Körper-Zeit-Körper. Ulli Lusts Comic-Adaption von Marcel Beyers Roman Flughunde
Marina Rauchenbacher (Wien)
Körper, Zeit, Erzählen
Marcel Beyers Roman Flughunde (1995) und Ulli Lusts, gemeinsam mit Beyer erarbeitete gleichnamige Comic-Adaption1 (2013) sind vielrezipiert und wurden – für deutschsprachige Comics ist dies nach wie vor die Ausnahme – beide ins Englische übersetzt.2 Dabei verweisen die englischen Titel, The Karnau Tapes (1997) und Voices in the Dark (2017) deutlicher noch als der Originaltitel auf die zentrale Rolle von Akustik, Ton und Stimme(n) sowie auf die – Roman und Comic konturierende – Reflexion über die (un-)zuverlässige (Re-)Konstruktion von Geschichte.3
Flughunde wird primär aus der Perspektive zweier autodiegetischer, intern fokalisierter Erzählinstanzen, Hermann Karnau und Helga Goebbels, erzählt. Karnau ist davon besessen, eine »Karte aller Stimmfärbungen« des menschlichen Körpers zu erstellen (FR, 29) und führt zu diesem Zweck in einem nationalsozialistischen Labor Experimente an Menschen durch. Sein Name zitiert eine historische Figur, die dem – dem »›Reichsführer SS‹ unterstellten« – Sicherheitsdienst angehörte, »Zeuge beim Verbrennen von Hitlers Leiche gewesen sein« soll (Klein, 301) und den Alliierten die Nachricht von Hitlers Tod überbrachte (Schmidt, 149). Der Name ›Helga Goebbels‹ verweist auf die älteste Tochter von Joseph und Magda Goebbels, die zusammen mit ihren fünf jüngeren Geschwistern zwölfjährig am 1. Mai 1945 im sogenannten ›Führerbunker‹ in Berlin vergiftet wurde.
Flughunde zeichnet sich durch das Wechselspiel von Hermann Karnaus erwachsener und als soziopathisch zu bezeichnender und Helga Goebbels’ kindlicher und zunehmend traumatisierter Perspektive aus. An dem Altersunterschied verhandelt Flughunde Machtpolitik – nämlich zentral als Politik des Wissens. Im Wechsel zwischen den beiden autodiegetischen Instanzen widmet sich der Roman historischen und fiktiven Ereignissen zwischen dem 30. Oktober 1940 und dem 1. Mai 1945, als die Goebbels-Kinder ermordet wurden – ein Ereignis, das als »Fluchtpunkt« (Klein, 300) des Romans zu verstehen ist. An einer Stelle wird schließlich eine weitere Erzählinstanz eingeführt,4 die von der Entdeckung eines »Schallarchivs« im »städtischen Waisenhaus[…] in Dresden« im Jahr 1992 erzählt (FR, 193; FC, 233). Dabei handelt es sich um jenes fiktive Archiv, zu dem Karnau – u. a. durch die Folter von Gefangenen – beigetragen hatte.
Die Forschung zum Comic beschäftigt sich vor allem mit Akustik, Ton und Stimme, (Erzähl-)Stimme/n und deren (Un-)Zuverlässigkeit, Verstummen (Börnchen; MartÃnez; Mundt; Rauchenbacher i.E.; Reinprecht, passim), strukturellen und narratologischen Aspekten (Reinprecht), medientheoretischen Fragen (Börnchen), Erinnerung und Gedächtnis (Mundt) sowie Gewalt und Kinderspielen (Schotte). Für das Verständnis von Körpern in Comics ist Flughunde dabei insofern aufschlussreich, als umfassend Embodiment-Prozesse und die narrative Funktionalisierung der Körper nachvollzogen werden können. Anhand der Körper werden – der Komplexität des Romans entsprechend – heterogene Themen wie unterschiedliche Gewaltformen, Flashbacks, (kollektive) Traumata, Folter, Mord sowie Erinnerung und Verdrängung verhandelt. Zudem sind für das Verständnis von Flughunde die Darstellung von akustischem als physisches Erleben (u. a. FC, 27, 40–43) sowie (medientheoretische) Reflexionen über den leitmotivisch zu verstehenden Phonographen zentral (v. a. Börnchen; MartÃnez), der – in einer metaphorischen Wendung – den eingeschriebenen/-geritzten Spuren folgt, sie hörbar zu machen verspricht.5
An Flughunde kann zudem die zeitliche Verfasstheit von Comic-Körpern bzw. deren Funktionalisierung für die narrative Konstruktion von Zeitlichkeit exzeptionell nachvollzogen werden. Comic-Körper – darauf verweist die Forschung immer wieder – tragen nicht nur die Handlung, sondern sind strukturell konstitutiv (u. a. Chute 2010; Szép; Frahm 2010; Klar 2011 und 2014; Krüger-Fürhoff/Schmidt).6 Sie generieren spezifische ›Körperzeiten‹: Anhand der wiederholten Verkörperung einer Figur wird eine intradiegetische Entwicklung entworfen und eine Vergleichbarkeit der Figuren bzw. ihrer Körper möglich. An den Körpern wird erzählt; sie verdichten Zeit – wie mit Bezug auf das Deleuz’sche ›Zeit-Bild‹ gezeigt werden wird. Gleichzeitig sind die verschiedenen körperlichen Realisationen einer Figur immer schon produktiv disruptiv – sie sind brüchig, prekär, fragmentiert und ambivalent (u. a. Beckmann; Klar 2011 und 2014; Rauchenbacher/Serles; Rauchenbacher 2022) und somit auch kritisch in Hinblick auf die Idee einer kohärenten Narration lesbar.
Körper können in Flughunde zudem – spezifisch in Bezug auf Nationalsozialismus und Shoah – als ›Zeitkörper‹ gelesen werden. Sie imitieren Zeitzeug_innenschaft. Dabei wird an den Körpern – auch im Sinne der im Roman angelegten selbst-/metareflexiven Dimension – Erinnerungskritik bzw. Kritik an der (Re-)Konstruktion von Geschichte abgehandelt. Körper als Zeitkörper und ihre spezifischen Körperzeiten zeigen exzeptionell, wie ›dargestellte‹ und ›wahrgenommene‹ Zeit (McCloud, 99) in der spatio-temporalen Anordnung des Comics in Bezug treten zur ›repräsentierten‹ Zeit. Zudem steht der Autodiegese und internen Fokalisierung der beiden Erzählstränge oft eine Außenansicht auf die Erzählinstanzen gegenüber, was produktiv mit der Innensicht bricht7 und die Leser_innen immer wieder in die Position versetzt, die eigene ›Augenzeug_innenschaft‹ zu reflektieren.
