Krankheit, Tod und Sterblichkeit: Die ›arthrologische‹ Gestaltung von Nacht-Zeiten in Drama, Lyrik und Comic am Beispiel von Sarah Kane, Philip Larkin und David Small
Anne Rüggemeier (Freiburg)
Am Anfang dieses Aufsatzes stand die Frage, inwieweit die oft tiefgreifenden psychischen und körperlichen Umbrüche und Veränderungen, die mit Krankheitserfahrungen verbunden sind, sich auf die subjektive Zeitwahrnehmung auswirken und wie entsprechende Zeitwahrnehmungen vor dem Hintergrund von Krankheitserfahrungen in Texten und Bildern ästhetisch zum Ausdruck gebracht werden. Dabei verlagerte sich der Schwerpunkt des Interesses im Besonderen auf die Frage, welche Rolle angesichts der Krankheit die Gegensätze von Tag und Nacht spielen – wo doch oft beide Tageszeiten in Krankheit recht ähnlich verbracht werden, nämlich mit Bettruhe und einem Rückzug aus der geschäftigen Sphäre des Alltags. Wie beeinflusst die Nacht als Schauplatz und Zustand (Dunkelheit) das jeweilige Erleben von Krankheit und Zeitlichkeit? Welche Ästhetisierungstechniken werden bei der Darstellung dieser Schnittstelle (Kranksein/Nacht) wirksam? Krankheit und Schmerzen halten sich nicht an den Rhythmus von Geschäftigkeit und Pause, Lärm und Ruhe oder aber Licht und Dunkelheit, wie sie der gewöhnliche Tag-Nacht-Rhythmus vorgibt: in der Klinik geht niemals das Licht aus,1 der Schichtdienst sorgt für Stetigkeit und eine nie endende Kontinuität von Routine und Akutversorgung. Auch im privaten Raum werden angesichts von Schmerzen, Fieber und Todesängsten sowohl von Erkrankten als auch von Pflegenden Nächte durchwacht.
Die Klinik sowie das Krankenzimmer repräsentieren typische Heterotopien (vgl. Foucault) einen sogenannten »anderen Ort«, der zugleich mitten in und doch auch außerhalb der Gesellschaft existieren. In ihrer Kulturgeschichte der Nacht mit dem Titel Tiefer als der Tag gedacht (2008) bezeichnet Elisabeth Bronfen auch literarische Nachtszenen als »Heterotopien par excellence« (174). Nächte wie auch Krankenhäuser stellen Schauplätze dar, die gleichzeitig Teil des alltäglichen Lebens sind und doch auch außerhalb davon stehen. Sie werden von je eigenen Rhythmen, Notwendigkeiten und auch Möglichkeiten bestimmt. Krankheitszeiten wie auch Nächte können einen Raum eröffnen, in dem wir isoliert von den Ansprüchen, den Regeln und den Ordnungen des Tages Freiräume für anderes Denken und Handeln erleben. Dabei wohnt diesen Heterotopien eine große Ambivalenz inne: Die Nacht steht für Bedrohung und doch auch für Schutz (im Deckmantel der Nacht traut man sich Dinge, die bei Tag unmöglich scheinen), für undurchdringbare Finsternis und doch auch für Offenbarung. Durchwachte Nächte konfrontieren uns mit tagsüber verdrängten Ängsten und lassen doch zugleich auch Lösungen und Möglichkeiten hervortreten, die am Tag nicht erkannt werden konnten. Bronfen fasst das Verwandlungspotenzial, das von durchwachten Nächten ausgeht, zusammen, wenn sie schreibt: »Nächtliche Schauplätze mit all den Gefühlen, Wünschen und Vorstellungen, die sie auslösen, den Handlungen, die sie ermöglichen, den Erkenntnissen, die sie hervorrufen, werden als Orte einer Passage und eines Umschlags verstanden« (176). Ähnlich ist es mit Krankheitszeiten. Gekennzeichnet als Zeiten der Krisis, der Kippstelle zwischen Leben und Tod, aber ebenso als Zeit der Läuterung oder der (unfreiwilligen) Auszeit, die mit lebensverändernden Umstellungen einhergehen können, stellen auch Krankheiten nicht selten eine Passage oder einen Umschlag dar: sie verändern die Ausrichtung, die Sicht auf die Welt, auf andere und auf sich selbst.
Schließlich erweist sich eine Konzentration auf die Nachtszenen in Krankheitszeiten als besonders spannend, weil innerhalb der künstlerischen Gestaltung von Nachtszenen das ästhetische Verfahren selbst immer wieder in den Fokus rückt. Nicht zuletzt deshalb wende ich mich in dem folgenden Beitrag mit Philip Larkins Gedicht Aubade, Sarah Kanes Drama 4.48 Psychosis und David Smalls Comic Stitches unterschiedlichen Gattungen und Medien zu und frage nach deren jeweiliger Ästhetisierung der Nacht vor dem Hintergrund der Auseinandersetzung mit Krankheit, Tod und Sterblichkeit.
Literarische Nachtszenen verhandeln unweigerlich das Verhältnis von Licht und Finsternis und damit einhergehend den genuin schöpferischen Akt der Formgebung. Formlose Finsternis ist auch im biblischen Schöpfungsmythos Ausgangspunkt des kreativen Akts, der Gestaltgebung. Bei dieser Formgebung der ursprünglichen Formlosigkeit nehmen Licht und Finsternis eine entscheidende Rolle ein: »in einem alltäglich wiederkehrenden Wechselspiel von Tag und Nacht, Licht und Schatten, Werden und Vergehen« nimmt die Schöpfung Gestalt an (Bronfen, 37). Wie die folgenden Analysen zeigen, wird die Unterscheidbarkeit von Form und Formlosigkeit, hell und dunkel, Tag und Nacht in den künstlerisch-literarischen Nachtszenen stets mitverhandelt und neuverhandelt. Bemerkenswert ist, dass alle drei Texte weniger einer narrativ-kausalen Verknüpfungslogik folgen, sondern – auf je andere gattungs- und medienspezifische Art und Weise – auf bewusst platzierte Worte, (Sprach-)Bilder oder Panels setzen, die nur schlaglichtartig bedeutungsstiftende Verbindungen andeuten. Diese Ästhetik, die auf das Einzelelement anstatt auf das kontinuierliche Ganze setzt, greift insofern den Schauplatz des Nächtlichen auf, als dass im Gegensatz zum vollausgeleuchteten Tag die jeweils vom nächtlichen Licht beleuchteten Gegenstände auch nur unvollständig gesehen werden. Es liegt schließlich bei den Leser_innen bzw. beim Publikum sich innerhalb dieser nur fragmentarisch ausgeleuchteten Welt zurechtzufinden und die beleuchteten Einzelelemente miteinander in Verbindung zu bringen.
In der Comicforschung gibt es einen spezifischen Begriff für das bedeutungsstiftende Verbinden und Verflechten von Zeichen: arthrology. Thierry Groensteen leitet den Begriff in seinem grundlegenden Werk Système de la bande dessinée von dem altgriechischen Wort arthron (= Artikulation) ab. Er will durch den Neologismus Aufmerksamkeit auf das relationale Gefüge, also die Verbindungen und Verweisungsstrukturen zwischen den Einzelpanels lenken und diese benennbar machen. Im Vorwort der englischsprachigen Übersetzung erläutern die Herausgeber: »It [arthrology] deals with the study of relations between panels, […] the way panels (more specifically the images in the panels) can be linked […] through non-narrative correspondences, be it iconic or other means« (Beaty/Nguyen, viii–ix). Tatsächlich bedeutet arthrology nicht nur Artikulation, sondern ebenso ›Gelenk‹.2 Arthrology ist demnach die Erkundung von Gelenkstellen. Groensteen formuliert, dass gerade im Hinblick auf den von Diskontinuität (gutters vs. panels) gekennzeichneten Comic die arthrology in besonderer Weise virulent wird: »Comics is not only an art of fragments, of scattering, of distribution; it is also an art of conjunction, of repetition, of linking together« (Groensteen, 22).
Spätestens seit Roman Jakobson gelten auch innerhalb der Literaturwissenschaft die formalen Bezüge oder Verbindungen, die in literarischen Kunstwerken etwa über Reime, Motivwiederholungen und -variationen zwischen einzelnen Zeichenelementen hergestellt werden (können), als typisches Merkmal poetischer Sprache. Es stellt sich die Frage, inwieweit Groensteens arthrology sowohl als Prinzip der künstlerischen Gestaltung als auch als Strategie der kritischen Rezeption für literarische Gattungen fruchtbar gemacht werden kann und eventuell als konzeptueller Begriff dahingehend hilfreich sein kann, als dass die einerseits recht technische, andererseits aber auch recht metaphorische Analysefigur dazu dienen könnte, künstlerische und kritische Produktions- und Deutungsprozesse auf einer transmedialen Grundlage zu reflektieren. Nach der nun anschließenden Analyse und Interpretation der Nacht-Texte von Sarah Kane, Philip Larkin und David Small soll in einem abschließenden Resümee auf diese Ausgangsfragen erneut eingegangen werden.
