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Vielleicht hat der Cyborg sich einfach überlebt

The Transformers: Autocracy, Monstrosity und Primacy rezensiert von Jakob Kibala

Chris Metzen, Flint Dille und Livio Ramondelli handeln in ihrer Transformers-Trilogie politische Probleme durch Kampfroboter aus. Krachend scheitern sie dabei an ihrem eigenen Anspruch. Dies wirft die Frage auf, ob das Roboter-Science-Fiction-Genre noch zur Gesellschaftskritik taugt.

Nach der Absetzung des Autokraten Zeta Prime herrscht Bürgerkrieg auf dem Roboterplaneten Cybertron. Die alten Funktionseliten (›Autobots‹) sehen sich vergeltungswütigen Putschisten (›Decepticons‹) gegenüber. Erst die Machtnahme durch den Polizeioffizier Optimus Prime beruhigt die Lage. Als Träger des religiösen Artefakts ›The Matrix‹ avanciert Optimus zum spirituellen Führer, der im politischen Alltag aber impotent bleibt. Weder löst er die historische Energiekrise, die Cybertron bedroht, noch kann er die fluchtartige Auswanderung bremsen, die die Einheit der Transformers gefährdet. Hinzu kommt, dass die Decepticons weiter die Regierung stürzen wollen. Zuletzt mit Hilfe Trypticons, eines mechanischen Dinosauriers, der wie Godzilla durch die Megacities von Cybertron poltert.

Selten wachsen Transformers: Autocracy, Monstrosity und Primacy über das Science-Fiction-Plagiat hinaus: Cybertrons pseudo-römische Senatspolitik ist den jüngeren star-wars-Filmen entlehnt. Optimus Primes Verwandlung vom Saulus zum Paulus wiederholt die Bekehrung Montags in fahrenheit 451 (1966). Auch die Erweckungserlebnisse von Neo in the matrix (1999) und Paul Atreides in dune (1984) klingen an. Und die politischen Dilemmata, in denen Prime sich findet, erinnern vage an battlestar galactica (2003–09).

Auf die letztgenannte Serie verweist auch der fatalistische Grundton. Metzen, Dille und Ramondelli lassen keinen Raum für Ironie oder auch nur Slapstick, mit dem Michael Bay seine Schweiß-und-Stahl-Orgie transformers (2007) aufzulockern wusste. Die Figuren, die Comics, die kreativen Urheber nehmen sich selbst und ihre Probleme fürchterlich ernst: »[I]f some future PhD candidate wanted to do literary psychic archeology from this piece, it’s fascinating how the trilogy paralleled real life events for Chris and I« (Dille). Das verbissene Skript versucht sich als Parabel auf das zeitgenössische Amerika: »We had talked a lot over the years about the world we live in today and the challenges of developing pop fiction in the post-9/11 world« (Autocracy, 5). Aber Metzen und Dille behandeln ihre Themen nur oberflächlich: Energiekrisen, Bürgerkriege und die Erlösung durch die Matrix haben dieselbe Qualität wie die Bedrohung durch Roboterdinosaurier. Alle Probleme werden auf dieselbe Weise gelöst: durch Prügeleien. Megatron von den Decepticons schlägt Zeta Prime, Metroplex von den Autobots schlägt Trypticon. Nur Optimus Prime heilt, indem er Megatron mit der Matrix von dem Bösen exorziert, das ihn im Laufe der Handlung befallen hat. Allerdings nur, um den am Boden Liegenden dann doch noch in den Staub zu klopfen.

Möglicherweise hat sich die soziopolitische Relevanz der Robotermetapher einfach erschöpft. Noch terminator 2 (1991) zeichnete ein zeitdiagnostisches Bild: Der gestaltwandelnde T-1000 stand für »Krebs, Viren und Würmer, die elektronische Netzwerke und Hochspannungsleitungen ebenso infizieren können wie physische Körper« (Mitchell, 133). Am Anfang des »Zeitalters der biokybernetischen Reproduzierbarkeit« (ebd. 195) drückte der T-1000 eine »Panik vor dem unkontrollierten Wachstum von Strukturen« (ebd.) aus. Andere erkannten im Terminator ein utopisches Potential (vgl. Haraway, XIV): Er ist das super-angepasste Individuum, das Gendergrenzen (vgl. Goldberg, 244f.) und ethnische Zuschreibung überwindet. Dabei ist er sich immer selbst genug: »The Terminator is the self-sufficient, self-generated Tool in all its infinite but self-identical variations« (Haraway, XV). So gesehen ist der Cyborg Projektionsfläche für die Sehnsüchte marginalisierter Gruppen.

