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The Dark Knight Returns: Again and Again

Batman-Publikationen zum 75. Jubiläum 2014 kollektivrezensiert von Gerrit Lembke, Tristan E. Kugland und Cord-Christian Casper

»Batman and Robin will never die!«, ruft Batman in Grant Morrisons Batman-Comics in den Nachthimmel von Gotham. Und tatsächlich zeigt der Dunkle Ritter auch im stolzen Alter von 76 Jahren kaum Ermüdungserscheinungen. Drei Bat-Schlaglichter.

Präsidentschaftskandidat Jeb Bush demonstriert seine popkulturelle Volksnähe, indem er Batman als seinen Lieblingssuperhelden ausgibt. Für eine Charity-Aktion wird halb Chicago abgesperrt, um einem kranken Jungen einen Tag als ›Batkid‹ zu ermöglichen. Und im Sommer 2015 wird sich Ben Affleck in den grauen Spandex zwängen, um eine neue Phase der filmischen Fledermaus einzuläuten. Batmänner allerorten also, und kein Ende in Sicht. Doch warum eigentlich? Unsere Sammelrezension widmet sich drei Publikationen, die sich diese Frage aus ganz unterschiedlichen Perspektiven stellen: Warum ist Batman ein derart langlebiges Fan-Phänomen? Was macht Adam Wests und Burt Wards Pop-Art-Batman aus? Und ist Batman ein Mythos? Bei aller Vielfalt werden die drei Bücher von der Frage beeinflusst, was die multi-trans-hypermediale Bat-Figur im Innersten zusammenhält – oder ob sie doch nur das Resultat zerstreuter Fan-Aktivitäten ist. Die Publikationen geben natürlich keine endgültige Antwort hierauf, aber sie stellen den comicinternen Erklärungen für die Batman-Revenants – Zeitreisen! Wiederbelebung! Doppelgänger! – einige analytische Perspektiven zur Seite.

Holy Analysis! Matt Yockey blickt zurĂĽck in die 1960er
(Gerrit Lembke)

Nachdem Frank Miller in seinen Comics den ›Dark Knight‹ (1984) noch ›darker‹ gemacht und Christopher Nolan in seinen Filmen Gotham City in New York City verwandelt hat, bietet sich ein Blick zurück auf die knallbunte Bonbon-Ästhetik der 1960er an: Adam West und Burt Ward haben mehrere TV-Generationen durch ihre Verkörperung des ›dynamischen Duos‹ in der schrillen Real-Serie von 1966–68 geprägt. Der Filmwissenschaftler Matt Yockey hat sich die Serie einmal ganz genau angesehen.

Ganz im Gegensatz zu zahllosen Batman-Fans, die mit dem ›Bright Knight‹ der TV-Serie nicht viel anfangen können, empfindet Yockey Wertschätzung für ihn. Dieser Kitsch sei eben mehr als nur das, was auf der Oberfläche sichtbar sei, so der Verfasser. Einer einfachen Lesart der Serie stellt er deren doppelte Codierung entgegen, die es den Zuschauer_innen ermögliche, zugleich konservative Werte bestätigt zu finden als auch diese kritisch zu hinterfragen (vgl. 28). Diese Hybridität mache die Serie zu einem wichtigen Element in der Batman-Historiografie. Im ersten Kapitel widmet sich Yockey den Thematisierungen von Politik oder öffentlicher Ordnung. Diese sind zahlreich, und weder das Militär, das dem Pinguin aus mangelnder Vorsicht ein Kriegs-U-Boot verkauft, noch die Institution der Polizei oder das Amt des Bürgermeisters kommen unbeschadet davon. Während jugendlichen Leser_innen allzu penetrant staatsbürgerliche Werte nähergebracht würden (»The Constitution is the cornerstone of our great nation«, 14), müssten erwachsene Leser_innen dies als selbstironischen Kommentar auf den US -amerikanischen Konformismus der 1950er verstehen (vgl. 22).