Sarah Kanes 4.48 Psychosis und die Erkundung von Dämmerungszonen jenseits der konturierten Gegensätze von Tag und Nacht, Ich und Nicht-Ich, Wirklichkeit und Einbildung
Das Drama 4.48 Psychosis von Sarah Kane trägt einen ungewöhnlichen Titel, der sich möglicherweise darauf bezieht, dass Kane während einer depressiv-psychotischen Episode regelmäßig um 4.48 Uhr erwachte und diesen Zeitpunkt als einen Moment großer Klarheit erlebte, in dem die Verwirrungen der Psychose (oder die Verwirrung durch die gegen die Psychose eingesetzten Psychopharmaka) sich zu verflüchtigen schienen. In diesem Sinne spricht der Text lakonisch von »the happy hour / when clarity visits« (Kane, 40). 4.48 Psychosis war Kanes letztes Werk; es wurde im Juni 2000, fast eineinhalb Jahre nach Sarah Kanes Selbstmord am 20. Februar 1999, im Londoner Royal Court Jerwood Theatre Upstairs uraufgeführt.
Der stark verdichtete literarische Text mit seiner Flut von Bildern und Assoziationen erzählt von der Anstrengung und Qual, zu der das Überleben für einen psychisch erkrankten Menschen werden kann; zugleich thematisiert er die Angst vor der eigenen Selbstauflösung. Da die junge Dramatikerin selbst an einer psychotischen Störung litt, wurde der Text zunächst vor allem autobiografisch gelesen und das Manuskript mehr oder weniger als Abschiedsbrief interpretiert. So fragt Michael Billington im Guardian: »Was this even a play? How on earth do you award aesthetic points to a 75-minute suicide note?« Den dramatischen Text jedoch lediglich mit Blick auf die Lebens-, Krankheits- oder Sterbegeschichte seiner Verfasserin zu rezipieren, greift zu kurz, denn 4.48 Psychosis steht in engem Zusammenhang mit den Themen und formalen Experimenten früherer Werke der Autorin. Kane selbst erklärte während ihrer Arbeit an diesem Stück im November 1998:
I am writing a play that is called 4.48 Psychosis. […] It’s about a psychotic breakdown and what happens to a person’s mind when the barriers which distinguish between reality and different forms of imagination completely disappear, that you no longer know the difference between your waking life and your dream life. And also you no longer know where you stop and the world starts. So, for example, if I were psychotic I would literally not know the difference between myself, this table and […] the person sitting next to [me].They would all somehow be part of a continuum, and various boundaries begin to collapse. Formally, I am trying to collapse a few boundaries as well; to carry on with making form and content one. (Kane, zitiert nach Saunders, 111)
Die Art und Weise, in der Kane die Metapher des breakdown, des psychotischen Zusammenbruchs, aufnimmt, um anzudeuten, wie sie die gewohnten Formate des Theaters (Schauplatz, Zeiträume und identifizierbare Charaktere) künstlerisch kollabieren lässt und bis zur Unkenntlichkeit verändert (›to collapse‹ = kollabieren, zusammensinken), verdeutlicht, dass der geschilderte psychotische breakdown nicht nur eine pathologische Wahrnehmungs-Störung darstellt, sondern darüber hinaus ästhetische Fragen nach dem Wesen der Wirklichkeit und ihrer künstlerischen Repräsentation aufwirft.3 Ellen W. Kaplan beschreibt das Krankheitsbild folgendermaßen:
Psychosis is thought disorder, characterized by hallucinations, disorganized speech and delusional thinking, all of which contribute to a feeling of gross sensory overload. […] Individuals have described dissolution of the bonds that constitute identity, including feelings of dislocation and dissociation from the body and a blurring of the boundary between inner life and external reality. (Kaplan, 120)
Das Fehlen von Klarheit und (Trenn-)Schärfe, das es erlauben würde, etwa das Selbst vom Anderen oder auch nur von der Umgebung (»You no longer know where you stop and the world starts […]«; »Where do I start? / Where do I stop?«; Kane, 24) abzugrenzen sowie Realität und Traum mit Gewissheit zu unterscheiden, prägt dabei nicht nur das Krankheitsbild der Psychose, sondern all diese Phänomene werden auch für das Drama 4.48 Psychosis zum ästhetischen Programm.
4.48 Psychosis ist ein komplexer, verstörender, vielschichtiger Text, der eher als ein langes Gedicht denn als ein traditionelles Theaterstück erscheint.4 Das gesamte Textkorpus besteht u. a. aus inneren Monologen bzw. Dialogen ohne identifizierbare Dialogpartner, fallberichtartigen medizinischen Notizen (»Lofepramine and Citalopram discontinued after patient got pissed off with side effects and lack of obvious improvement«; Kane, 22) und Zahlenreihen. Im Februar 1998 kommentiert Kane ihr Stück in einem Interview mit Nils Tabert: »[…] this has become so minimal and so much about language. At the moment it doesn’t have characters, all there is are language and images. But all the images are within language rather than visualized. I don’t even know how many people there are …«.5 Das Zitat verdeutlicht, dass Kanes Dramentext lineare Handlungsstrukturen zugunsten des Augenblicks und der Suggestion eines Gegenwartsmoments, wie er über die sprachliche Evokation von Bildern, Metaphern oder Klängen vermittelt werden kann, hinter sich lässt. Diese Abwendung von linearen und kausalen Zusammenhängen kann zwar als künstlerisch motivierte Hinwendung zum Experimentellen und zum Postdramatischen interpretiert werden, sie hat aber zugleich einen spezifischen referentiellen Krankheitsbezug.
Im Zentrum von Kanes Stück entfaltet sich nicht etwa ein Handlungsablauf, vielmehr richtet sich die gesamte Aufmerksamkeit auf einen Zeitpunkt: Die Uhrzeit 4.48 steht in Kanes Text für ein Erahnen der Dämmerung. Die Nacht – oder die frühen Morgenstunden – werden hier zur Metapher für den Kampf zwischen Dunkelheit und Klarheit. Die Dämmerung ist ein Zustand des Halbsehens, gekennzeichnet durch sich nur allmählich abzeichnende Konturen. Zugleich steht 4.48 bei Kane für den Moment, in dem die Medikation nachlässt, der Verstand einen Moment der Klarheit erlebt (»An instant of clarity before eternal light«; Kane, 4). Aber das, was durch das heller werdende Licht Gestalt annimmt, ist ein sehr diffuser Zustand, der letztlich in der Auflösung, dem Verschwinden der Protagonistin mündet: »Watch me vanish« (Kane, 42) ist eine der letzten Zeilen des Dramentexts. Kurz danach sind wir konfrontiert mit der weißen Leere einer halben Textseite, dann folgt der letzte Satz: »please open the curtain« (Kane, 43). Natürlich nimmt dieser Satz auf das Theater Bezug: als finge die Vorstellung an, anstatt hier beendet zu sein; zugleich aber ist das Öffnen der Vorhänge eine typische und routinierte Geste, um den neuen Tag zu beginnen. Letztlich hallt darin auch die Tradition nach, ein Fenster im Totenzimmer zu öffnen, damit die Seele des verstorbenen Menschen entweichen kann (Feckl). Das Begrüßen des Morgens und die ›Verabschiedung‹ der Seele eines toten Menschen steht für eine Schwellensituation, die einerseits Verlust (Unausgeschlafene beklagen das Ende der Nacht), andererseits aber auch Befreiung und Erlösung von zermürbenden Gedanken und Schmerzen bedeuten kann.
Während das Ende des Dramentexts den Anfang einer Theateraufführung – das Öffnen des Vorhangs – evoziert, zeichnet sich der Beginn des Kunstwerks gerade dadurch aus, dass es keinen klaren Anfang im Sinne des Gestus einer Vorhangöffnung gibt. Das Stück beginnt mit »(A very long silence)« (Kane, 3). Doch beginnt das Stück überhaupt, solange es einfach nur still ist? In Bezug auf die Temporalität des Dramas bedeutet eine »long silence« am Anfang auch, dass wir uns von Anfang an in unbestimmten Zeiträumen verlieren.6 Dieser Eindruck steht in eklatantem Gegensatz dazu, dass das Stück einen sehr präzisen Zeitpunkt im Titel trägt. Die Erfahrung des Zusammenbruchs von klar definierten und konturierten temporalen Orientierungspunkten beginnt also bereits mit der ersten Zeile des Dramentextes, in der wir die Klarheit darüber verlieren, ob dieses Stück bereits begonnen hat oder ob wir noch darauf warten, dass es beginnt7 nbsp; Ähnlich verhält es sich mit dem Beginn des neuen Tages – einem Augenblick, der sich täglich verschiebt und dessen Definition wesentlich davon abhängt, wo man sich auf dieser Erde befindet. Zudem beginnt die Dämmerung als Vorbote des neuen Tages, bevor die Sonne tatsächlich aufgeht. Kanes Pausen (und davon gibt es viele in 4.48) sind also Repräsentanten des Unbestimmbaren und des Zwischenraums zwischen klar konturierten Größen, Zuständen und Äußerungen.