Wiederholtes Sehen
Flughunde verhandelt zentral Akte psychischer und physischer Gewalt sowie die zugrundeliegenden strukturellen, normativen und epistemischen Gewaltformen. So erzählt Hermann Karnau apathisch vom Gemetzel auf dem Schlachtfeld sowie von der Folter im Labor und Helga Goebbels von ihren Traumatisierungen und ihrem Leiden an der Unwissenheit über das Tun der Erwachsenen. Verletzte, gefolterte und sterbende Körper werden im Detail gezeigt.
Im fünften Kapitel des Romans wird auf ein historisches Ereignis zurückgegriffen, das für den Verlauf des Zweiten Weltkriegs von entscheidender Bedeutung war. Am 18. Februar 1943 hielt Joseph Goebbels die sogenannte ›Sportpalastrede‹, die als nachgerade ikonisches Beispiel nationalsozialistischer Propaganda gilt und in der Goebbels die Idee des ›totalen Krieges‹ breitenwirksam entwickelte. Im Comic wird diese Szene ausführlich aufgegriffen: Helga Goebbels ist gezwungen, mit ihrer Mutter der Rede beizuwohnen, wobei sie massiv unter der verbalen Gewalt des Vaters und der aggressiven Atmosphäre leidet. Sie wird als Opfer der ekstatischen und fanatischen Rede des Vaters und des »dritte[n], kollektive[n] ›Sprecher[s]‹« (MartÃnez, 115), des ebenso fanatischen Publikums, dargestellt. Mit Helga Goebbels im Zentrum fokussieren diese Szenen auf die marginalisierte Perspektive des (weiblichen) Kindes, die dem dominanten Joseph Goebbels und der Masse der Zuhörer_innen gegenübergestellt wird. Ein markantes Beispiel (Abb. 1) zeigt drei annähernd gleich große Details ihres Gesichtes, wobei durch diese Wiederholung der narrative Gehalt jedes einzelnen Panels akzentuiert wird. Gleichzeitig wird durch die detaillierten und sich minimal verändernden Darstellungen Zeitdeckung oder gar -dehnung und jedenfalls eine emotionale Entwicklung Helga Goebbels’ angesichts der Rede des Vaters visualisiert. Die einzelnen Realisationen des Körpers dienen dabei als Matrix für die Darstellung und (Um-)Deutung von Geschichte, die dieser marginalisierten Figur folgend neu gedacht wird.8 Der historisch beschriebenen Ekstase der Masse bzw. der Präsenz der auch überlieferten Rede des historischen Joseph Goebbels wird eine andere Perspektive gegenübergestellt, die stellvertretend für durch den Nationalsozialismus verursachtes Leid verstanden werden kann. Körper werden dabei in ihrer Qualität als »material site« (Donovan, 242) für emotionale und physische Symptome deutlich.
Gleichzeitig verweigern sich die drei Panels einer homogenen Deutung und legen eine (begleitende) selbstreflexive Dimension nahe: So wird im dritten ein grafisches Muster weiter ausgeführt, das bereits in den ersten beiden angedeutet ist. Es kann als Schweiß gelesen werden, vielmehr jedoch metaphorisch als Überwucherung oder als Gefühl der Überwältigung durch die ekstatische Masse. Zudem wird der Anschein erweckt, als würde das Gesicht mit dem Hintergrund verschmelzen. Verstärkt vom ersten zum dritten Panel wird auch die – für dieses Kapitel kennzeichnende – grüne Farbe eingesetzt, die Helga Goebbels mit dem Hintergrund im vierten Panel verbindet.
Diese Passage ist in Roman und Comic mit detaillierten Beschreibungen/Darstellungen von Hermann Karnaus Folteropfern verwoben. Wie übergreifend für die ›Karnau-Passagen‹ charakteristisch, schließen die Panels unmittelbar, ohne Zwischenraum aneinander an, was – Barbara Postemas Analyse von Dave McKeans Arkham Asylum folgend (41) – einen besonderen psychologischen Effekt hat, insofern als die Seiten nachgerade ›klaustrophobisch‹ wirken. Zudem haben die Panels unterschiedliche Formen und Größen und entsprechen durch diesen »restless narrative rhythm« (Mundt, 197) Karnaus psychischem Zustand, seiner Besessenheit. Der Comic setzt damit auch Beyers detaillierte Beschreibungen der Körper und Karnaus Obsession um und zwingt die Leser_innen den Blick des Folterers nachzuvollziehen.
Schon beginnend mit der ersten Seite dieses Kapitels – die dem Anfang des entsprechenden Romankapitels folgt – thematisiert der Comic diesen Blick auf den gequälten Körper (Abb. 2): Die Figur steht auf einer quadratisch strukturierten Fläche, die der Panelanordnung selbst und dem Hintergrund der beiden Panels im oberen Teil der Seite entspricht. Die Seite kann als Splash-Panel und damit in der Funktion einer überblicksartigen Einleitung der Szene verstanden werden, gleichzeitig ist dieses ganzseitige Panel schon zerteilt. So oszilliert die Seite – mit Bezug auf Thierry Groensteen (2012) – zwischen Verzögerung und Beschleunigung bzw. zwischen quasi-statischer Verdichtung und sequentieller Entwicklung. Die mehrfache Funktionalisierung des Quadratischen spielt nicht nur auf die »kalten Fliesen« (FR, 136) des Labors an, sondern funktioniert als Mise en abyme und diskutiert so die Struktur der Seite selbst. Die damit einhergehende Reflexion über die Gemachtheit des Comics/der Erzählung9 wird im untersten Panel noch verstärkt hervorgehoben: Die vertikalen Linien laufen in einem Fluchtpunkt zusammen, verweisend auf die Determination der Wahrnehmung durch die Zentralperspektive. Die Führung des Blicks wird zudem auf der ganzen Seite durch die subtil integrierten Füße des intradiegetischen Betrachters/der Erzählinstanz Karnau und durch die Mikrofonständer thematisiert. Die folgenden Seiten variieren Perspektivierungen des gequälten Opfers und des Beobachters Karnau/der Mikrofone (Abb. 3) – wechselnd zwischen Karnaus autodiegetischer, intern fokalisierter Perspektive auf den Körper, der die Betrachter_innen folgen müssen, und einem Überblick auf Betrachter und Betrachteten.

Abb. 2: Karnaus Folteropfer I. Blickführung und Perspektive.
Abb. 3: Karnaus Folteropfer II. Wechsel der Fokalisierung.
Die konstitutive Funktion der Wiederholung für das Medium Comics – wie sie auch für diese Szene ausschlaggebend ist – wird in der Forschung ausführlich analysiert (u. a. Balzer; Engelmann; Groensteen 2016; Klar 2011), wobei die subversiv-produktive, Differenz erzeugende Dimension hervorgehoben wird (u. a. Frahm 2010; Sina; Rauchenbacher 2022), die es in besonderer Weise ermöglicht, Entitäten – im Sinne eines dekonstruktiven Ansatzes – nicht als »einfach gegeben« zu verstehen, sondern »als (vorläufige und prekäre) Produkte eines Spiels von Differenzen« (Babka/Posselt, 50). Wie die analysierten Beispiele zeigen, bietet sich Flughunde für eine dekonstruktive Lesart nachgerade an, verdeutlicht die für die Lektüre von Comics notwendigen Resignifizierungsprozesse »where one must continually loop back to reconsider meanings and make new meanings« (Postema, 50) und damit auch das kontinuierliche Wechselspiel zwischen ›äußerer‹ und ›innerer‹ Differenz (Balzer, 176). Gleichzeitig ist für Krankheitserzählungen ausschlaggebend, dass mittels der Figur der Wiederholung eine Persistenz des Leidens verdeutlicht wird (Krüger-Fürhoff, 111).
