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Hellboy 13: Abstieg zur Hölle rezensiert von Yanine Esquivel

Es war zwar nicht das Ziel seiner Reise, aber Hellboy ist zu Hause angekommen – in der Hölle. Dass es dort nicht mit rechten Dingen zugeht, überrascht eigentlich nicht, aber was genau erwartet ihn und wie zur Hölle kommt er mit dieser misslichen Lage zurecht?

Die Handlung des 13. Bandes Abstieg zur Hölle von Mike Mignola und Dave Stewart schließt direkt an die des Vorgängersbandes, Der Sturm, an und beantwortet in fünf Kapiteln so einige ungelöste Fragen, wirft aber auch neue auf. Nach dem Kampf mit dem Drachen reißt Nimue Hellboy das Herz heraus und nimmt ihn mit sich in die Hölle. Auf einem harten Felsen unliebsam aufgekommen, hangelt er sich nun von einem Schlamassel zum Nächsten. Dabei erfährt er, dass er sich am äußeren Rand der Hölle befindet, wo Lovecraft’sche Kreaturen ihr Unwesen treiben und auch alte Bekannte auftauchen. So begegnet ihm unter anderem ein freundlicher Weggefährte: Sir Edward Grey bleibt bei dieser Höllenfahrt an seiner Seite und versucht, ihm zu helfen, so weit es geht. Vor einem Zusammentreffen mit seinem Onkel und seinen beiden Brüdern, das in einem Kampf um das Erbe – die steinerne Hand – ausartet, kann Grey Hellboy jedoch nicht bewahren. Nach dem unerwarteten Ausgang dieses Kampfes und einem mysteriösen Mord, begibt sich Hellboy im letzten Kapitel wieder in sein gewohntes Element und hilft einem Fremden, der um seine Seele bangt.

Der 13. Band strotzt nur so vor Anspielungen auf bekannte Literaturklassiker: Die ganze Geschichte um die Rebellion Satans gegen Gott und das Pandämonium mit seiner hierarchisch aufgebauten Struktur basieren auf dem Gedicht Paradise Lost des englischen Dichters John Milton, das 1667 erstmals veröffentlich wurde. Die Einblicke in die verschiedenen Bereiche der Hölle in Begleitung von Sir Edward Grey haben ihre Vorlage in Dante Alighieris Göttlicher Komödie, die zwischen 1307 und 1321 entstand. Hinzu kommt noch eine Prise aus Charles Dickens’ Eine Weihnachtsgeschichte von 1843: Als Hellboy mal wieder aus einer ungünstigen Situation entkommen kann, sieht er ein Puppenspiel, das die Szene aufführt, in der der Geist von Jacob Marley seinem alten Geschäftspartner Ebenezer Scrooge erscheint. Er berichtet ihm von drei Geistern, die ihn besuchen werden. Hellboy wird im Laufe der Handlung ebenfalls von drei Geistern heimgesucht, die in ihrer Funktion zudem auch die begleitende Rolle Vergils aus der Göttlichen Komödie übernehmen. Während sie ihn durch die verschiedenen Schauplätze der Hölle führen, zeigen sie ihm Orte, die seine Gegenwart, Zukunft und Vergangenheit betreffen. Als ein Geist ihm im Keller den Ort zeigt, an dem der Herrscher der Hölle, Satan, seit 2000 Jahren schläft, wird aus einem weiteren Klassiker zitiert: William Shakespeares Macbeth. In einem Panel fällt ein blutiger Dolch zu Boden und in den späteren Kapiteln wird Hellboy immer wieder mit diesem Dolch, einer blutigen Hand und dem Mord an Satan konfrontiert. Hellboy scheint sich jedoch nicht an den Mord zu erinnern. Wie kann das sein? Die Anspielung auf Macbeth scheint uns einen kleinen Hinweis zu geben: Es muss eine Lady Macbeth geben, die ihn zu dieser Tat ermutigt hat. Zu welchem Zweck dies alles passiert, wird in diesem Band jedoch nicht geklärt. Beim Fischer der Seelen führt ihm ein anderer Geist seine vom Vater bestimmte Rolle vor Augen: Er soll die Armee der Hölle anführen. Eine Rolle, die Hellboy ablehnt, aber mit der er immer wieder konfrontiert wird. Ein weiterer Geist löst eine Frage, die seit dem ersten Band im Raum steht: Wie erhielt Hellboy seine Steinfaust? Auch wenn den Leser_innen hier eine Antwort präsentiert wird, beschleicht einen das Gefühl, dass nur an der Oberfläche gekratzt wurde. Es bleibt weiterhin offen, woher genau der Arm stammt und wie Hellboys Vater Azzael es schaffte, den rechten Arm seines Sohnes durch die steinerne Faust zu ersetzen. Wir wissen nur, dass er damit in der Lage ist, die Armee der Hölle zu befehligen.