Die ständig wiederkehrenden ›silences‹ unbestimmter Länge, die das Stück durchziehen, bewirken darüber hinaus, dass niemand weiß, wie lange die Aufführung dauern wird. Als das Stück 2017 in Hamburg aufgeführt wurde, betrug die Spieldauer eine Stunde, andere Aufführungen dauerten teils dreimal so lange. Grund dafür ist nicht zuletzt die Offenheit bzw. Uneindeutigkeit vieler Passagen im Hinblick darauf, ob Sprecherpassagen sukzessiv, also nacheinander, oder aber simultan, also gleichzeitig gesprochen werden. Kanes eigenwilliges Textarrangement sowie das Seitenlayout lassen diese Frage offen beziehungsweise überlassen die Interpretation den Leser_innen und den Dramaturg_innen: je nachdem, ob der Dramentext von einer Stimme als Monolog artikuliert wird, oder aber viele unterschiedliche Sprecher und Stimmen gleichzeitig erklingen und einander überlagern, kann es zu Zeitraffungen oder aber Zeitdehnungen kommen. All dies erinnert an die Temporalität der Nacht, denn ohne einen klärenden Blick auf die Uhr bietet auch die Nacht oft wenige Anhaltspunkte, die uns eine zeitliche Orientierung geben würden. Ohne Geschehnisse, Rhythmen und Laute erscheint sie als zeitloser Raum.
Diese temporalen Belange sind unmittelbar mit der Frage nach der vorgestellten Subjektivität der Sprecherinstanz verbunden, die gleich zu Anfang verlauten lässt: »After 4.48 I shall not speak again« (Kane, 11). Es gibt zwei Möglichkeiten diesen Satz zu verstehen: Entweder wird das ›Ich‹ nicht mehr sprechen, oder aber es gibt einfach kein Ich (›I‹) mehr. Es zerfällt in »a myriad of unidentified and unnumbered voices« (Saunders, 111). Dem entspricht, dass wir keinen Hinweis auf die Anzahl der Schauspieler_innen haben, die für die Aufführung notwendig wären. Tatsächlich wurde das Stück in vielerlei Versionen aufgeführt: manchmal mit nur einer Schauspieler_in, die jede Zeile spricht (wie ein endloser Monolog), manchmal mit verschiedenen Sprecher_innen – wie eine Symphonie, die die inneren Stimmen orchestriert.
Eine Aufführungspraxis, die die Sprechanteile auf verschiedene Schauspieler_innen verteilt und damit eine Rede-Simultaneität erlaubt, kann in besonderer Weise die Verwirrung und die mentale Überforderung ausdrücken, die das unter Psychose leidende Subjekt erlebt. In ausgewählten Passagen deutet das Layout bereits gezielt auf die Gleichzeitigkeit der Stimmen hin, wie etwa in der folgenden Sequenz, die einen ›gespaltenen‹ bzw. doppelten Text einführt.
I’m dying for one who doesn’t care
I’m dying for one who doesn’t know
You’re breaking me
Speak
Speak
Speak
ten yard ring of failure
look away from me
My final stand
No one speaks
Validate me
Witness me
See me
Love me (Kane, 24)
Die Parallelität der zwei Textstränge könnte einen Dialog evozieren, aber die Inhalte des jeweils Gesagten beziehen sich nicht aufeinander. So wird die zeitlich lineare Abfolge der Figurenrede außer Kraft gesetzt. Sprechvorgänge können keinen sie hervorbringenden Sprecher_innen mehr zugewiesen werden. Stattdessen entsteht eine »Sprachfläche« (Lehmann, 14).
Kanes 4.48 Psychosis ist immer wieder als Paradebeispiel für das postdramatische Theater angeführt worden, bei dem es nach Lehmann nicht darum geht, eine Handlung, sondern vielmehr Zustände darzustellen. Krank-Sein und In-der-Nacht-Sein sind vor allem Zustände. Folglich rückt statt zeitlicher Abfolgen der präsentische Moment in den Fokus. Das bedeutet, dass wir als Leser_innen oder Zuschauer_innen vollständig in der Gegenwart der Wahrnehmung der Stimme verankert sind. Selbst dieser gegenwärtige Moment aber entgleitet uns, da wir keine Koordinaten haben, die uns Orientierungspunkte bieten: keine Charaktere, keine zeitlichen Ordnungen, keinen Schauplatz – zumindest nicht außerhalb der bizarren »mind-spaces« (Pankratz, 156), innerhalb derer sich die Stimmen orchestrieren. Die einzige temporale Bezugsgröße ist der bevorstehende neue Morgen. Wir erwarten das Zunehmen des Lichts, das Anbrechen des Tages und – mit dessen Eintreten – den Suizid. Zumindest vernehmen wir eine Stimme, die diesen Erwartungsbogen spannt:
At 4.48
When desperation visits
I shall hang myself
To the sound of my lover’s breathing (Kane, 5)
[…]
The morning brings defeat (Kane, 29)
Die ständige Spannung zwischen Vergänglichkeit – dem Schwinden der Zeit im beständigen Zugehen auf den Tod bringenden Morgen – und dem präsentischen Sein im gegenwärtigen Moment drückt letztlich die Unmöglichkeit aus, Körper und Geist zu verbinden: »I cannot touch my essential self« (Kane, 27). Zur Vergegenwärtigung der eigenen Präsenz im Augenblick wird als letztes Mittel der Schmerz gewählt (»cut your arm: feels fucking amazing«; Kane, 15; »beautiful pain / that says I exist«; Kane, 30). Aber der alles beherrschende Eindruck bleibt: alles vergeht, alles löst sich auf, alles ist vergänglich:
Everything passes
Everything perishes
Everything palls (Kane, 19)
In der Nacht, um 4.48 Uhr, scheint es, dass die Formen, in denen wir zu denken gewohnt sind (Zeit, Ort, Subjekte), gar nicht existieren. Dieser Gedanke ist jedoch schwer auszuhalten und noch schwerer zu Ende zu denken und bringt uns als Leser_in und als Publikum selbst zumindest in die Nähe der Erfahrung der Psychose:
Irrational
irreducible
irredeemable
unrecognisable
Derailed
deranged
deform
free form (Kane, 20–21)
Kanes formale Experimente vermitteln uns auf der Textebene, was die Psychose mit dem Geist tut: Wir erleben ein ständiges sich Auflösen der Realität, während sie gerade dabei ist, sich zu formieren und in Erscheinung zu treten. Diese doppelte und widersprüchliche Realität, dass etwas da ist, was zugleich nicht da ist, etwa Form oder Gegenwart, wird in Kanes Drama wesentlich vermittelt durch die Bilder und Assoziationen, die mit dem nächtlichen Schauplatz einhergehen. Zwischen tiefster Nacht und Morgendämmerung, um 4.48 Uhr, auf der Schwelle zwischen der Nacht und dem sich ankündigenden Tag, verschwimmen deutliche Konturen und Abgrenzungen, es kommt zu einer »Verwischung der Übergänge zwischen Wirklichkeit und Einbildung« (Bronfen, 169), die dem Krankheitsbild der Protagonistin seltsam entspricht. Weil somit der Schauplatz des Nächtlichen mit seinen verschwommenen Konturen mit dem Selbstgefühl und der Umgebungswahrnehmung der Protagonistin korrespondiert, kann sie ihre Selbst- und Weltwahrnehmung mit den klar konturierten und begrenzten Einheiten, Größen und Grenzen des Tages nicht in Einklang bringen. Während ihre Aussagen zu Form und Formlosigkeit auf der nächtlichen Bühne geradezu wie Offenbarungen oder Erleuchtungen wirken, zerfallen sie im Lichte des neuen Tages zu schrillen Halluzinationen. Während die Nacht mühelos wieder in den Tag übergeht, bleibt die Protagonistin ›um-nachtet‹ und entscheidet sich, dem Tag für immer zu entfliehen.