Im folgenden Kapitel stehen die von der Serie produzierten Geschlechterbilder im Zentrum, wobei Yockey ebenso auf etwaige homoerotische Anklänge des dynamischen Duos eingeht wie auch auf die Figuren von Catwoman und Batgirl, deren Eigenständigkeit und Bedeutung nicht an die männlichen Figuren heranreichen. Besonderes Augenmerk legt Yockey auf die Besetzung von Catwoman mit der afroamerikanischen Schauspielerin Eartha Kitt. Während sich die TV-Serie star trek als besonders progressiv erwies, als die farbige Uhura und Captain Kirk einander 1968 küssten, bleibt Batman – wie generell in der Darstellung von Frauenfiguren – traditioneller. Dass Eartha Kitt nur wenige Folgen als Catwoman zu sehen war, hat vermutlich auch damit zu tun, dass sie in der Realität wesentlich unabhängiger agierte als auf der Leinwand: Nach kritischen Äußerungen über Politik und Gesellschaft bekam sie jahrelang keine Engagements mehr in den USA.

Das dritte Kapitel setzt sich mit dem Casting auseinander, hierin zeige sich die Selbstbezüglichkeit von Batman und die lustvolle Künstlichkeit der Serie, die dadurch campy werde. Als campy versteht Susan Sontag in ihrem Essay Notes on ›Camp‹ (1962) eine Kunst der Übertreibung, des Unnatürlichen, des Tricks. Was das Casting von Batman betrifft, hebt Yockey zwei Folgen hervor, in denen die Produzenten Dozier und Horwitz als sie selbst auftreten. In einer der Folgen danach befragt, was das Geheimnis ihres Erfolgs sei, antwortet Letzterer: der Verzicht auf method actors (vgl. 74). Dies ist ein deutlich ironischer Seitenhieb auf die beiden Hauptdarsteller, Adam West und Burt Ward, sowie deren übertrieben-nichtnaturalistische Art des Schauspielens, und als solcher Seitenhieb ist die Anmerkung nicht einmal sonderlich subtil. Diese Ironie wiederum so exaltiert zur Schau zu stellen und die Künstlichkeit der Serie offenzulegen, mache Batman zu einem Artefakt der camp-Kultur.

Im letzten Kapitel richtet Yockey schlieĂźlich seine Aufmerksamkeit auf das Batman-Merchandising und den Rollenwechsel, zu dem die Fans der Serie auf diese Weise eingeladen werden. Durch KostĂĽme und Masken ahmten sie das Dynamische Duo nach, sie wĂĽrden gleichsam zu Batman & Robin, und indem sie den fiktionalen Kosmos durch nichtautorisierte Fortschreibungen in allen Medien (Comic, Film und Musik) erweiterten, wĂĽrden die Konsument_innen zu Produzent_innen (vgl. 112).

Die Serie spaltet die Fans in treue Anhänger und strenge Gegner. Dieses Schicksal wird diese Monografie nicht erwarten müssen. Yockey verknüpft detaillierte Analysen einzelner Folgen mit soziokulturellen Kontextualisierungen, er zieht die Comics zum Vergleich heran, bezieht auch andere zeitgenössische Serien mit ein, befasst sich mit der Produktions- wie auch der Rezeptionsseite. So bleiben wenige Wünsche offen: Akademische Präzision trifft auf einen höchst angenehm zu lesenden Text, der einzig von Yockeys liebster Argumentationsfigur gestört wird, die Serie ermögliche zugleich das eine, aber auch dessen Gegenteil: Sie sei stets dies, aber auch das andere, Batman könne entweder so oder auch ganz anders verstanden werden. Dieser Gedanke, so sehr es Yockey in seiner Argumentation gelingt, ihn überzeugend zu belegen, wird stark strapaziert. Dies mag manchen stören – oder es gefällt.