Beide Handlungsstränge, also Helga Goebbels’ Traumatisierung und Karnaus Folterakte, werden durch das Motiv des Mikrofons miteinander verbunden. So wird Joseph Goebbels’ Rede durch ein – in Roman und Comic wiederholt thematisiertes – aufwendiges Soundsystem10 verstärkt und wird auch aufgezeichnet; aufgezeichnet werden von Karnau auch die Stimmen und die Schreie der Gefolterten. Der Comic unterstreicht die Verschränkung der beiden Erzählstränge/Perspektiven zusätzlich durch eine parallele Anordnung dreier aufeinanderfolgender Doppelseiten: Karnaus akribische Beobachtung des gequälten Körpers wird an einer Stelle durch ein größeres Panel, platziert zu Beginn einer linken Seite, beendet. Während es somit inhaltlich einer ›Karnau-Sequenz‹ zuzuordnen ist, wirkt es aufgrund des Seitenlayouts wie der Beginn der darauffolgenden ›Goebbels-Sequenz‹. Das Panel zeigt den von Stromstößen gequälten Körper; die Schmerzensschreie, lautmalerisch umgesetzt in einer gezackt umrandeten Sprechblase, werden mit der Aussage Karnaus kontrastiert: »Jagt jetzt die Stimme hoch, in oberste Regionen? / Nein, kippt vorher.« (FC, 142) Der Comic übernimmt dieses Layout auch auf den folgenden beiden Doppelseiten. So steht am Beginn der nächsten linken Seite ein ähnlich großes Panel. Es zeigt Joseph Goebbels am Pult stehend und rechts im Vordergrund die Menschenmasse. Dominiert wird das Panel von einer wiederum gezackt umrandeten Sprechblase, die dem Redner zugeordnet ist: »ES MUSS WIE EIN STROM DURCH DAS DEUTSCHE VOLK GEHEN!« (Hervorhebung im Original; FC, 144); auf der verbleibenden Doppelseite wird wieder der ›Karnau-Strang‹ aufgegriffen. Die Parallelisierung der beiden Panels wird darüber hinaus durch die Form der Sprechblasen unterstützt – dem Röcheln des Opfers steht die Propagandarede Goebbels gegenüber bzw. der Propagandarede schließlich das gequälte Opfer. Dieser Aufbau wird auf einer dritten linken Seite fortgesetzt, wobei das entsprechende Panel dort wieder zum ›Karnau-Strang‹ gehört und vor allem die Schmerzensschreie bzw. das (Todes-)Röcheln – lautmalerisch realisiert in einer gezackt umrandeten Sprechblase – zeigt (FC, 146). Die folgenden Panels dieser Doppelseite stellen die fanatisierte Menge und die leidende Helga Goebbels dar.
Die Engführung der beiden Handlungsstränge und die forcierte Kontrastierung der unterschiedlichen Körper sowie die Reflexion über die Konservierung der Stimme(n) denkt einmal mehr die Kritik an der (Re-)Konstruktion von Historie mit. Durch die Konfrontation der Figuren bzw. die wiederholte Realisierung ihrer Körper (innerhalb der beiden Handlungsstränge und in deren Verschränkung) erschließen sich Machtgefüge und historische Kontexte neu. Helga Goebbels wird so Joseph Goebbels gegenübergestellt und Hermann Karnau dem namenlosen Folteropfer; gleichzeitig aber auch die beiden autodiegetischen Erzählinstanzen einander, genauso wie das namenlose Folteropfer und Joseph Goebbels sowie schließlich die beiden ›Täter‹ zu den beiden ›Opfern‹ in Beziehung gesetzt werden. Flughunde arbeitet so vor allem anhand der leidenden Körper differenziert neue Körperzeiten aus, wodurch eine spezifische Zeug_innenschaft dieser Körper in Hinblick auf zeitgeschichtliches Geschehen entworfen wird.
Spur – Verlust
Ulli Lusts Recherchen und ihre Verwendung historischer Fotografien für den Comic hätten ihm klargemacht, so Marcel Beyer, »dass sich unser Bedürfnis nach Bildern in den letzten fünfundzwanzig Jahren enorm verändert« habe. »Nicht nur die Präsenz, sondern auch die Vehemenz, mit der tatsächliche Bilder unseren imaginierten Bildern heute Kontra bieten, ist enorm« (Beyer/Lust/Börnchen, 55).
Nun mag die Unterscheidung von »tatsächliche[n] Bildern« und »imaginierten Bildern« ausgehend von einer phänomenologisch ausgerichteten Bildtheorie und Erkenntnissen der Visual Culture Studies kritisierbar sein, worauf Beyer aber in weiterer Folge produktiv das Augenmerk lenkt, ist eine zentrale medienkritische Dimension des Romans, die durch Lusts Comic-Adaption weitergedacht wird. Das »Wiedererkennen« vermeintlicher historischer Fakten nämlich – so Beyer – »beruht ja selbst auf medialer Vermittlung, wo es um Historisches geht. Insofern gleicht man Medien mit Medien ab, nicht Wirklichkeit mit Fiktion« (Beyer/Lust/Börnchen, 58). Lust zitiert eine Reihe von Fotografien (u. a. Reinprecht, 44–45), wobei eine davon für die narrative Komposition des Comics besonders ausschlaggebend ist. Nach der Einnahme Berlins 1945 durch die Alliierten obduzierte ein sowjetischer Pathologe den Leichnam Helga Goebbels’, was durch eine Fotografie dokumentiert ist. Sie zeigt den in die Kamera blickenden Pathologen, der den Leichnam an den Haaren und unter dem Kinn hält und ihn der Kamera präsentiert.11 Diese Fotografie wird im Comic an zentraler Stelle zitiert: Das Schlusskapitel widmet sich in Roman und Comic Hermann Karnau, der sich – nun im Jahr 1992 – jene Aufnahmen anhört, die er in den letzten Nächten vor der Ermordung der Goebbels-Kinder heimlich gemacht hat. Auf vier Seiten wird dabei im Comic die Entstehung der Fotografie (nach-)erzählt und mit Darstellungen des sich erinnernden Karnaus verschränkt (FC, 354–357). Extensiv funktionalisiert wird im Zuge dessen Helga Goebbels’ Haar, das schon auf dem Cover der deutschsprachigen Originalausgabe12 ins Zentrum gestellt wird. Es ist von geradezu »hyperbolischer Länge« (Börnchen, 117).