Philip Larkins Aubade: Nächtliche Erkenntnisse eines Schlaflosen zur unausweislichen Gewissheit des Todes
Philip Larkins Gedicht Aubade (1977) ist wohl eines der meist zitierten Gedichte des Bibliothekars aus Hull, der als »saddest heart in the postwar supermarket« (Homberger, 75) in die Geschichte der britischen Nachkriegslyrik einging. Eine Aubade ist ursprünglich ein Morgenlied von Liebenden, die das nahe Ende der Liebesnacht beklagen, während die Morgendämmerung allmählich anbricht. Bekannte Beispiele in der englischen Literatur finden sich in Shakespeares Romeo and Juliet und ebenso in John Donnes Gedicht Sun Rising.8 Doch in Philip Larkins Gedicht Aubade werden die Stunden, in denen alle anderen schlafen, nicht zum Moment der Liebeszwiesprache, sondern zur unfreiwilligen Reflexion über Krankheit und Tod.9 Peter Krahé fasst die Handlung prägnant zusammen, wenn er schreibt: »The poem presents the monologue of a solitary man in his blank fear of the future and of death« (2014, 127–128). In Aubade geht es um den alternden Körper, und gerade die Nacht mit ihren Attributen der Dunkelheit und der Stille, verstärkt das Bewusstsein für die eigene Sterblichkeit. Wie bei Kane geschieht dies um die vierte Stunde herum:
I work all day, and get half-drunk at night.
Waking at four to soundless dark, I stare.
In time the curtain-edges will grow light.
Till then I see what’s really always there:
Unresting death, a whole day nearer now,
Making all thought impossible but how
And where and when I shall myself die.
Arid interrogation: yet the dread
Of dying, and being dead,
Flashes afresh to hold and horrify. (Larkin 2012, 15)
Im Dunkeln aufzuwachen, stellt Larkin den Tod vor Augen. Dem Schlaflosen begegnet nachts »jenes psychische Material, das tags verdrängt ist und nachts nach Ausdruck drängt« (Bronfen, 243). »Unresting death«, der ihm entgegenschreitende Tod, kommt unausweichlich näher (»a whole day nearer now«). Genau wie der unabänderliche Rhythmus von Tag und Nacht kann auch der Tod nicht aufgehalten werden, er wird kommen. Das lyrische Ich beschreibt – ähnlich wie das Ich bei Kane – die Nacht als eine Zeit der Klarheit, eine Dunkelheit, die paradoxerweise die Dinge so sichtbar macht, wie sie wirklich sind: »In time the curtain-edges will grow light. / Till then I see what’s really always there«. Nicht nach dem Sonnenaufgang, sondern davor, in Abwesenheit des grellen Tageslichts, sieht man die Dinge, wie sie wirklich sind, denn die Ablenkungen des Tages greifen nicht; das lyrische Ich sieht dem Unvermeidbaren ins Auge.
Diese besondere Temporalität wird in der ersten Strophe auch durch Rhythmus und Interpunktion ausgedrückt. Die fünfhebigen Jamben, in denen das Gedicht geschrieben ist, lassen nicht etwa an die Lyrik großer englischer Dichter denken, sondern unterstützen viel mehr die umgangssprachliche Diktion und die triste Alltäglichkeit, die dem Gedicht seinen lapidaren, beiläufigen und spöttisch-resignierten Ton verleihen. Der Tod ist ein Thema, so hat es uns zumindest die Lyrik oft suggeriert, das eine Ode oder eine Elegie verdient. Hier aber finden wir einen Dichter, der sich lieber auf das Alltägliche konzentriert, auf das Schlafzimmer eines alten Mannes. Die ersten Zeilen bestehen aus zehn einsilbigen Wörtern. Sie vermitteln den Eindruck von mechanischer Abfolge und einer gewissen Schnoddrigkeit, mit der Larkin die alltägliche Monotonie, die deprimierende Arbeitsroutine der Tage und die Trinkroutine der Abende einfängt. Außerdem enden die Zeilen 1–3 mit einem klaren und scharfen Punkt – möglicherweise ein Signifikant für den Tod. Dann nimmt das Gedicht Tempo auf: Die Enjambements beschleunigen die Lesegeschwindigkeit und lassen den Eindruck entstehen, dass die Ruhe der Nacht vorbei ist. Die Gedanken beginnen zu kreisen – oder eher noch: sie werden verdrängt von der immer virulenter werdenden Frage: »… how / And where and when I shall myself die«. Die klimaktische Reihung endet mit der temporalen Frage (»when«) und betont damit ein weiteres Mal die sich in den Vordergrund drängende Zeitlichkeit, d. h. Endlichkeit.
Trotz der Beschleunigung durch die Enjambements, die wir auch in der zweiten und dritten Strophe finden, kommt das Gedicht in Strophe vier wieder zur Ruhe oder geradezu zum Stillstand: »a standing chill / That slows each impulse down to indecision.«
And so it stays just on the edge of vision,
A small unfocused blur, a standing chill
That slows each impulse down to indecision.
Most things may never happen: this one will,
And realisation of it rages out
In furnace-fear when we are caught without
People or drink. (Larkin 2012, 16)
Die zurückkehrende innere Stille ist kein Zur-Ruhe-Kommen im Sinne eines Halt gebenden Innehaltens. Diese Entschleunigung ist keine Erlösung vom Getriebensein durch erschöpfende Gedanken, sondern eher eine lähmende Ruhe. Das Gedicht inszeniert eine bizarre Kombination von fatalistischer Abgeklärtheit (»this one will«) und gleichzeitiger emotionaler Erregtheit (so spiegeln es zumindest die Alliterationen »realisation rages« und »furnace-fear« wider). Es ist insbesondere der Gebrauch des Verbs »to rage«, das soviel bedeutet wie ›toben, wüten, ankämpfen‹ und das in der englischen Nachkriegsliteratur, insbesondere in der Lyrik, geradezu unweigerlich die Assoziation mit Dylan Thomas Villanelle Do Not Go Gentle Into That Good Night aufruft. Thomas fordert darin, angesichts der Situation seines todkranken Vaters, das absurde Moment des Aufbegehrens gegen das Unvermeidliche. Thomas’ Gedicht endet mit einem doppelten Appell: »Do not go gentle into that good night. / Rage, rage against the dying of the light« (Thomas, 148). Statt dem Tod, der ›guten Nacht‹, friedlich entgegen zu gehen, soll der Sterbende sich also empören, aufbegehren. Tatsächlich sind Dynamik und temporale Ordnung in Larkins Gedicht einem solchen Appell genau entgegengesetzt. Larkins Sprecher ist zwar innerlich aufgewühlt, aber er versucht seine Emotionen mit abgeklärter Rationalität zu beherrschen. Dieser Versuch, die beunruhigenden Emotionen zu unterdrücken, kommt nicht zuletzt durch die innerhalb der Alliteration erzeugten Friktionen (»furnace fear«) zum Ausdruck. Er geht auch nicht dem verlöschenden Licht entgegen, sondern dem Morgen. Man könnte nun meinen, im Bild des Morgens, der aufgehenden Sonne, schwinge eine Auferstehungshoffnung mit oder zumindest ein Motiv von Zyklizität und Wiederkehr. Tatsächlich wird der neue Morgen aber nur im Sinne einer unabänderlichen Routine erwähnt. Anstatt das weichzeichnende Licht oder die belebende Kühle und Klarheit des frühen Morgens hervorzuheben, beschreibt das lyrische Ich bei Larkin die Kälte als »standing chill« und evoziert damit ein körperliches Unbehagen und inneres Frösteln, das durch das ergänzende Attribut »standing« zudem ein Empfinden von Lähmung und Unabänderlichkeit evoziert, welches dem kämpferischen Pathos in Thomas Villanelle kontrastiv entgegensteht.
Während Sarah Kanes Stimmen die (nüchterne, von der benebelnden Wirkung der Medikamente befreite) Klarheit feiern, die um 4.48 Uhr eintritt, fürchtet Larkins Sprecher diesen Zustand, der ohne Drogen, ohne Ablenkungen und ohne den stimulierenden oder betäubenden Puffer »of people or drink« unerträglich ist. Statt der emotionalen Gegensätze zwischen friedlicher Akzeptanz und emotionaler Empörung, wie wir sie bei Dylan Thomas finden, formt Larkin das Bild eines unwirschen und desillusionierten alten Nörglers, der mit Gelenkschmerzen und nächtlichem Harndrang die zermürbende Schlaflosigkeit des Alters erleidet und die eigene Konfrontation mit der Angst vor dem Ende als absurde Zumutung erlebt, da er doch auch dem Leben gegenüber nicht gerade als positiv zugewandt beschrieben werden kann. Dies drückt insbesondere die fünfte Strophe aus:
Slowly light strengthens, and the room takes shape.
It stands plain as a wardrobe, what we know,
Have always known, know that we can’t escape,
Yet can’t accept. One side will have to go.
Meanwhile telephones crouch, getting ready to ring
In locked-up offices, and all the uncaring
Intricate rented world begins to rouse.
The sky is white as clay, with no sun.
Work has to be done.