Feigenblatt und Cape: Batman als Fan-Phänomen
(Tristan Emmanuel Kugland)

Ob extraterrestrische Waise vom Planeten Krypton oder zur menschlichen Superspinne mutierte, ja, richtig, Waise, ob Gottessohn aus nordischer Sage oder Supersprinter im roten Kostüm – sie alle eint, dass sie über eine oder mehrere übernatürliche Fähigkeiten verfügen und diese, mehr oder weniger zielgerichtet, im Kampf für die gute Sache und gegen die Schurken und Superschurken ihrer Welt einsetzen. Ausgeschlossen aus diesem Kreis ist der dunkle Rächer im Fledermauskostüm: Batman, so die gebetsmühlenartig wiederholte Haupterkenntnis in Liam Burkes Batman aus der Reihe Fan Phenomena, zeichnet sich eben dadurch aus, dass er über keinerlei Superkräfte verfügt und sich seine Fähigkeiten erarbeitet und antrainiert hat. Dazu Will Brooker im Vorwort:

The heart of Batman’s appeal has always been his humanity; his lack of any super-powers, and the fact that this cultural icon who walks with gods […] is no more magical than the rest of us. Batman lets us believe David Bowie’s promise that we could all be heroes – or at least that we could all be Batman. (Brooker, 5)

Der Band versammelt zehn jeweils etwa zehnseitige Beiträge und eine Reihe Interviews, die unter der Überschrift »Fan Appreciation« zwischen den Beiträgen eingeschoben sind. Bereits in der Einleitung wird deutlich, dass es hier weniger um dezidiert literatur-, medien-, oder filmwissenschaftliche Analysen geht. Zwar kommen die Autor_innen aus dem Umfeld diverser Universitäten, in den hier versammelten Artikeln beschränken sie sich jedoch primär darauf, einen schlaglichtartigen Überblick über die Batman-Rezeption zu bieten. Konkret bedeutet dies, dass die Katalogisierung der mannigfaltigen Fan Phenomena um die Batman-Figur, etwa Inhaltszusammenfassungen von Fan Fiction oder das Zusammenfassen von Fan-Aussagen und Forumsdiskussionen, hier meist den Vorzug vor einer kritischen, abstrahierenden und theoretisch fundierten Auseinandersetzung erhält.

Der Band ist unterteilt in vier Hauptsektionen: Im ersten Teil (»Being Batman«) werden identifikatorische Aspekte der Figur in den Blick genommen, jene Elemente der Charakterkonzeption, die Batmans Rolle als annähernd universell identifizierbarer kultureller Archetyp begründen. »Embracing the Knight«, die zweite Sektion, beschäftigt sich mit Fan-Fan-Interaktion in Comicläden, auf Conventions und in Foren, während im dritten Teil die Darstellung von Fandom in den Comics selbst in den Blick genommen wird. Die vierte und letzte Sektion schlussendlich konzentriert sich auf intertextuelle Verbindungen, Vorbilder und Adaptionen.

Als Stärke und Schwäche zugleich entpuppt sich im Laufe der Lektüre die inhaltlich-darstellende Ausrichtung des Bandes: Robert Deans »Being Batman: From Board Games to Computer Platforms« zeichnet die Entwicklung und verschiedenen Re-Brandings der Batman-Figur im Kontext der technischen Weiterentwicklung verschiedener Computerspiele nach. Bunt bebildert ist der Aufsatz zwar amüsante Lektüre, lässt jedoch eine analytische Komponente weitgehend vermissen und stellt sicherlich einen der schwächeren Beiträge dar.

Dem gegenüber stehen Artikel wie Margaret Rossmans »The Passive Case«, in dem die Autorin die virale Marketingkampagne von Warner Bros. im Vorfeld des Releases von the dark knight (2008) nachvollzieht und den Versuch unternimmt, diese im Kontext einer Adorno/Horkheimer-Kulturindustriedebatte zu lesen. Der grundsätzlich vielversprechende Ansatz leidet zwar darunter, dass die Autorin es versäumt, aktuellere theoretische Diskussionen zu der Verknüpfung von (viralem) Marketing, Fankultur und (konsum-)kritischer Theorie aufzunehmen. Der Begriff der Kulturindustrie bleibt so leider auf seine, fast schon Allgemeingut gewordene, Kritik der Produktion von Konformität reduziert. Gleichzeitig gelingt es Rossman dennoch mit (oder vielleicht sogar eben wegen) diesem reduzierten theoretischen Rüstzeug, die Dynamik im Verhältnis zwischen dem Studio und der, mehr oder weniger organisierten, Fanbase, abzubilden und das Evozieren des Bildes aktiv partizipierender Fans als erfolgreiche Marketingstrategie (und das Verhältnis Studio-Fans damit als weiterhin grundsätzlich klassisch hierarchisch strukturiert) zu entlarven. Aktualisierte und genauere theoretische Grundlagen und eine umfangreichere Diskussion des Themas bleiben in der vorliegenden Form allerdings leider Desiderat.