Die eröffnende Seite dieser Sequenz (Abb. 4) zeigt die Fotografie, hervorgehoben durch ihre Positionierung links unten im Vordergrund. Ein Teil der Szenen im Hintergrund ist durch vertikale Linien überdeckt, indizierend – wie die folgenden Seiten verdeutlichen –, dass es sich um eine Erinnerung oder Imagination Karnaus handelt. Der Fotograf links oben blickt durch die Kamera auf die Leser_innen; rechts oben wird der Akt des Fotografierens dargestellt und rechts unten die Obduktion des Leichnams.
Auf der folgenden Seite wird eine zentrale Frage aufgeworfen und auch grafisch hervorgehoben: »Die Akte spricht von Zöpfen, doch auf dem Totenphoto trägt Helga das Haar offen. Wer hat der Leiche die Zöpfe entflochten?« (FC, 355). Die daran angeschlossene Frage des Romans, »War es die Pathologenhand im Gummihandschuh?« (FR, 262), wird im Comic ausgespart, allerdings wird in den folgenden Panels das Entflechten der Zöpfe durch den Pathologen piktoral erzählt und das Haar dabei besonders hervorgehoben (Abb. 5 und 6).

Abb. 5: Foto der toten Helga Goebbels II. Haar und Spur.
Abb. 6: Foto der toten Helga Goebbels III. Haar, Spur und Akt des Fotografierens.
Die Bedeutung des (entflochtenen) Haars ist intrikat und durchaus mehrdeutig, kann etwa als missbrauchender sexueller Akt (an der Toten) gelesen werden, was einmal mehr ihre ohnmächtige Position als (weibliches) Kind bestätigen würde. In Flughunde steht es auch metaphorisch für (historische) Erkenntnis und Spurensuche ein – in Hinblick auf das Verbrechen an Helga Goebbels13 aber auch übergreifend hinsichtlich der Verbrechen der Nationalsozialist_innen. Gleichzeitig lädt es zu medientheoretischen Diskussionen im Anschluss an die Bedeutung des Phonographen ein (u. a. Börnchen). Das Haar kann aber auch als Realisation der Spur gedeutet werden, die »für den Comic die Performativität der heterogenen Zeichen« (Frahm 2006, 257) signifiziert, im Kontext des historischen Erzählens just dieses Erzählen produktiv verunsichert und hegemoniale Narrative unterwandert. So sind diese vier Seiten eben auch als Reflexion über das Erzählen, die (historische) (Un-)Zuverlässigkeit der Erzählinstanz(en), über Zeitzeug_innenschaft sowie über die kritische Funktion des Mediums Comic verstehbar. Das Haar verweist auf seine Funktion als Zeichen, als »Spuren von Spuren« (Frahm 2006, 257). Der Comic setzt dies auch insofern in Szene, als das Haar eine Entsprechung in den beschriebenen ›Erinnerungs-/Imaginationslinien‹ sowie in den Bewegungslinien hat, die das Blitzen der Kamera bzw. den Akt des Fotografierens bedeuten.
Am Ende der vier Seiten greift der Comic den Moment der Entstehung der Fotografie wieder auf. Nun sehen die Leser_innen von hinten auf den Pathologen, der die tote Helga Goebbels in die Kamera hält. Die Körperhaltung des Fotografen zitiert jene des ersten Panels – die Leser_innen werden also wieder zum Anfang zurückgeführt. Somit wird die Szene noch einmal (und achronologisch) anders erzählt, aus einer neuen Perspektive; die (historische) Spur – so könnte man sagen – lässt sich nicht einfach entschlüsseln, Zeit(en) werden geschichtet14 sondern muss eben immer wieder neu erzählt werden. Das Lesen und Interpretieren des Comics selbst verliert sich somit in einer Schleife; es muss kontinuierlich Bedeutung – nämlich auch in Hinblick auf das historische Geschehen – gesucht werden.
Die Figur des Fotografen bzw. die Blicklenkung bringt diesen Prozess des Lesens und Interpretierens von Spuren in besonderer Weise zum Ausdruck: Zu Beginn erscheint es nämlich so, als seien die Leser_innen sein Objekt – sie sehen sich unmittelbar mit der Kamera konfrontiert und sehen im Moment des Fotografierens nur Licht/Dunkelheit (Abb. 4). Vielleicht könnte man sogar sagen, dass auf der_die Leser_in auf dieser Seite zwischen dem Fotografen und dem eigentlichen Objekt positioniert wird und somit buchstäblich als interpretierende/erzählende Instanz zu verstehen ist. Wie Beyer feststellt, »geht [es] uns, indem wir das historische Material vom imaginären trennen, weniger um Erkenntnis als darum, Souverän über den Bereich unserer Gefühle zu bleiben« (Beyer 2016 [2006], 289).
Die wiederholten körperlichen Realisationen der Figur Helga Goebbels – anhand des Fotografie-Zitats und der forcierten Darstellung des Haares – verweisen auf einen produktiv prekären Zeug_innen-Status: Der Körper ist paradigmatisch als leidender zu verstehen und performiert gleichzeitig Erkenntniskritik. Während ersteres eine wiederholte und fortwährende Reflexion über die Vergangenheit garantiert, die Erinnerung herausarbeitet und die Notwendigkeit des historischen Erinnerns ins Bewusstsein ruft, verweist zweiteres auf dessen Konstruktion durch die Interpretation des historischen Materials und die sich verändernde Erinnerung. Der Comic-Körper ist quasi Austragungsort für diese paradoxe Konstitution, er ist die Spur, die er zeigt und vor dem Blick abschirmt – im Dazwischen, zwischen den Rahmen und zwischen den Zeilen/Spuren.15
Erinnerung – Auslöschung
Eingerahmt ist diese Fotografie-Passage durch Szenen, die Karnau beim Anhören der geheimen Aufzeichnungen zeigen, die er in den letzten Tagen vor der Ermordung der Goebbels-Kinder gemacht hatte. Besonders aufschlussreich für das Verständnis von Körper und Zeit bzw. Erinnerung und Erzählen ist eine Sequenz von drei Panels (Abb. 7).
Das erste Panel zeigt Karnau im Profil, vor einem Plattenspieler stehend. Auch hier suggerieren die vertikalen Linien Introspektion und Erinnerung. Das zweite Panel wiederholt das erste und kann in Verbindung mit dem dritten Panel als Externalisierung des Erinnerungsprozesses gelesen werden.16 Die Figur der erzählten Gegenwart verblasst und an ihre Stelle wird im dritten Panel analeptisch ein jüngerer Karnau platziert. Gleichzeitig aber kann diese Sequenz auch als Kommentar zur Entstehung des Comics gelesen werden, kann doch das zweite genauso als schematischer Entwurf des ersten gelten und somit die Sequenz von rechts nach links verstehbar sein – also den Entstehungsprozess zurückgehend. Darüber hinaus sind die bildliche und schriftliche Ebene paradox miteinander verbunden: Während Karnau im ersten Panel darüber reflektiert, ob er die Aufnahmen zerstören sollte oder nicht – mit der Schlussfolgerung im zweiten Panel: »Nein, nicht löschen, das bringe ich nicht über mich.« (FC, 359) –, ist es der Körper, der als verschwindend verstanden werden kann, was wiederum in Opposition zu Karnaus obsessiv angestrebter ›Konservierung‹ von Zeit und Körpern durch Aufzeichnungen steht.