Postmen like doctors go from house to house. (Larkin 2012, 16)
Zunächst scheint es, als würde der Morgen eine Wende zum Positiven bringen. Wurde das »blurring light« der Dämmerung zuvor als störende Unschärfe abgelehnt, so scheint das kräftiger werdende Licht des neuen Tages (»light strengthens«) die nächtliche (emotionale) Schwäche zu verdrängen und endlich wieder für Klarheit (»takes shape«) und (Selbst-)disziplin zu sorgen. Doch schon die zweite Zeile löst Zweifel an der erhofften Wende zum Besseren aus. Was ist das für eine morgendliche Wirklichkeit, die den Raum erfasst? »It stands plain as a wardrobe« – sie ist kastig, alles andere als farbenfroh und gehorcht dem Imperativ der Nützlichkeit.
Das Tageslicht, herbeigesehnt als Befreiungsschlag von den bedrückenden Gedanken der Nacht, bringt weder Hoffnung noch Trost. Die dreimalige Variation des Verbs ›to know‹, das sowohl ›wissen‹ als auch ›erkennen‹ ausdrückt, suggeriert, dass auch das Tageslicht, das Klarheit bringt und Erkennen ermöglicht, kein neues Wissen anbieten kann: Tags wie nachts bleibt die zugleich unausweichliche und für das sprechende Ich inakzeptable Einsicht in die Endlichkeit und Leere des Daseins bestehen. Die nichtige Vergänglichkeit der Alltagswelt stellt sich geradezu als bereits begonnener Übergang in die eigene Nichtexistenz dar.
Insofern ist Larkins Gedicht keine Anti-Aubade, in der jemand die Nacht hasst und den Tag herbeisehnt. Vielmehr ist es insofern überhaupt keine Aubade, als dass der Unterschied zwischen Tag und Nacht nivelliert wird. Während die Dunkelheit der Nacht als »glaring and flashing« beschrieben wurde, da sie blitzartig und unweigerlich die Konfrontation mit dem Tod bringt, ist das Tageslicht am neuen Morgen düster. Es gibt keine Sonne: »The sky is white as clay, with no sun«. Der einzige wirkliche Unterschied zwischen Nacht und Tag ist also, dass die Routine zurück ist (»work has to be done«) – eine Routine, die eigentlich nie außer Kraft gesetzt wurde. So vermittelt es zumindest das sich ständig wiederholende, äußerst regelmäßige Reimschema der zehnzeiligen fünf Strophen, die nicht zuletzt die fünf Arbeitstage einer durchgetakteten nine-to-five10 -Arbeitswoche symbolisieren.
Insofern stellen die Rhythmen und die Abfolge der Tage nur ein weiteres Mal den unaufhörlich näherkommenden Tod (»unresting death«) vor Augen, wobei auch dieser eben nicht als tatsächliches Ereignis, sondern über das kaum greifbare, aber bedrohliche, weil kontinuierliche Herannahen evoziert wird. Die Beschreibung der Postboten (»Postmen like doctors go from house to house«) wird zum Bild für die herannahende Krankheit und das Lebensende: von Haus zu Haus arbeiten sie sich vor – die Postboten wie die Rettungsärzte – irgendwann ist man selbst an der Reihe. Krankheit und Sterben sind überall, kommen in jedes Haus.11 Larkin verweist mit dem Titel seines Gedichts Aubade auf eine Form, die normalerweise den Wechsel zwischen Tag und Nacht, Licht und Dunkel, dem Privaten und dem Öffentlichen betont. In seinem Morgenlied werden diese Gegensätze jedoch nivelliert, da die Nacht ruhelos ist und den »unresting death« vor Augen stellt, während der Tag monoton und trostlos daherkommt.
David Smalls Stitches: Röntgen-Ästhetik und Konturierungen des Traumas zwischen Licht und Dunkelheit
David Smalls Comic Stitches: A Memoir (2009) beginnt mit der Darstellung einer familiären Abendroutine. Langsam zoomt sich der Erzähler heran an eine Häuserreihe im Detroit der 1950er Jahre. Aus den Fenstern fallen Lichtkegel auf die dunkle Straße hinaus. Panel für Panel nehmen die hellen Anteile in den grauen Tuschzeichnungen zu: an der dunklen Fassade öffnet sich eine Tür und lässt weiteres Licht in die Dunkelheit strahlen; das Licht lockt uns geradezu in den Hausflur hinein (Abb. 1). Im nächsten Panel sehen wir einen Eingangsbreich, Flur und Treppe, und schließlich, im hell erleuchteten Wohnzimmer, den sechsjährigen David, der auf dem Fußboden vor der Couch liegt und malt. Von Beginn an fallen im Comic die besonderen Schattenspiele auf, die die künstliche – und zumeist indirekte – Beleuchtung des dunklen Hauses auf Wände, Möbel sowie Protagonistinnen und Protagonisten wirft. Trotz der suggerierten Abendroutine wirkt die Szene geheimnisvoll, ja geradezu unheimlich.
Die Symbolik könnte eindeutiger nicht sein: Im weiteren Verlauf von Smalls Comic geht es um die Beleuchtung von verdeckten Familienkonflikten und die Offenbarung von dunklen Geheimnissen. Es ist auffällig, dass die Comicpanels über die ersten Seiten hinweg (bis auf eine Ausnahme) ordentlich und regelmäßig gerahmt sind. Dies ändert sich erst, nachdem die Sequenzen des Hineinzoomens in die allabendlichen Vorbereitungen und schließlich die Einnahme des Familien-Abendessens vorbei sind (Small 2009, 16). Die darauffolgenden randlosen Bilder, die den Vater beim Boxen zeigen und den Bruder beim Schlagzeugspielen (Small 2009, 17), bringen die tatsächliche Instabilität und die aufgestauten, unartikulierten Gefühle zum Ausdruck (»their violent noises (›pocketa pocketa‹, ›bumbum bum‹) replace speech« (Gilmore/Marshall, 25). Innerhalb der Familie Small gibt es allerhand Unausgesprochenes wie etwa die offensichtlich tiefe Unzufriedenheit der Mutter sowie ihre heimlich praktizierte Homosexualität, die Krebserkrankung des Sohnes David, die vor dem Patienten selbst verheimlicht wird, sowie später die Schulgefühle des Vaters, als dieser sich bewusst wird, dass sein leichtfertiger Einsatz von Röntgenuntersuchungen den Kehlkopfkrebs des Sohnes (mit-)verursacht hat. In dieser sprachlosen Umgebung, die darauf ausgerichtet ist, schwierige Themen zu verbergen und zu verschweigen, findet der sechsjährige David seine eigene Artikulationsform zunächst in ständig wiederkehrenden Krankheitswellen (»And I, too, had learned a way of expressing myself wordlessly […] getting sick was my language«; Small 2009, 18–19).
Die Dynamik von Licht und Dunkelheit, Klarheit und Verhüllung prägt nicht nur die Atmosphäre in der Familie Small, sondern wird auch in der visuellen Darstellung des städtischen Settings virulent: Das Detroit der 1950er Jahre ist nicht klar und hell, sondern die Atmosphäre der Stadt ist von Industrie, Nebel und Smog geprägt. Dieses Motiv der Vernebelung im Sinne einer Vertuschung (und Small setzt das über die Ästhetik der Tuschezeichnung um) wiederholt sich auch im Mikrokosmos der Familie. So suggerieren es zumindest die Rauchschwaden, die von den allgegenwärtigen Pfeifen und Zigaretten des Vaters ausgehen (Small 2009, 26, 43 u. 168). Die ästhetische Verquickung des von Geheimhaltung, Scham und Verdunklung geprägten familiären Mikrokosmos mit dem Makrokosmos der 1950er Jahre in einer US-amerikanischen Industriestadt ist insofern wichtig, als dass der Cartoonist dadurch die Geschichte seiner Familie in das entsprechende gesellschaftliche Milieu einbettet, welches von Technikglauben (in Bezug auf Autos, aber auch auf Medizintechnik), Konsum und Wohlstand (wie es die Tabakwaren verkörpern) und einer enormen Konformität in Bezug auf Erziehungsziele, Geschlechterrollen und Sexualität geprägt war. Die Gleichförmigkeit der Häuser und Fassaden, wie auch die bereits erwähnte ordentliche Rahmung der Einstiegspanels, drücken diese zur Schau getragene Konformität aus. Die Vorherrschaft der Farbe grau in Smalls Stitches greift auf der einen Seite diese Konformität auf, verhandelt aber gerade in der kontrastiven Konturgebung von schwarz-weiß Nuancen das Wechselspiel von Verhüllung und Offenbarung, das die Familiengeschichte der Smalls in großen Teilen ausmacht.