Im Rahmen der eher populärwissenschaftlichen Ausrichtung des Bandes kommt auch den Interviews eine zwiespältige Rolle zu: Sicherlich ist es gerade für den geneigten Batman-Aficionado interessant zu erfahren, wie sich Michael E. Uslan, Produzent aller Batman-Filme seit Tim Burtons Adaption, bei der Premiere von the dark knight rises (2012) gefühlt hat, oder dass Seamus Keane und seine Verlobte Alison in einem Batman- bzw. Catwoman-Kostüm in Las Vegas geheiratet haben. Dem Vorhaben der Fan Appreciation, unter dem die Interviews in dem Band versammelt werden, wird somit zur Genüge Rechnung getragen. Diese amüsanten Kuriositäten können jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass in den Interviews primär repetitiv die eingangs erwähnte Menschlichkeit Batmans, seine gegenüber anderen Superhelden defizitäre biologische Grundausstattung, in verschiedensten Ausformulierungen, als intuitive Erklärung für die andauernde Beliebtheit der Figur herangezogen wird. Der Band erweckt hier den Eindruck einer, trotz unterschiedlicher Ausprägungen der inzwischen traditionsreichen Figur Batman (die natürlich trotz anderslautendem Titel das eigentliche Phänomen bleibt), überraschend einheitlichen Haltung zeitgenössischer Fans zu Batman. Dies ist, gerade in der vorliegenden Mischung von Interviews und Artikeln, überwiegend gut lesbar und einigermaßen unterhaltsam; als Programm für einen Sammelband zum Thema ›Batman und Fans‹ bleibt dies jedoch trotz einiger akademischer Feigenblätter (Adorno/Horkheimer) und eines sicherlich nicht exklusiv akademischen Zielpublikums dürftig. Fan Phenomena. Batman hinterlässt einen zwiespältigen Eindruck.

Batmans Seele und die Sehnsucht nach Ordnung
(Cord-Christian Casper)

Als einen Tintenfleck auf hellem Grund zeichnete Chris Burnham jüngst den dunklen Ritter Gothams, der zuvor von einer Schurkin zu Boden gestreckt worden war. Wie ein Rorschach-Test legt das Panel nahe, dass die Reaktion auf die abstrakte Bat-Form mehr über die Beobachter_in als über Batman aussagt. Dessen unveränderliche Charakteristika sind es, denen Alex M. Wainer in Soul of The Dark Knight in Comic und Film nachspürt: Wainer begibt sich auf die Suche nach dem mythischen Substrat der Comicfigur, die es aus den unzähligen Inkarnationen des Fledermausmannes abzuleiten gilt. Über Burnhams Vexierbild kommt der Band dabei nicht hinaus: Soul of the Dark Knight bietet eklektische Einzelbeobachtungen statt mythischer Archetypen.