Mignola hat seine ganz eigene Art, die Hölle darzustellen, und versucht, so weit es geht, mit einer eigenen Bildsprache zu arbeiten. Seine Vorlagen lassen sich jedoch erahnen. So sind im Pandämonium etliche Statuen aufgestellt, die auf ihrem Bauch ein Gesicht tragen. Vorlage für diese teuflischen Gestalten könnte das Bild Die Hölle (1485) von Hans Memling sein, das ebenfalls einen Teufel mit einem ›Bauchgesicht‹ zeigt. Ein bekanntes Werk, das dem Autor vermutlich geläufig sein wird. Der Höllenschlund in Mignolas Werk wird auch in einer solchen Gestalt mit weit aufgerissenem Maul gezeigt. Die Darstellung des Hölleneingangs in Form eines Teufelsschlundes ist ebenfalls in der mittelalterlichen Buchmalerei zu finden. Andere Szenen wiederum zeigen Mignolas ganz persönliche Vorstellung von der Hölle: So geben z. B. die Begegnung mit dem Fischer der Seelen, der die fischförmigen Verdammten zu Soldaten schmiedet, aber auch die Meeresungeheuer, die einer Lovecraft-Erzählung entstammen könnten, Einblick in eine ganz eigenwillige Motivwahl. Wie der Zeichner eine spannende Bildsprache aufbaut, zeigt uns der fast nahtlose Übergang Hellboys von der irdischen Welt in die Unterwelt, der auf einer Seite mithilfe von zwei Panels und eines schmalen Gutters erzählt wird: Nachdem sein irdischer Körper zu Staub zerfällt, sehen wir im oberen Panel das rote brennende Herz vor einem dunklen Hintergrund in den ›Höllenschlund‹ fallen. Im unteren Panel ist in Untersicht ein Loch in der Decke einer Höhle zu erkennen, durch das statt des Herzens nun die brennende rote Gestalt Hellboys fällt.

Mignolas Zeichnungen erinnern dabei an Holzschnitte – ein Stil, der schon seit dem ersten Band bekannt und in diesem Fall nichts Neues ist. Es ist jedoch neu, dass der Autor – im Kontrast zu den aktionsgeladenen vorherigen Bänden – im 13. Band mithilfe von detaillierten Nahaufnahmen, zahlreichen schwarzen Flächen und ganzseiteigen Panels nun eine eher ruhige Atmosphäre evoziert. Die schwarzen Panels und auch die Close-ups von Gesichtern, Händen und Gegenständen, wie z. B. dem blutigen Dolch, vermitteln den Leser_innen die Sicht Hellboys, der oft nicht weiß, was um ihn herum geschieht oder was ihn als nächstes erwarten wird. Darstellungen von Wasser-, Lava- und Blutströmen sowie die zeitlichen Überschneidungen im letzten Kapitel, in dem der Übergang von Leben und Tod fließend zu sein scheint, vermitteln den Verlust des Zeitgefühls. Und als Hellboy nach dem Kampf mit seiner Verwandtschaft von schwebenden Wesen umgeben ist, die aus dem Abgrund der Hölle emporsteigen, scheinen sich sogar die räumlichen Grenzen aufzulösen. Er verliert sich in der Schwärze des Abgrundes.

Gedeckte Töne und farbliche Highlights untermalen die düstere Atmosphäre des Hellboy-Universums.

Passend zu dieser Stimmung ist die Farbwahl von Kolorist Dave Stewart. Die Farben sind überwiegend in gedeckten Grün-, Blau‑, Braun- und Grautönen gehalten, während Rot, Orange und Gelb Highlights setzen und häufig für Blut oder Feuer verwendet werden. Natürlich dient Rot auch als Signalfarbe für Hellboy selbst. Diese Farben werden aber auch eingesetzt, um besondere Momente zu markieren, wie es z. B. im Kampf gegen seinen Bruder Gamon oder in der Schlachtszene an der Beresina der Fall ist. Somit unterstreichen die Kolorierungen gekonnt die Atmosphäre der jeweiligen Szene, die zwischen ruhigen Dialogen und vereinzelten Kämpfen wechselt.

Mignola schafft es in diesem Band mal wieder, aus einer Sammlung bekannter Werke eine ganz eigene Geschichte zu spinnen und sie in einen neuen Kontext zu fügen. Dass er die Vorlagen dabei mit einem Augenzwinkern verwendet, wird durch Hellboys manchmal unpassend passende Kommentare deutlich, die die jeweilige Situation oft parodiert wiedergeben. Wenn z. B. die Weihnachtsgeschichte als Puppenspiel aufgeführt wird, ist natürlich seine erste Reaktion auf den Geist, der vor ihm auftaucht: »Geist der vergangenen Weihnacht?«. Auch seine Eigenschaft, jede bedrohliche Situation mit dem Wort »kacke« zu kommentieren, bricht mit dem Ernst der Lage und führt den Leser_innen vor Augen, dass Hellboy sich in keinster Weise in diese Zusammenstellung poetischer Geschichten einfügen will. Diese Haltung passt zu seiner ganzen Einstellung, so will er weder das Erbe seines Vaters annehmen, noch will er sich in die Angelegenheiten der Hölle einmischen. Wohin seine Reise gehen wird, kann und will er anscheinend nicht wissen. Dass Hellboy sich inmitten dieses ganzen Chaos treu bleibt und seinen ganz eigenen Weg geht, verdeutlicht das letzte Kapitel: Anstatt dort an diesem Ort am Acheron, einem Fluss der Unterwelt, über sein Schicksal nachzudenken, begibt er sich gleich in das nächste Abenteuer. Inmitten dieser Trostlosigkeit kümmert er sich um die Seele eines Mannes, der sich von dem Pakt mit einem Teufel lossagen will. Zwar stirbt der Mann am Ende bzw. scheint er schon tot zu sein, als er die Hölle betritt, aber Hellboy kann zumindest verhindern, dass der Teufel seine Seele bekommt. Wenn Hellboy den Lebenden auf der Erde nun nicht mehr helfen kann, dann nimmt er sich eben der Toten in der Hölle an.

 

Hellboy 13
Abstieg zur Hölle
Mike Mignola (A/P), Dave Stewart (C)
Ludwigsburg: Cross Cult, 2014
160 S., 22,00 Euro
ISBN 978-3-86425-3-973