Das dritte Panel zeigt nun eine Erinnerung an eine bestimmte Situation in der Vergangenheit und ist sowohl als narrativer – oder als selbstreflexiver – Rückblick als auch als ›intratextuelles Zitat‹ denkbar, verweist damit auf das »implizite[…] Gedächtnis« – nach Schüwer ein formales Merkmal von Comics (241). Jene in diesem Panel zitierte Szene ist nur verständlich, wenn das Zitat erkannt wird: Am Abend vor ihrer Ermordung liest Karnau den Goebbels-Kindern vor. Dies wurde zuvor bereits zweimal erzählt: zuerst aus der Perspektive Helga Goebbels’ (Abb. 8) und einmal – im Rückblick – aus der Hermann Karnaus (Abb. 9). Diese dreifache Wiederholung lenkt die Aufmerksamkeit auf diese Szene und auf die Erinnerung daran bzw. deren Auslöschung. Bedeutend ist dies nicht nur, weil die Ermordung der Goebbels-Kinder sowohl als historisches Zitat als auch als intradiegetisches Ereignis von zentraler Bedeutung ist, sondern auch weil in Roman und Comic immer wieder angedeutet wird, dass Karnau selbst die Kinder ermordet und seine Tat verdrängt haben könnte. Die kindliche Erzählung über den vorlesenden Karnau (Abb. 8) wird konfrontiert mit Karnaus Erinnerung (Abb. 7 und 9) bzw. diese mit der konservierten Stimme Karnaus (Abb. 9). Der Comic schachtelt unterschiedliche Zeit- und Zitatebenen, perspektiviert sie neu und macht sie damit neu verstehbar.

Abb. 8: Die Vorleseszene. Intratextuelles Zitat II.
Abb. 9: Die Vorleseszene. Intratextuelles Zitat III.
Diese Spur zu Karnaus (angedeuteter) Täterschaft wird auch durch das von ihm Vorgelesene selbst untermauert. Karnau liest nämlich aus dem Grimm’schen Märchen Van den Machandel-Boom, in dem eine Frau ihr Stiefkind tötet und dieses vom Vater gegessen wird. Die Knochen werden von der Stiefschwester gesammelt und verwandeln sich in einen Vogel, der sich rächt und die Stiefmutter tötet. An der Stelle, an der sie stirbt, ersteht das Kind wieder auf – im übertragenen Sinn wie die Erinnerung aus den Aufzeichnungen. Die Strophe »KYWITT, KYWITT, WAT VÖR’N SCHÖÖN VOGEL BÜN IK« (Hervorhebung im Original; FC, 320; vgl. 352, 359) schließt einen Refrain ab, den der Vogel im Märchen achtmal singt (Grimm und Grimm, Nr. 47). Das wiederholte Zitat wird zudem – im Gegensatz zu den inneren Monologpassagen Helga Goebbels’ und Hermann Karnaus – insofern hervorgehoben, als es immer in Sprechblasen dargestellt wird; auch die lautmalerische Qualität des ›Kywitt‹ steuert die Aufmerksamkeit auf das Märchenzitat.
An der besprochenen Sequenz (Abb. 7) kann so die zeitliche Dimension als »senso-motorisches Bild« und als »Zeit-Bild« im Sinne Gilles Deleuzes nachvollzogen werden, wie es Schüwer produktiv für den Comic funktionalisiert (210–235). Das Deleuze’sche ›Zeit-Bild‹ dient nachgerade als »Gewährsfigur für die Verdichtung von Bild und Zeit« (Serles, 84); »[t]ime simultaneously makes the present pass and preserves the past in itself« (Deleuze, 98). Für Flughunde ist dabei die – von Oliver Fahle für das Deleuze’sche ›Zeit-Bild‹ akzentuierte – »theoretische Konstruktion von Erinnerung und Vergangenheit« (98) aufschlussreich bzw. lässt sie sich hier exzeptionell zeigen. In der historischen und erinnerungskritischen Ausarbeitung von Flughunde werden die »Schichten und Faltungen« (Serles, 88) in ihrer erkenntniskritischen Dimension deutlich. Comics haben, wie sich damit zeigt, die Fähigkeit, die Vergangenheit im Besonderen als »preserved in time« zu verdeutlichen: »it is the virtual element into which we penetrate to look for the ›pure recollection‹ which will become actual in a ›recollection image‹« (Deleuze, 98).
Resümee: Körpergedächtnis
Ulli Lusts Adaption von Marcel Beyers gleichnamigem Roman Flughunde reflektiert an den Comic-Körpern aufschlussreich – und eine zentrale Ebene des Romans aufgreifend – die (Re-)Konstruktion von Erinnerung, die Konstruktion zeitlicher Ebenen (Körperzeit), Zeitzeug_innenschaft (Zeitkörper) und Erzählstrategien selbst. In der Darstellung der Körper, ihrer spezifischen narrativen Funktionalisierung und selbstreflexiven Dimension sowie durch die Konfrontation mit anderen Körpern wird (die) Geschichte als immer wieder neu und anders erzählbar deutlich.
Zentral für das Verständnis der Körper in Flughunde ist der Begriff der ›Spur‹. In Roman und Comic wird mit der Idee einer ›Spurensuche‹ gearbeitet, der Vorstellung einer offen gelegten oder ›sichtbar‹ gemachten Verbindung zur Historie bzw. Repräsentation dieser. Gleichzeitig ist die Vorstellung des Körpers als ›Spur‹ auch immer dekonstruktiv zu lesen, der Körper in seiner Zeichenhaftigkeit (Klar) zu begreifen und die ›Spur‹ als gezeichnete und damit artifizielle Linie (u. a. Frahm 2006; Squier/Krüger-Fürhoff, 3) bzw. als medien- und kulturtheoretische Figur zu verstehen (u. a. Börnchen, Huwiler).