Für Wainers Bestimmung des Batman-Mythos in der ersten Hälfte des Buches ist das Medium ›Comic‹ entscheidend: Der Autor versucht sich nach einer Begriffsbestimmung des Mythos an einem kursorischen Überblick über die wichtigsten Phasen in Batmans vierfarbiger Publikationsgeschichte von der Golden Age bis The Dark Knight Returns (1986); neuere Versionen bleiben in dieser pflichtschuldigen Aufzählung bekannter Wegmarken unberücksichtigt. Dualität, Liminalität und Maskierung werden anschließend als feste Bestandteile des Batman-Mythos identifiziert. Deren Funktion beschreibt der Autor mit verschiedenen Synonymen, die sich unter der Rubrik ›Ordnungsstiftung‹ zusammenfassen lassen: »Batman is ›about‹ certain societal concerns entailing the problem of crime and chaos« (70). Batman bietet Bedeutung in einer wirren Welt: Diese Funktion könne der Superheld in grafischen Erzählungen am besten erfüllen. Somit ist die zweite Hälfte des Buches der Frage gewidmet, inwiefern der Comic das mythische Medium par excellence darstellt und ob diese Eigenschaften unversehrt in die Film- und Fernsehadaptionen hinübergerettet werden können (Spoiler: Sie können, aber nur in ausgewählten Adaptionen, die Wainer besonders gefallen). Der Comic bleibt Dreh- und Angelpunkt der Suche nach dem Mythischen: Durch »iconic abstraction and closure« (161) könne Batman vor allzu unmythischem Realismus bewahrt werden. Die Suche nach der Soul of The Dark Knight wird im Abschlusskapitel zu einer Suche nach der ›soul of comics‹.

Ein Mythos im strengen Sinne ist Batman für Wainer nicht: Dieser Begriff bleibt klassischen Erzählformen vorbehalten. Der Autor ist auf der Suche nach »the mythic« (7), sprich mythosähnlichen Elementen, die von populären Texten aufgerufen werden können. Im ersten Kapitel versucht er sich an einer Definition dieses Mythischen. In dem breiten Spektrum strukturalistischer, psychologischer, philosophischer und politischer Ansätze, das Wainer eröffnet, mag er sich dabei nicht recht auf eine Lesart festlegen: »This book’s discussion is influenced to some degree by all four approaches to myth« (26). Dennoch nimmt er das Mythische immer wieder in Anspruch, um jedwede Beobachtung wiederkehrender Bat-Topoi als ahistorische Universalität aufzuwerten. Auf die Terminologie in Soul of the Dark Knight trifft zu, was Plumpe 1979 an dem Mythosbegriff kritisiert: Seine Suggestivkraft sei »Indiz einer vermeintlichen Sinnfülle, die sich semantischer Beliebigkeit verdankt« (Plumpe, 240). Für Wainer ist das Mythische vor allem gut und wichtig. Um die positiven Effekte des »myth-like«-Status (103) seines Helden zu bestimmen, greift der Autor auf religiös-konservative Thesen von Chesterton, Tolkien und insbesondere C. S. Lewis zurück. Mit Letzterem argumentiert er, dass Comics wie andere Formen von »sensational fare« Quelle von »awe, wonder, and meaning« (28) seien, die der Leserschaft ansonsten verwehrt blieben. Der Mythos des Helden erfülle ein kollektives Bedürfnis nach »Transzendenz« (165), das besonders durch populäre Comics gestillt werde: Motive, die vom Lesepublikum gewünscht werden, stünden grundsätzlich unter Mythosverdacht.

Sein etwas diffuser Begriff des Mythischen erlaubt es Wainer dabei, weitreichende Annahmen auf die Leserschaft zu projizieren, die sich Monat für Monat nach Gotham versetzt. Während Batman das Chaos in Form des Joker bekämpfen kann, konfrontiere uns das reale »modern life« mit unübersehbarem »social chaos« (73). Wainer führt die üblichen Verdächtigen reaktionärer Panik an: »car-jackings, serial killings, physical and sexual abuse, and more recently, terrorist bombings of public places« (ebd.). Obwohl der Autor politische Lesarten ablehnt, integriert Soul of the Dark Knight den Superhelden damit in eine politische Narration: Batmans Vigilantismus spiegelt die Wünsche der überforderten Leserschaft nach Recht und Ordnung wider und stemmt sich einer entfesselten Moderne entgegen. Dass diese Funktion eine unhinterfragte Prämisse bleibt, tritt umso mehr hervor, wenn sie den Autor zu einfach gestrickten Analogien verleitet. Der Kampf gegen das Verbrechen steht für den Kampf gegen das Verbrechen – für diese tautologische Erkenntnis wären das Referat verschiedener Mythoskonzepte, der Abriss der Publikationsgeschichte und die abschließende Adaptionstheorie nicht notwendig gewesen.