Doch es gibt noch einen weiteren Aspekt, den es zu berücksichtigen gilt, wenn wir der Bedeutung dieses Wechselspiels von Licht und Dunkelheit, Verhüllung und Klarheit im Kontext von Stitches nachgehen wollen: Davids Vater ist Radiologe und die Visualisierungspraktiken des Röntgens, so soll im Folgenden gezeigt werden, prägen nicht nur den Zeichenstil von Smalls autobiografischem Comic, sondern entfalten darüber hinaus eine vieldeutige Aussage-Ebene, die um Figuren der Durchleuchtung bzw. der Undurchdringlichkeit kreisen. David ist ein Kind, das oft krank ist. Er hat Probleme mit den Nebenhöhlen und »frequent bouts with this and that« (Small 2009, 20). Der Junge wird routinemäßig mit hochdosierten Röntgenstrahlen von seinem Vater behandelt. Als Folge dieser fehlgeleiteten und exzessiven Röntgentherapie entwickelt der vierzehnjährige David einen Tumor. Diese Tatsache wird dem Jungen gegenüber aber niemals ausgesprochen. Weder von den Ärzten noch von seinen Eltern wird er je über seine Diagnose oder über deren Folgen aufgeklärt. Er lässt sich in dem (Halb-)Wissen, dass eine nicht weiter definierte ›Wucherung‹ entfernt werden müsse, einer aufwendigen Operation unterziehen und erwacht schließlich mit einer riesigen Narbe und der jähen Erkenntnis, dass er nicht mehr sprechen kann. Bei der Entfernung des Tumors wurden seine Stimmbänder zerstört – eine Entwicklung, die seltsam symbolisch anmutet angesichts einer Familie, in der grundsätzlich wenig miteinander gesprochen wird und Probleme totgeschwiegen werden. So wie die Existenz des Tumors vor dem Sohn verheimlicht wird, entdeckt David im Lauf der Geschichte viele weitere Dinge, die die Eltern ihm verschwiegen haben. Deshalb schlagen Gilmore und Marshall vor, dass es sich bei Stitches weniger um ein »traditional coming-of-age narrative« handle, sondern eher um eine »graphically oriented coming-to-know story« (29), die aus dem Material traumatischer Erfahrungen gebaut ist.
Das einander konturierende Verhältnis von Geheimnis und Offenbarung, Verdunklung und Ausleuchtung wird durch Smalls spezifischen Zeichenstil eingefangen, der an die Visualisierungstechniken der Radiologie erinnert. Small selbst zieht in einem Interview die Verbindung zwischen Radiologie und den »secret places inside us«:
At six I knew that x-rays were pictures of the secret places inside us. I imagined myself going down into those shadowy places and finding–what? I don’t know. A better world, I suppose (Small, o. J., o. S.).
Dieses Röntgenprinzip greift Small auf, wenn er sich – über seine Zeichnungen – an die schattenhaften (also traumatischen) Orte seiner Vergangenheit begibt und versucht, die geheimen Orte seiner Familiengeschichte, die untrennbar mit seinen eigenen Traumata verbunden sind, bildlich darzustellen. Röntgenstrahlen sind aufgrund ihrer extrem kurzen Wellenlänge in der Lage, Materie zu durchdringen. Je dichter das Gewebe (z. B. Knochen), desto stärker absorbiert es die Röntgenstrahlen. Demgegenüber werden jene Gewebe, die strahlendurchlässig sind, auf dem Röntgenbild dunkel bzw. schwarz dargestellt. Trauma-Erfahrungen sind extrem verdichtete Erfahrungen. Deshalb bleiben etwa die Augen der Mutter bis auf wenige Ausnahmen weiße Flecken, die ihre eigenen extrem verdichteten Traumata andeuten, welche durch den Erzähler, ihren Sohn, nicht ausgeleuchtet werden können. Weiß ist hier die Farbe der Undurchdringbarkeit.
Stitches ist ein Comic über emotionalen Missbrauch. Das Buch spürt einem Mangel an Zuneigung, Aufmerksamkeit und Liebe nach, der sich letztlich in einer Lüge manifestiert: Niemand hält es für nötig, den heranwachsenden David über seinen lebensbedrohlichen gesundheitlichen Zustand zu informieren. Die Wahrheit wird verdunkelt, weil die Eltern, insbesondere der Vater, sich die Mitschuld an der Krebserkrankung des Sohnes nicht eingestehen wollen. Der Handlungsverlauf ist folglich nicht nur durch das Aufdecken der Wahrheit motiviert, dass David Kehlkopfkrebs hat, sondern orientiert sich darüber hinaus daran, wie das rückschauende Erzähler-Ich Licht ins Dunkel der traumatisierenden Familiengeheimnisse bringt (obgleich wenige gänzlich durchleuchtet werden können).12
Ähnlich wie bei Larkin ist auch bei Small die Nacht die Zeit der Wahrheit. Denn im Sinne der Röntgenästhetik stehen ja die Grautöne und die Schwärze, welche auch die graphische Darstellung des Nächtlichen ausmachen, gerade nicht für das Undurchdringliche, sondern jene Anteile, die durchleuchtet werden können: so wird die dunkle Nacht zu einer Zeit der Belichtung: das, was vor der dunklen Kontur Sichtbarkeit erlangt, sind die verdichteten Gewebe der familiären Traumata. Die aufschlussreichsten und emotionalsten Szenen zwischen Kind und Eltern spielen sich in der Nacht ab. Andererseits bietet die Nacht bietet dem, der nicht gesehen werden will, einen gewissen Schutz. So schleicht sich Davids Mutter in der Nacht nach Davids erster Operation, als die Ärzte etwas entfernen, was sie dem Kind gegenüber ›eine Zyste‹ nennen, obwohl es in Wirklichkeit ein Krebsgeschwür ist, in das Krankenhauszimmer ihres Sohnes (Abb. 2). Sie schaltet das Licht nicht ein.13 Die Panels zu Anfang der Szene veranschaulichen die Leere und Größe des dunklen Raums. Wir empfinden die Einsamkeit und vielleicht auch die Angst, die es bedeutet, in der Nacht vor einer großen Operation allein in einem solchen Zimmer zu verbringen. Die sich öffnende Tür in deren Lichtstrahl der Kopf der Mutter erscheint, verspricht Gesellschaft und Zuwendung. Allein die Mutter schaltet weder das Licht an, noch zieht sie ihren Mantel aus. Die Halb-Nahe aus der heraus wir ihre Gestalt wahrnehmen, zeigt ihren Körper nicht etwa als zugewandt, vielmehr grenzt der schräg über den Oberkörper verlaufende Arm sowie ihre Handtasche sie von ihrem Sohn ab. Auch David verschränkt die Arme und begegnet ihr mit Misstrauen.
Erst im Nachhinein wird David klar, dass sie eigentlich gekommen ist »to say goodbye and to grant me my last wish« (Small 2009, 211). In dieser Nacht erwähnt sie aber mit keiner Silbe ihrem Sohn gegenüber, dass er aller Wahrscheinlichkeit nach sterben wird. Stattdessen wirft sie – von oben herab (Small 2009, 175) – einen letzten Blick auf ihren elend aussehenden Teenager Sohn und wirft ihm auf dessen Wunsch hin barsch ein Buch auf die Bettdecke (Lolita), dessen Inhalt sie offensichtlich missbilligt: »Here. They had it in the gift shop down stairs“ (Small 2009, 175). Nach dieser alles andere als liebevollen Begegnung wendet sie sich von ihm ab und alles, was wir sehen, ist die Tür, die mit einem ›Klick‹ wieder ins Schloss fällt. Die Tür unterstreicht den Moment des Verlassenseins. David ist in der Nacht vor seiner Operation allein. Alle wissen, dass er vermutlich sterben wird – außer David selbst. Er überlebt.
Die nächtliche Szene des Verlassenwerdens wiederholt sich zu einem späteren Zeitpunkt, diesmal zwischen Vater und Sohn (Abb. 3). Als Davids Vater sich dazu durchringt, seine Mit-Verantwortung an Davids Erkrankung, die nicht zuletzt durch die wahllos verabreichten Röntgenbehandlungen ausbrach, dem Sohn gegenüber einzugestehen, schafft er es nicht im beleuchteten Innenraum, sondern erst, als ihn der Sohn bei einem Spaziergang durch die dunkle Nacht begleitet.