Flughunde arbeitet anhand der Spuren an seinem eigenen ›Gedächtnis‹ (›intratextuelle Zitate‹) und arbeitet sich an einem kollektiven Gedächtnis ab. An den Figuren kann so auch produktiv – und Comics Studies sowie Kulturtheorie ergänzend – ›Körpergedächtnis‹17 diskutiert werden. In dem Essay Spucke (1998) unterscheidet Beyer zwei Definitionen dieses Terminus’: jene, dass »Narben, Falten, Hautzeichnungen, jegliche Spuren [...] Rückschlüsse auf ihre Herkunft zulassen« (Beyer 2016 [1998], 276)18 und jene, von ihm präferierte, »Körpergedächtnis als ein Gedächtnis« zu begreifen »über das nicht mein Bewußtsein, über das allein mein Körper verfügt«. Dieses könne einem »mitunter in die Quere kommen«, es könne sich »über Generationen hinweg äußern« (277). Die zweite Definition19 entspricht einem kulturwissenschaftlichen Verständnis von ›Körpergedächtnis‹, das als eng verbunden mit Erkenntnissen der Biologie und Medizin sowie Psychologie (Epigenetik) zu denken ist und beispielsweise auch in Hinblick auf transgenerationale Traumata diskutiert wird. An Flughunde können diese Konzepte für die Comicanalyse fruchtbar gemacht werden. Die Körper tragen Spuren und sind Spuren, an ihnen wird die Diegese entwickelt, gleichzeitig kommen sie sich in ihrer Wiederholung sozusagen in die Quere und verweisen immer wieder auf die Verdichtung (›Zeit-Bild‹) des Erzählten/Erinnerten. Sie sind fragmentiert, situiert, temporär, geschichtet, widersprüchlich, wiederholt, immer wieder neu aufgeführt, die Leser_innen einladend, sich mit ihnen zu identifizieren, und dies gleichzeitig zurückweisend – und sie erlauben es exzeptionell, die in Beyers Roman verhandelte erinnerungs- und erzählkritische Dimension – zu performieren. Ihre Zeug_innenschaft ist immer schon prekär und eben genau deswegen auch besonders aufschlussreich.
_______________________________________________________
Bibliografie
- Babka, Anna und Gerald Posselt: Gender und Dekonstruktion. Begriffe und kommentierte Grundlagentexte der Gender- und Queer-Theorie. Wien: Facultas, 2016.
- Balzer, Jens: Differenz und Wiederholung. Von Tintin zu den Oubapoten. In: Schreibheft. Zeitschrift für Literatur 51 (1998), S. 175–177.
- Balzer, Jens und Ole Frahm: Tragik, Schock, Ratlosigkeit. Zeitgeschichte im Comic. In: Geschichte und Gesellschaft 37 (2011), S. 47–71.
- Beise, Arnd: »Körpergedächtnis« als kulturwissenschaftliche Kategorie. In: Übung und Affekt. Formen des Körpergedächtnisses. Hg. v. Bettina Bannasch und Günter Butzer. Berlin und New York: de Gruyter, 2007 (Media and Cultural Memory), S. 9–25.
- Beckmann, Anna: Strategies of Ambiguity. Non-binary Figurations in German-language Comics. In: Kristy Beers Fägersten, Anna Nordenstam, Leena Romu und Margareta Wallin Wictorin (Hg.): Comic Art and Feminism in the Baltic Sea Region. Transnational Perspectives. London, New York: Routledge 2021, S. 129–150.
- Beyer, Marcel: Flughunde. 2. Aufl. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 2016 [1995]. (= FR)
- Beyer, Marcel: The Karnau Tapes. Ãœbers. v. John Brownjohn. New York, San Diego und London: Harcourt Brace & Company, 1997.
- Beyer, Marcel: Nachwort [2006]. Flughunde. 2. Aufl. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 2016, S. 285–293.
- Beyer, Marcel.: Spucke [1998]. In: Flughunde. 2. Aufl. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 2016, S. 271–284.
- Beyer, Marcel, Ulli Lust und Stefan Börnchen: Marcel Beyer im Gespräch mit der Comiczeichnerin Ulli Lust. Roman in Sprechblasen. Moderation: Stefan Börnchen. Köln, 3. November 2015. In: transLIT 2015 (2016), S. 49–80.
- Beyersdorf, Erik Herman: Telling the Unknown. Imagining a Dubious Past in Marcel Beyer’s Flughunde. In: Journal of the Australasian Universities Language and Literature Association 117 (2012), S. 83–97.
- Birtsch, Nicole: Strategien des Verdrängens im Prozeß des Erinnerns. Die Stimme eines Täters in Marcel Beyers Roman Flughunde. In: Reden und Schweigen in der deutschsprachigen Literatur nach 1945. Fallstudien. Hg. v. Carsten Gansel und Paweł Zimniak. Wrocław und Dresden: Neisse Verlag, 2006 (Beihefte zum ORBIS LINGUARUM 49), S. 316–330.
- Blank, Juliane: Literaturadaptionen im Comic. Ein modulares Analysemodell. Berlin: Ch. A. Bachmann Verlag, 2015.
- Börnchen, Stefan: Laut-Linien. Zur grafischen Darstellung auditiver Phänomene. Marcel Beyers und Ulli Lusts Flughunde. In: Text+Kritik 218/219 (2018), S. 100–118.
- Burdock, Maureen: Desire Paths. PathoGraphics and Transgenerational Trauma. In: PathoGraphics. Narrative, Aesthetics, Contention, Community. Hg. v. Susan Merrill Squier und Irmela Marei Krüger-Fürhoff. University Park, Pennsylvania: The Pennsylvania State UP, 2020, S. 187–204.
- Chute, Hillary: Why Comics? New York: HarperCollins, 2017.
- Chute, Hillary: Graphic Women. Life Narrative and Contemporary Comics. New York: Columbia University Press, 2010.
- Deleuze, Gilles: Cinema 2. The Time-Image. Ãœbers. v. Hugh Tomlinson und Robert Galeta. 5. Aufl. Minneapolis: University of Minnesota Press, 1997 [1985].
- Donovan, Courtney: Representations of Health, Embodiment, and Experience in Graphic Memoir. Configurations 22 (2014), S. 237–253.
- Eckhoff-Heindl, Nina und Véronique Sina (Hg.): Spaces Between. Gender, Diversity, and Identity in Comics. Wiesbaden: Springer, 2020.
- Engelmann, Jonas: Gerahmter Diskurs. Gesellschaftsbilder im Independent-Comic. Mainz: Ventil Verlag, 2013.
- Fahle, Oliver: Zeitspaltungen. Gedächtnis und Erinnerung bei Gilles Deleuze. In: montage AV 11.1 (2002), S. 97–112. DOI: 10.25969/mediarep/123.
- Fawaz, Ramzi: A Queer Sequence. Comics as a Disruptive Medium. In: PMLA 134.3 (2019), S. 588–594.
- Frahm, Ole: Die Sprache des Comics. Hamburg: Philo Fine Arts, 2010.
- Frahm, Ole: Genealogie des Holocaust. Art Spiegelman’s MAUS – A Survivor’s Tale. München: Fink, 2006.
- Georgopoulou, Eleni: Abwesende Anwesenheit. Erinnerung und Medialität in Marcel Beyers Romantrilogie Flughunde, Spione und Kaltenburg. Würzburg: Königshausen & Neumann, 2012.
- Giblett, Kylie: The Version That Wanted to Be Written. Writing the Nazi Past as Historiographic Metafiction. Berlin: Erich Schmidt 2021 (Transpositionen/Transpositions Bd. 13).