Für Roland Barthes hat der Mythos – auch derjenige des Superhelden – eine ideologische Funktion:

Er beseitigt die Komplexität der menschlichen Handlungen, verleiht ihnen die Einfachheit der Wesenheiten, unterdrückt jede Dialektik […]; er organisiert eine Welt ohne Widersprüche, weil ohne Tiefe. (Barthes, 296)

Für Wainer ist es umgekehrt. Gerade der Mythos sei es, der einer verflachten modernen Kultur ihre verlorene Tiefe zurückgebe: »A debased culture devalues its ties to traditional cultural roots« (170). Der Superheld stellt verlorenen Sinn wieder her: Um diesen hehren Anspruch zu erfüllen, muss jede Batman-Darstellung auf Höheres verweisen, auf grundlegende Bedürfnisse nach sozialer Ordnung und zeitlosen Werten: »The mythopoetic expresses that which transcends the prosaic or materialistic« (81). Es fällt schwer, Wainer in diese äußerst vagen transzendenten Sphären zu folgen, zumal die Analyse des Bat-Mythos im dritten Kapitel dem eigenen Anspruch nicht gerecht wird. Ein exemplarischer Argumentationsgang: Die namensgebende Fledermausverkleidung Bruce Waynes gilt Wainer als Anzeichen eines liminalen »state of conflicting categories« (58) mit Anleihen an klassische und christliche Mythen. Liminalität müsse, folgert Wainer, ein mythisches Charakteristikum sein, nach dem sich die Leserschaft sehne. Die Unbestimmtheit dieser Assoziationen steht in Kontrast zu dem Pathos, mit dem uns Wainer versichert, dass sie Ausdruck universeller Bedürfnisse – »thin shadows of mythic substance« (172) – seien.

Die titelgebende Suche nach der Seele des Dunklen Ritters führt der Autor in der zweiten Hälfte anhand der vielfältigen medialen Inkarnationen Batmans fort. Wainers Urteil ist deutlich: Film und Fernsehen werden dem Superhelden-Mythos nicht gerecht. Die Adaptionen scheitern an ihrer Spezifik, denn im Gegensatz zum abstrahierten Cartoon-Zeichen geben ›fotografische Bilder‹ die »generalized nature of his fight against crime« (140) nicht angemessen wieder. Die anfangs aufgeführten Kategorien des Batman-Mythos (etwa Dualität, Liminalität und Maskierung) tauchen kaum mehr auf. Stattdessen versucht Wainer, ein basales Medienmodell zu plausibilisieren: Comics seien geeignet, Mythisches darzustellen, da sie durch Abstraktion und closure die Vorstellungskraft der Betrachter_in erforderten. Der Realismus, den Wainer dem Film qua Medium zuspricht, sei dem Mythischen dagegen abträglich – die Darstellung elfischer Mythenfiguren im Lord of the Rings samt spitzer Plastikohren würde Tolkiens Mythopoetik gänzlich verfehlen. Diesem Kontrast zwischen filmischer Detailfülle und mythischer Abstraktion geht Wainer in unstrukturierten Zusammenfassungen einzelner Adaptionen nach. Während Comics mythisches Heldentum glaubwürdig erscheinen lassen, komme die Filmzuschauer_in laut Wainer nicht über die Gummitextur der jeweiligen Bat-Kostümierungen hinweg. Mythisch ist das alles nicht, wenn man diesem schematischem Medienvergleich folgt. Einzig Christopher Nolans Batman-Trilogie findet als »[r]ationalized Myth« (144) seine Zustimmung. Mit den realistischen Mitteln des Films gelinge es dort, ein Äquivalent zu der mythischen Symbolik des Cartoon-Zeichens zu schaffen. Bales grimmiger Batman sei plausibel und könne die Zuschauer_innen wie auch die Bewohner_innen Gothams von Recht und Ordnung überzeugen: Mythen, versichert uns Wainer, sind eine ernsthafte Angelegenheit.

