dieser generellen Einschätzung Dolle-Weinkauff 2007, 132.
  • 27] Zur Diskussion von Sprachlosigkeit subalterner Gruppen und Individuen vgl. Spivak.
  • 28] Vgl. dazu bislang unveröffentlichte Forschungsergebnisse der Autorin sowie Zehnle 2014.
  • 29] Neuere Aufsätze behandeln meist beide Relationierungen von Geschichte und Comic, also Geschichte als Thema im Comic einerseits sowie die Geschichte des Comics andererseits (vgl. etwa Balzer/Frahm). Oft werden Comics daher als historische Quelle fĂĽr ihre Zeit, als Geschichtsparodien wie in Asterix und als faktualer Sachcomic gleichzeitig behandelt (vgl. Dolle-Weinkauff 2014).