Nach der Offenbarung seiner Mitschuld, die der Vater nach langem Anlauf über die Lippen bringt (»It was standard practice when you were born… / In those days we gave any kid born with breathing difficulty x-rays. / […] That was therapy back then. // Two-to-four-hundred rads. // I gave you cancer«; 285–287), wendet der Vater sich nicht etwa dem Sohn, sondern seiner Zigarette zu. Während der Sohn als schmale Shilouette, einige Meter entfernt, aber dem Vater zugewandt, am Ufer des Flusses steht, dreht der Vater sich weg. Scheint seine anfangs gebeugte Haltung (die im Endeffekt nur dem Abschirmen vor dem Wind beim Anzünden der Zigarette gilt) einen Hinweis auf seine eventuelle Niedergeschlagenheit anzudeuten, zeigt das folgende Portrait ihn erhobenen Hauptes, weiterhin abgewandt, an seiner Zigarette ziehend. Im Folgepanel blicken wir David über die Schulter und nehmen mit ihm den scheinbar gleichgültig-entspannten in die Ferne schauenden Vater wahr, der sich der weiteren Aussprache mit dem Sohn entzieht, so als sei bereits alles gesagt. Im letzten Panel dieser Doppelseite wendet David sich um, seine zuvor dem Vater zugekehrte Körpervorderseite wendet sich jetzt ab, sein Gesicht wird für uns als Leser_innen sichtbar. Der Mund hat einen verbitterten und zugleich entschlossenen Zug. Nach der ins Schloss fallenden Tür im Krankenhaus, welche das Verlassenwerden durch die Mutter in einsamen und möglicherweise todesnahen Stunden symbolisiert, steht diese zweite nächtliche Begegnung mit einem Elternteil für ein zweites Verlassenwerden: der Vater wollte sich seiner Schuld stellen, aber er stellt sich nicht den Fragen und Gefühlen seines Sohnes.
Nach diesem Vorfall wendet David sich von der Familie ab: die Totale auf der Folgeseite (Small 2009, 294) zeigt seinen Körper von hinten und er geht auf ein großes unförmiges schwarzes Loch zu. Nachdem beide Eltern sich innerlich von ihm abgewandt haben, zieht der 16-jährige David Zuhause aus und begibt sich in eine dunkle Zukunft. Zum Ende des Buches hin, mittlerweile in der Rolle eines etablierten Künstlers zuhause, macht der erwachsene David einen nächtlichen Gegenbesuch im Krankenhaus bei seiner sterbenden Mutter. Es ist eine stimmlose Szene: (»she couldn’t talk and neither could I«; Small 2009, 306), die durch Gesten und Blicke erzählt wird. Im Gegensatz zur Mutter in der zuvor besprochenen Krankenhaus-Sequenz zieht David seine Jacke aus – er nimmt sich Zeit, er will eine Weile bleiben (Abb. 4). Diese Verflechtung der Nachtszenen – einmal (s.o.) über die als weiße Flecken dargestellten Augen der Eltern, einmal über das kontrastive Motiv der angezogenen bzw. ausgezogenen Jacke – ist ein weiteres eindrückliches Beispiel für das Vernetzungsgeschehen, das in Kommunikation versetzen weit voneinander entfernt liegender Comic Panels, wie Groensteen es mit dem Begriff der arthrology kenntlich gemacht hat.
Wir sehen drei long shots – horizontale Panels, die Momente darstellen, deren genaue Länge wir nicht kennen. Der erste zeigt David, der sich über den Körper seiner Mutter beugt. David sieht nicht wütend aus, sondern besorgt. Als Comicleser_innen rezipieren wir den Moment aus Davids Perspektive: Wir sehen ihren Arm, der ausgestreckt auf dem weißen Laken liegt, und dann sehen wir in zeitlicher Abfolge, wie er ihren Arm berührt. Dann berührt er ihr Gesicht. Während seine Eltern den Schutz der Nacht suchten, um sich ihrer Scham über ihr Fehlverhalten gegenüber ihrem Sohn nicht stellen zu müssen, sucht David die Stille der Nacht, um seiner Mutter zu begegnen. Im Gegensatz zum früheren Besuch der Mutter am Krankenbett des Sohnes, ist diese Szene voll ausgeleuchtet, das einzig Dunkle ist Davids Pullover. Tatsächlich gibt es keine weitere Doppelseite in dem Buch, die derart von der Farbe Weiß dominiert wird. Der Kontrast symbolisiert, dass aus einer familiären Prägung des Verdunkelns und Verschweigens nun zwischen Mutter und Sohn Klarheit, Offenheit und ehrliche Zugewandtheit herrschen. Im Anschluss an diese Sequenz im Krankenhauszimmer sehen wir den autobiografischen Protagonisten von hinten, wie er über den Korridor läuft und das Krankenhaus verlässt: Er geht dem neuen Morgen entgegen (Small 2009, 307). Die Bildsprache etabliert unmittelbar eine Verknüpfung mit dem Bild auf Seite 294, das ebenfalls David in seiner ganzen Größe von hinten zeigt. Der Unterschied ist, dass er nun einen hellen Gang entlangläuft, während die Szene, die seine Abkehr von der Familie darstellt, ihn auf ein großes schwarzes Nichts zugehen lässt. Der Unterschied, den gerade die arthrologische Verknüpfung der beiden Panels nahelegt, besteht darin, dass David sich nun nicht mehr abwendet, sondern etwas – die Beziehung zu seiner Mutter – geklärt hinter sich lässt.
Fazit
In den vorangegangenen close-readings habe ich Szenarien der Krankheit vor dem Hintergrund und im Kontext der Temporalität der Nacht analysiert und dabei sehr unterschiedliche Krankheitserfahrungen miteinander verglichen. Sarah Kane betitelt ihr Stück 4.48 Psychosis und verhandelt auch im weiteren Verlauf eine Erkrankung, die vor allem mental zu verorten ist. Larkin beschäftigt sich mit dem alternden Körper und David Small sowohl mit der physischen Erkrankung Krebs als auch mit psychologischen Traumata. Alle drei Texte sind geprägt von dem Ringen darum, etwas eigentlich Unsagbares in Worte und (Sprach-)Bilder zu fassen und auf diese Weise zum Ausdruck zu bringen. Die besondere Vulnerabilität und Kontingenzerfahrung, die Unvorhersehbarkeit der Zukunft, die Ungewissheit über den eigenen Zustand werden wohl nicht zufällig in nächtlichen Settings besonders greifbar: auch die Nacht erlaubt uns nur eine schemenhafte Sicht auf die Dinge und kann dabei doch zur Kulisse großer Klarheit werden. Diese Klarheit resultiert u. a. daraus, dass die Ablenkung durch die Geräusche und die Routinen des Tages fehlt. Dies mag nicht zuletzt daran liegen, dass konkrete Objekte und Dinge in der Nacht verblassen, dafür aber Abstraktes – Todesangst, Entfremdung, Einsamkeit – umso größer und deutlicher hervortritt.
Es gibt innerhalb der Comicforschung eine starke Tendenz anzunehmen, dass insbesondere Comics und Graphic Novels eine besondere Ausdrucksstärke besäßen, da sie auf Bild und Text zurückgreifen und innerhalb dieser zwei Modi Gegensätzliches oder Unterstützendes hervorbringen könnten. So behaupten etwa Jacobs und Dolmage, dass die Multimodalität des Comic-Mediums den Zeichner_innen eine – im Vergleich zu rein verbalsprachlichen Artikulationsformen – erweiterte Palette an Ausdrucksressourcen zur Verfügung stelle.14 Die vergleichende Analyse verschiedener Gattungen und Medien in diesem Beitrag hat allerdings gezeigt, dass auch Dramentexte keineswegs allein an verbalsprachliche Artikulationsformen gebunden sind. Ein Drama wie Kanes 4.48 Psychosis will nicht in der Begrenztheit des gegebenen Texts rezipiert werden; vielmehr macht es Angebote an die jeweiligen Regisseur_innen, wie eine Aufführung unter dem gleichen Titel aussehen könnte. Der Text versteht sich nicht als umzusetzende Vorlage, sondern als herausfordernde Anregung. Gerda Poschmann unterscheidet zwischen zwei Textsorten, die ein Drama wie 4.48 Psychosis in sich trägt: das eine sei Text, der gesprochen werden solle, das andere zusätzlicher Text: »The latter term extends beyond stage direction and is not subordinate to the former, nor a mere appendage. This is text that has to be considered as having an exchange value for scenic poetry which can and should be created by the director« (Barnett, 20). Poschmann beschreibt, wie durch »Nutzung poetischer Verfahren, die paralinguistische Phänomene, Raum, Zeit, Bilder und Bewegung in der Sprache aktivieren und evozieren« versucht wird, »Räume für die Imagination des Lesers und der Regie zu schaffen« (330). Durch diesen poetischen Gebrauch der Verbalsprache wird auch im Kontext des Dramas die Begrenzung der Sprache auf eine rein referentielle Funktion gesprengt. Diese Evokation bestimmter Phänomene und Verbindungen und die Aktivierung der Rezipient_innen ist eigentlich nichts anderes, als das, was die Comicforschung als arthrology bezeichnet. Während der belgische Comictheoretiker Groensteen die produzenten- und rezipientenseitige Verflechtung und Verknüpfung einzelner Panels als »arthrology« bezeichnet, und dadurch unseren Blick auf die Art und Weise lenkt, in der sowohl die (isolierten) Platzierungen als auch die Verbindungs- und Gelenkstellen der Einzelbilder das ›System‹ des Comics als zusammenhängendes Ganzes formen, so benennt Poschmann durch Begriffe wie Evokation und Aktivierung die vielfachen Verbindungen und die Vielschichtigkeit der Bedeutungsebenen, die, eben nicht nur im Comic, sondern ebenso im Drama, angeboten und impliziert werden.