Die besondere Mythosaffinität sequenzieller Bilder versucht Wainer in seinem Schlusskapitel zu systematisieren. Soweit er das Mythische als formalen Effekt statt als apodiktische Behauptung greifbar macht, ist dieser Ansatz der vielversprechendste des Bandes. Um das mythopoetische Potenzial des Mediums zu belegen, greift Wainer auf Scott McClouds Analyseinventar aus Understanding Comics (1993) zurück. Für den Autor ist McClouds Werk das letzte Wort zum Comic – neuere Theorien bleiben weitgehend unberücksichtigt. Hauptsächlich bezieht sich Wainer auf McClouds Skala der ikonischen Abstraktion, die von realistischer Darstellung bis zur abstrahierten Cartoon-Zeichnung reicht. Je ikonisch abstrakter die Figur, so Wainers Lesart McClouds, desto mythischer wirke die Darstellung Batmans. Diese Skala wird mit Northrop Fryes Anatomy of Criticism kombiniert, mittels derer Narrationen auf einer Skala angeordnet werden können, die von Naturalismus bis Mythos reicht. Wainer kombiniert diese beiden Modelle zu einer »Scale of Mythic Design« (165), deren diagrammatische Einordnung verschiedener Batman-Versionen wissenschaftliche Präzision suggerieren soll. Für die Einzelanalysen erweist sich die Skala allerdings als wenig hilfreich – vielfach werden die Eigenschaften, die McCloud dem Cartoon zuschreibt, schlicht mit dem Mythischen gleichgesetzt: »loss of such detail ›makes room‹ for the reader to impute cued meaning for that icon« (116). Dem »cued meaning« sind bei Wainer enge Grenzen gesetzt: die als homogen dargestellte Leserschaft – »young males« – sieht in dem abstrahierten Batman-Gesicht immer wieder dieselben konstanten Eigenschaften: »crime, disorder, injustice, and vengeance« (166). Wainers scale fällt in den Einzelanalysen weit hinter McCloud zurück. Understanding Comics zeigt vielfältige Möglichkeiten auf, Grade ikonischer Abstraktion narrativ zu funktionalisieren; Wainer geht es dagegen nicht um Möglichkeiten der Darstellung, sondern letztlich um die Unterscheidung besserer (weil mythischer) und schlechterer (oder zumindest einseitig narrativer, nichtmythischer) Darstellungen. Ein mittlerer Grad der Abstraktion, wie er in der Animated Series zu finden sei, stellt dabei gemäß Wainers impliziter Poetik die ideale Verbindung von Charakter und Medium dar: Der animierte Batman fängt die archetypische Bat-Substanz ein, die von historischer Variation unberührt bleibt. Für den Autor ist die Seele, der mythische Kern des dunklen Ritters, eine statische Position zwischen Realismus und Abstraktion.

Mythos ist in Wainers Lesart des Bat-Tintenflecks weniger Analysekategorie als Behauptung: Wer nicht ohnehin daran glaubt, dass wir uns in unserer angeblich chaotischen Moderne nach ordnungsstiftendem Sinn sehnen, wird durch Soul of the Dark Knight kaum eines Besseren belehrt. Der unsystematische Text mit seinen Verallgemeinerungen, umständlichen Handlungswiedergaben und zahlreichen Abschweifungen ist kein überzeugendes Plädoyer dafür, sich an der Suche nach mythischer Transzendenz zu beteiligen.

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Bibliografie

  • Barthes, Roland: Mythen des Alltags. Ăśbers. v. Horst BrĂĽhmann. Berlin: Suhrkamp, 2010.
  • Plumpe, Gerhard: Das Interesse am Mythos. Zur gegenwärtigen Konjunktur eines Begriffs. In: Archiv fĂĽr Begriffsgeschichte 20 (1976), S. 236–253.

 

Batman
Matt Yockey
Detroit: Wayne State Univ. Press, 2014
160 S., 19,90 US Dollar
ISBN 978-0-81433-818-6

Fan Phenomena. Batman
Liam Burke
Bristol: Intellect Books, 2013
178 S., 15,50 GBP
ISBN 978-1-78320-017-7

Soul of the Dark Knight
Batman as Mythic Figure in Comics and Film
Alex M. Wainer
Jefferson, N. C.: McFarland, 2014
198 S., 40,00 US Dollar
ISBN 978-0-78647-128-7