Auch die Transformers sind super-angepasst, aber nicht im metaphorischen Sinne. Kein anderes Franchise der Roboter-Science-Fiction entfaltet dieselbe ausdauernde Präsenz, als Spielzeug freilich mehr als in Comicform. Andere Film- und Fernsehserien, vielleicht der Cyborg-Topos als Ganzes, sind hingegen beliebig geworden. terminator genysis (2015) versuchte im Sommer einen zweiten ›Reboot‹, nachdem schon terminator salavation (2009) nicht begeistern wollte. Kurzzeitig machte battlestar galactica den Cyborg noch einmal fruchtbar: Äußerlich sehen die Roboter hier wie Menschen aus. Sie sind religiöse Fundamentalisten, die die Menschheit unterwandern. Darin symbolisieren sie die Angst vor einer unsichtbaren, islamistischen Gefahr, die westliche Gesellschaften seit 9/11 kultivieren. Die Fortsetzung wiederum, caprica (2009f.), ermüdete ihr Publikum mit Klischees.

Vielleicht tut man den Transformers durch allzu kritische, durch vergleichende Lektüre gar, unrecht. Bleiben die Comics nicht immer bloß Werbebroschüren für die Spielzeuglinie oder den umsatzstärkeren Film? Man muss dies nicht zwangsläufig negativ sehen. An die Stelle der Cyborgs treten heute zunehmend authentische Figuren, deren utopisches Potential sich direkt auf das Leben beziehen lässt. Beispielsweise Jeffrey Tambors transsexueller Familienvater Mort in transparent (2014), der eine bessere Identifikationsfigur darstellt, als Roboter es könnten. Der Terminator, die Cylonen und Transformers haben ihre Schuldigkeit getan. Vielleicht hat die Cyborg-Utopie sich erfüllt, und die Roboter sind frei, neu erfunden zu werden. Den Weg könnten hier selbstironische Arbeiten weisen, wie Jeffey Browns Incredible Change-Bots (2007) und Tom Scioli und John Barbers Transformers vs. G. I. Joe (2015).

Nicht nur inhaltlich, auch formal bleiben Autocracy, Monstrosity und Primacy unbefriedigend. Zwar setzen Ramondellis impressionistische Digital Paintings sich wohltuend von der penetranten Detaillierung von Videospiel-Illustrationen ab. Das Zusammenspiel von pastosen und transparenten Farben, die dramatische Lichtführung, simulierte Verwischungen, Materialverschleiß anzeigende Texturen relativieren den Spielzeugcharakter der Transformers. Erzählerisch bleibt Ramondelli jedoch unbeholfen: Seine Actionszenen sind unübersichtlich, das Geschehen ist häufig nicht nachvollziehbar. Er ist auch nicht im Stande, die für Transformers obligatorischen Verwandlungen in Fahrzeuge plausibel darzustellen.

Der Aufwand, den Leser_innen treiben, um die Action zu entziffern, steht im krassen Missverhältnis zum Ertrag des Skripts. Erst im Laufe der Serie wächst Ramondelli über sich selbst hinaus: Monstrosity reduziert sensationalistische Effekte zugunsten einer flacheren, eindeutigeren Farbgebung. In Primacy kommt auch die Linienzeichnung dauerhaft in die Bilder zurück; die Figuren und ihre Handlungen gewinnen kurzfristig an Kontur. Aber im Ganzen sind Metzen, Dille und Ramondelli den »challenges of developing pop fiction in the post-9/11 world« nicht gewachsen.

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Bibliografie

  • Dille, Flint: Dille Completes Transformers Leader’s Origins With Primacy Finale. Interview mit Karl Keily. In: Comic Book Resources <http://www.comicbookresources.com/?page=article&id=57193>. 19.11 .2014. Letzter Zugriff am 05.06.2015.
  • Goldberg, Jonathan: Recalling Totalities. The Mirrored Stages of Arnold Schwarzenegger. In: The Cyborg Handbook. Hg. v. Chris Hables Gray, Heidi J. Figueroa-Sarriera u. Steven Mentor. New York u. London: Routledge, 1995, S. 233–254.
  • Haraway, Donna J.: Cyborgs and Symbionts. Living Together in the New World Order. In: The Cyborg Handbook. Hg. v. Chris Hables Gray, Heidi J. Figueroa-Sarriera u. Steven Mentor. New York u. London: Routledge, 1995, S. xi–xx.
  • Mitchell, W. J. T.: Das Leben der Bilder. Eine Theorie der visuellen Kultur. München: Beck, 2008.

 

The Transformers: Autocracy
Chris Metzen (W), Flint Dille (W) u. Livio Ramondelli (I)
San Diego, CA: IDW, 2012
120 S., 19,99 US Dollar
ISBN 978-1-61377-290-4

The Transformers: Monstrosity
Chris Metzen (W), Flint Dille (W) u. Livio Ramondelli (I)
San Diego, CA: IDW, 2013
112 S., 19,99 US Dollar
ISBN 978-1-61377-750-3

The Transformers: Primacy
Chris Metzen (W), Flint Dille (W) u. Livio Ramondelli (I)
San Diego, CA: IDW, 2015
104 S., 17,99 US Dollar
ISBN 978-1-63140-234-0