Comics sind für Groensteen beides: in einzelne Panels gegliedert und arrangiert und dabei doch als großes Ganzes zu einem System verflochten. Innerhalb dieses Systems können Bilder, Worte oder Farbcodes, die viele Seiten entfernt voneinander abgedruckt sind, plötzlich als eng miteinander kommunizierend erkannt, als aufeinander bezogen und als sich gegenseitig erhellend rezipiert werden. Es gibt vorerst keinen Grund, weshalb diese Idee der Verflochtenheit bzw. des Gewebes (lat. textum) der miteinander kommunizierenden Einzelteile innerhalb des Systems einer Ganzheit nicht generell für die Analyse und Interpretation von literarischen und sequentiellen Kunstwerken, egal ob Comic, Drama oder Gedicht, Film oder Roman, fruchtbar gemacht werden sollte.
So überzeugend Groensteens Theorie des Systems Comic ist, so sehr legen die zuvor besprochenen Texte nahe, dass eine comic-bezogene Analyse des braidings (der Verflechtungen) und der Arthrologie einen theoretischen Zugang beschreiben, der auch die kompositorischen Beziehungen anderer Kunstwerke erhellen kann. So kommt bei der Lektüre von Larkins Aubade diese Art der kompositorischen Verflechtung über viele Zeilen hinweg etwa in der Wiederholung des Wortes ›work‹ zum Ausdruck. Die erste Zeile »I work all day, and get half-drunk at night« verweist bereits auf die Arbeit in den letzten Zeilen: »Work has to be done« (Larkin, 16). Durch dieses braiding – um Groensteens Terminus in Anspruch zu nehmen – wird suggeriert, dass das lyrische Ich durch die Arbeit wie durch ein Gerüst gehalten wird. Während alles nichtig und endlich erscheint, gibt die Arbeit, wenn auch nicht den Halt der Erfüllung, so doch zumindest den Halt der routinierten Regelmäßigkeit. Das Wiederauftreten kompositorischer oder thematischer Ähnlichkeiten über räumliche Abstände hinweg ist also keinesfalls der Comic-Kunst vorbehalten. Vielmehr ist gerade die Lyrik in ihrer reduzierten Form darauf ausgerichtet, dass kein Wort, kein Laut und kein Zeichen als zufällig gesetzt, sondern vielmehr als bewusst gewählt und kombiniert angesehen werden muss und deshalb eine enorme Dichte an Bedeutungen ermöglicht. Groensteens Erläuterungen zum System des Comics haben dazu beigetragen, den Kunststatus des Comicmediums zu etablieren. Seine Terminologie zielt ähnlich wie Roman Jakobson in seinen sprachwissenschaftlichen Arbeiten darauf, die Verknüpfungen, die besonderen Bezüge (Wiederholungen von Klängen, Rhythmen, Strukturen und Motiven) zu benachbarten sprachlichen Einheiten als grundlegende Merkmale der poetischen Sprache zu beschreiben (vgl. Jakobson). Eben dies gelingt Groensteen mittels seiner Arbeit zum System des Comics. Dies sollte aber nicht dazu führen, nun grundsätzlich die Artikulationsmöglichkeiten des Comics über die der anderen Kunstformen zu erheben, sondern vielmehr differenziert herauszuarbeiten, worin die Affordanzen der jeweiligen Formen im Hinblick auf eine bestimmte Erfahrung oder aber ein spezifisches Thema (wie etwa jene der Figurationen des Nächtlichen in Krankheitsnarrativen) bestehen und die Verknüpfungen, Gelenkstellen und braidings zu beleuchten, die etwa diesen Annäherungen an die Erfahrung der Nacht in Krankheitsnarrativen ihre Leuchtkraft geben.
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Abbildungsverzeichnis
- Abb. 1: Small, Stitches S. 12, Ausschnitt.
- Abb. 2: Small, Stitches S. 171, Ausschnitt.
- Abb. 3: Small, Stitches S. 292–293.
- Abb. 4: Small, Stitches S. 306
- 1] Der Beitrag basiert auf einem englischsprachigen Vortrag mit dem Titel »The Light Never Goes Out in the Clinic: Illness and the Experience of the Night«, den ich im Rahmen der Tagung »CorpoRealities: Perceptions of ›Extraordinary‹ Time in Literature and Comics« im Juni 2020 gehalten habe. Ich danke allen Teilnehmer_innen für eine lebhafte und gewinnbringende Diskussion, die diesen Beitrag in vielerlei Weise bereichert hat.
- 2] Arno Meteling versteht in seiner Groensteen-Rezension arthron ebenfalls als Gelenk und Verbindungsstelle zwischen Einzelbildern. In der Medizin steht der Begriff der Arthrologie für die Allgemeine Gelenklehre (vgl. Baur, 170).
- 3] Vgl. De Vos/Saunders (5): »Her desire to mould the play’s form and to question theatrical representation goes hand in hand with the content of her plays.«
- 4] Vgl. auch Tyler (26): »The play text often seems more like lines of poetry than traditional dialogue, yet it builds dramatic tension.« Ebenso bezeichnet Gritzner das Stück als »dramatic poem« (250 u. 256).
- 5] Kane im Interview mit Nils Tabert, zitiert in Saunders, 111.
- 6] Obwohl diese Pause zu Beginn wohl die eindrücklichste ist, zählt Alicia Tyler »approximately fifty ›silences,‹ ›long silences‹ or ›very long silences‹« (26) in 4.48.
- 7] Der Beginn ist dennoch im Dramentext recht stark markiert, denn wir lesen die besagte erste Zeile. Bei der Aufführung des Theaterstücks wird dieser lange Moment des Nicht-Beginns aber zu einer Erfahrung eben jener Auflösungserscheinungen, die im Dramentext selbst als zentral verhandelt werden.
- 8] Eckhard Auberlen verknüpft die Tradition der Aubade beziehungsweise die Form der alba nicht allein mit dem Morgenlied der scheidenden Liebenden, sondern ebenso mit einem Morgengebet (»a prayer in which, during the small hours between night and day, the worried sinner seeks the dawn in the religious sense of seeking God and ›casting off the works of darkness‹. Larkin […] uses the religious tradition as a counterfoil for his own nihilistic interrogations«; 179–180).
- 9] Es ist bemerkenswert, dass Larkins wiederholte Rückkehr zu Gedanken über sein eigenes Ende mit dem Ende seines kreativen Schaffens einherzugehen scheinen. Über das Jahr 1977 bemerkte er etwa »I sort of faded out in 1977« (Larkin 1992, 651). Krahé merkt an, dass »die in diesem Gedicht entwickelten Auffassungen einen Endpunkt markieren, der ein Verstummen des Dichters geradezu zwangsläufig nahelegt« (1993, 60).
- 10] Zu Larkin als »nine-to-five man« vgl. Booth.
- 11] Ähnlich hat Larkin es in seinem Gedicht Ambulances beschrieben: »They come to rest at any kerb: / All streets in time are visited.«
- 12] Jacobs und Dolmage verdeutlichen Davids wachsenden Erkenntnisgewinn anhand der Metaphorik des Aufwachens (»he has come to a sort of awakening«, 83) und rekurrieren damit ebenso auf die temporalen Dynamiken von Tag und Nacht bzw. Licht und Dunkelheit als leitmotivische Repräsentation von Geheimnis/Verdunklung und Erkenntnis.
- 13] Die Szene wiederholt gewissermaßen die Sequenz vom Anfang des Buches, in der der sechsjährige David krank im Bett liegt, und die Mutter, stets mit unfreundlichem Gesicht, ihm Medizin bringt und seinen Teddy aufs Kopfkissen legt (18–19).
- 14] Vgl. Jacobs/Dolmage »[…] comics draw on not only linguistic signs, but also visual, gestural, spatial, audio and multimodal (the combination of all the aforementioned) systems of signs« (70).
- 15] Vgl. Jacobs und Dolmage, die mit Blick auf David Smalls Stitches das Konzept der ›arthrology‹ überaus anschaulich und überzeugend darstellen.
- 16] »The panels of a comic constitute a network, and even a system. To the syntagmatic logic of the sequence, it imposes another logic, the associative. Through the bias of a tele-arthrology, images that the breakdown holds at a distance, physically and contextually independent, are suddenly revealed as communicating closely, in debt to one another« (Groensteen, 158, kursiv im Original).