- Grimm, Jacob und Wilhelm Grimm: Van den Machandel-Boom. Bd. 1. Berlin: Realschulbuchhandlung 1812, S. 203–217.
- Groensteen, Thierry: Die Rhythmen der Comics. Ãœbers. v. Stephan Packard. In: Medien Observationen. https://www.medienobservationen.de/beitraege/comics. 26. 03. 2012.
- Groensteen, Thierry: The Art of Braiding. A Clarification. In: European Comic Art 9.1 (2016), S. 88–98. DOI: 10.3167/eca.2016.090105.
- Huwiler, Elke: Stimmkörper. Schlaglichter auf das Phänomen der Stimme in Marcel Beyers „Flughunde“ als Roman und Hörspiel. In: Text – Körper – Textkörper. Hg. v. Carla Dauven-van Kippenberg, Christian Moser, Rolf Parr und Martina Wagner-Egelhaaf. Heidelberg: Synchron Wissenschaftsverlag der Autoren, 2019, S. 175–188.
- Klar, Elisabeth: Wir sind alle Superhelden! Über die Eigenart des Körpers im Comic – und über die Lust an ihm. In: Theorien des Comics. Ein Reader. Hg. v. Barbara Eder, Elisabeth Klar und Ramón Reichert. Bielefeld: transcript, 2011, S. 219–236.
- Klar, Elisabeth: Transformation und Überschreibung. Sprache und Text in ihrer Beziehung zum Körper-Zeichen in den Comics von Alfred. In: Bild ist Text ist Bild. Narration und Ästhetik in der Graphic Novel. Hg v. Susanne Hochreiter und Ursula Klingenböck. Bielefeld: transcript, 2014, S. 169–189.
- Klein, Christian: Kommentar. In: Marcel Beyer: Flughunde. 2. Aufl. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 2016 [1995], S. 295–334.
- Krüger-Fürhoff, Irmela Marei: Narrating the Lived Reality of Illness in Comics and Literature. Research by the PathoGraphics Team at Freie Universität Berlin. In: DIEGESIS: Interdisciplinary E-Journal for Narrative Research / Interdisziplinäres E-Journal für Erzählforschung 8.1 (2019), S. 109–120.
- Krüger-Fürhoff, Irmela Marei und Nina Schmidt: Konstruktion und Subversion von Körperbildern im Comic. Über diese Ausgabe. In: Closure. Kieler e-Journal für Comicforschung 7.5 (2021) <https://www.closure.uni-kiel.de/closure7.5/ueber>. 05.07.2021.
- Lust, Ulli (A) und Marcel Beyer (W): Flughunde. Berlin: Suhrkamp, 2013. (= FC)
- Lust, Ulli (A) und Marcel Beyer (W): Voices in the Dark. Ãœbers. v. John Brownjohn. Ãœbers. adapiert v. Nika Knight. English Lettering Kevin Cannon. New York: New York Review Comics, 2017.
- MartÃnez, MatÃas: Stimmenkonkurrenz und Stimmenkomposition in Marcel Beyers Roman und Ulli Lusts Graphic Novel Flughunde. In: Marcel Beyer. Perspektiven auf Autor und Werk. Hg. v. Christian Klein. Stuttgart: Metzler, 2018, S. 111–121.
- McCloud, Scott: Understanding Comics. The Invisible Art. New York: Harper Collins, 1994.
- Mundt, Hannelore G.: Framing the Past in Graphic Novels: Ulli Lust’s/Marcel Beyer’s Flughunde, Barbara Yelin’s Irmina, and Volker Reiche’s Kiesgrubennacht. In: GegenwartsLiteratur. Ein germanistisches Jahrbuch 15 (2016), S. 191–215.
- Postema, Barbara: Narrative Structure in Comics. Making Sense of Fragments. Rochester, New York: RIT Press, 2013.
- Rauchenbacher, Marina: Comics – posthuman, queer-end, um_un-ordnend. In: Genealogy+Critique 8.1 (2022), S. 1–27.
- Rauchenbacher, Marina: ] [. Verstummen und Stille in Ulli Lusts Comic-Adaption von Marcel Beyers Roman Flughunde. In: Laute(r) Bilder. Musik in Manga, Comic & Co. Hg. v. Melanie Unseld und Akiko Yamada. Hildesheim, Zürich, New York: Olms-Weidmann (im Erscheinen).
- Rauchenbacher, Marina und Katharina Serles: Fragmented and Framed. Precarious ›Body Signs‹ in Comics by Regina Hofer, Ulli Lust, Barbara Yelin und Peer Meter. In: Spaces Between. Gender, Diversity, and Identity in Comics. Hg. v. Nina Eckhoff-Heindl und Véronique Sina. Wiesbaden: Springer, 2020, S. 79–93.
- Reinprecht, Silke: „Caught in the Bubble“. Narration und Bild-Text-Relationen in Ulli Lusts Graphic Novels Heute ist der letzte Tag vom Rest deines Lebens und Flughunde. Diplomarbeit. Universität Wien, 2016 (http://othes.univie.ac.at/42044).
- Rilke, Rainer Maria: Ur-Geräusch [1919]. In: Rainer Maria Rilke. Sämtliche Werke. Bd. 6. Frankfurt am Main: Insel, 1966, S. 1085–1090.
- Rotaru, Arina: The Sound of Life in Marcel Beyer’s Flughunde (The Karnau Tapes). In: Seminar. A Journal of Germanic Studies 75.4 (2021), S. 360–381.
- Schmidt, Thomas E.: Erlauschte Vergangenheit. Über den Stimmsucher Marcel Beyer. In: Aufgerissen. Zur Literatur der 90er. Hg. v. Thomas Kraft. München und Zürich: Piper, 2000, S. 141–150.
- Schotte, Marcus: Spielformen der Gewalt. Ulli Lust adaptiert Marcel Beyers Roman Flughunde als Graphic Novel. In: Wirkendes Wort 66.1 (2016), S. 113–131.
- Schröer, Marie: Ebenbilder und Fremdkörper. Figurenmultiplikationen im Werk von Patrice Killoffer. In: Closure. Kieler e-Journal für Comicforschung 7.5 (2021), S. 146–162. <http://www.closure.uni-kiel.de/closure7.5/schroeer>. 05.07.2021.
- Schüwer, Martin: Wie Comics erzählen. Grundriss einer intermedialen Erzähltheorie der grafischen Literatur. Trier: WVT Wissenschaftlicher Verlag, 2008.
- Serles, Katharina: »Time in Comics is infinitely weirder than that«. Zooming/Folding/Building Time bei Marc-Antoine Mathieu und Chris Ware. In: Bild ist Text ist Bild. Narration und Ästhetik in der Graphic Novel. Hg. v. Susanne Hochreiter und Ursula Klingenböck. Bielefeld: transcript, 2014, S. 79–96.
- Sina, Véronique: Comic – Film – Gender. Zur (Re-)Medialisierung von Geschlecht im Comicfilm. Bielefeld: transcript, 2016.
- Squier, Susan Merrill und Irmela Marei Krüger-Fürhoff: Introduction. In: PathoGraphics. Narrative, Aesthetics, Contention, Community. Hg. v. Squier und Krüger-Fürhoff. University Park, Pennsylvania: The Pennsylvania State University Press, 2020, S. 1–6.
- Szép, Eszter: Comics and The Body. Drawing, Reading, and Vulnerability. Columbus: The Ohio State University Press, 2020 (DOI: 10.26818/9780814214541).
- Thomas, Christian: Marcel Beyers Flughunde (1995) als Kommentar zur Gegenwart der Vergangenheit. In: NachBilder des Holocaust. Hg. v. Inge Stephan und Alexandra Tacke. Köln, Weimar, Wien: Böhlau, 2007, S. 145–168.
- Weigel, Sigrid: Bilder des kulturellen Gedächtnisses. Beiträge zur Gegenwartsliteratur. Dülmen-Hiddingsel: tende, 1994.
- Whitney, Tyler: Unsound. Auditory Erasure in Marcel Beyer’s Literary Archive of the Third Reich. In: German Studies Review 42.3 (2019), S. 519–536.
Abbildungsverzeichnis
- Abb. 1: Lust, Ulli (A) und Marcel Beyer (W): Flughunde. Berlin: Suhrkamp, 2013, S. 151.
- Abb. 2: Lust, Ulli (A) und Marcel Beyer (W): Flughunde. Berlin: Suhrkamp, 2013, S. 133.
- Abb. 3: Lust, Ulli (A) und Marcel Beyer (W): Flughunde. Berlin: Suhrkamp, 2013, S. 134.
- Abb. 4: Lust, Ulli (A) und Marcel Beyer (W): Flughunde. Berlin: Suhrkamp, 2013, S. 354.
- Abb. 5: Lust, Ulli (A) und Marcel Beyer (W): Flughunde. Berlin: Suhrkamp, 2013, S. 356.
- Abb. 6: Lust, Ulli (A) und Marcel Beyer (W): Flughunde. Berlin: Suhrkamp, 2013, S. 357.
- Abb. 7: Lust, Ulli (A) und Marcel Beyer (W): Flughunde. Berlin: Suhrkamp, 2013, S. 359.
- Abb. 8: Lust, Ulli (A) und Marcel Beyer (W): Flughunde. Berlin: Suhrkamp, 2013, S. 320.
- Abb. 9: Lust, Ulli (A) und Marcel Beyer (W): Flughunde. Berlin: Suhrkamp, 2013, S. 352.
- 1] Der Terminus ›Adaption‹ wird hier nach Juliane Blank verstanden. Demnach sind Comics dann als Adaptionen zu verstehen, wenn sie sich »1) auf einen einzigen literarischen Text und 2) auf einen solchen Text als Ganzes beziehen, d.h. sowohl Figurenkonstellationen als auch Handlung, Struktur und sprachliche Charakteristika aufgreifen und nicht nur einen einzelnen Aspekt ›zitieren‹ oder weiterentwickeln.« (31)
- 2] Für den Roman gilt im Folgenden die Sigle ›FR‹, für den Comic ›FC‹.
- 3] Die umfangreiche internationale Forschung zu Beyers Roman bespricht diese Themen aus verschiedenen Blickwinkeln (u. a. Beyersdorf; Birtsch; Georgopoulou; Giblett; Huwiler; Klein; Rotaru; Schmidt; Thomas; Whitney).
- 4] MatÃas MartÃnez betont, dass es sich nicht – wie mitunter in der Forschung angegeben – um eine ›auktoriale Erzählinstanz‹ handle, sondern um eine »anonyme homodiegetische Stimme« (119).
- 5] In Flughunde wird dabei mit der Idee der ›ultimativen Quelle‹ in Anspielung an Rainer Maria Rilkes Essay Urklang (1919) gearbeitet (u. a. FC, 244), in dem Rilke die Idee ausführt, einen Urklang durch eine Phonographennadel hörbar zu machen, die die Koronalnaht abspielt.
- 6] Die Analyse von Körpern bzw. der spezifischen Konzeption von Körpern in Comics ist in der – vor allem gender-/diversitätstheoretisch basierten – Comicforschung breitgefächert. Bei den angeführten Verweisen handelt es sich um Grundlagenliteratur, jedoch ohne Anspruch auf Vollständigkeit.
- 7] Vgl. dazu u. a. Marie Schröers Ausführungen zu Autographics (149).
- 8] Vgl. für das Verständnis des Potenzials literarischer Körper für die Auseinandersetzung mit Geschichte Weigel, 16.
- 9] Paradigmatisch dafür kann auch eine Passage verstanden werden, in der Karnau angesichts eines gequälten Körpers feststellt: »Beide wissen wir, dass der gemusterte Leib nichts verbergen kann, obwohl die Ohren sich Taubheit auferlegt haben, der Mund Stummheit« (FC, 135; vgl. FR, 137). ›Gemustert‹ meint sowohl ›unter Beobachtung stehend‹ als auch ›mit einem Muster versehen‹ und bleibt damit semantisch zweideutig, ist als inhaltliche Beschreibung genauso zu verstehen wie als Meta-Reflexion. Diese Mehrdeutigkeit geht übrigens in der englischsprachigen Übersetzung von John Brownjohn verloren; dort heißt es nur: »under inspection« (Lust/Beyer 2017 [2013], 135; Beyer 1997 [1995], 122).
- 10] Vgl. zu Beyers Auseinandersetzung mit technischen Entwicklungenen im Nationalsozialimus u. a. Huwiler und Rotaru.
- 11] N.N.: Helga Goebbels, Leiche nach der Obduktion. (Fotografie, 1945). In: https://www.akg-images.de, Bildnr. AKG3914. Letzter Zugriff am 31.01.2022.
- 12] https://www.suhrkamp.de/graphic-novel/ulli-lust/flughunde_1017.html. Letzter Zugriff am 31.01.2022.
- 13] Vgl. zur (metaphorischen) Entfaltung von Familiengeschichte und -traumata anhand von Haaren/Zöpfen Burdock.
- 14] Vgl. dazu die Ausführungen von Chute 2017 zu Zeit in Comics (24).
- 15] Vgl. zum ›Dazwischen‹ in Comics u. a. Eckhoff-Heindl/Sina 2020; Fawaz 2019.
- 16] Vgl. zum Verschwinden des Körpers und dem (Verlust von) Erinnerung auch Krüger-Fürhoff/Schmidt, 2.
- 17] Vgl. zu den extensiven Diskussionen über diesen Begriff, die hier nicht aufgegriffen werden können, die Ausführungen von Beise.
- 18] Vgl. dazu auch die weiterführenden Erläuterungen von Beise sowie Birtsch (323).
- 19] Vgl. dazu auch die Ausführungen von Huwiler, 185.