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»I dij ek kadu!«
Das Unvermögen, vom Meer zu sprechen

Elena Stirtz (Erfurt)

Dave Shelton kokettiert

Am 29. Juli 2010, also knapp anderthalb Jahre vor Erscheinen von A Boy and a Bear in a Boat, veröffentlicht Dave Shelton um 10:21 Uhr englischer Zeit einen kryptisch anmutenden Blogbeitrag. Die Überschrift lautet: »i dij ek kadu!« Und der dazugehörige Folgetext offeriert nicht etwa eine Erläuterung, als vielmehr die Vorwegnahme etwaiger Nachfragen: »… which surely needs no further explanation«.

Bei der rätselhaften Wortverbindung, die zunächst den Eindruck einer ironischen Irreführung erweckt, soll es sich – so die nachträgliche Erkenntnis – um den Sprechblaseninhalt des ersten Panels in dem Comic-Ausschnitt handeln, der 2012 im genannten Erstlingsroman Sheltons zwischen Seite 41 und 44 zu finden sein wird und den dieser Beitrag in den Blick nehmen möchte. A Boy and a Bear in a Boat selbst gibt sich als Roman für Kinder aus, ist gespickt mit zahlreichen Illustrationen, und mittendrin ist da dieses Stück Comic, das ohne nennenswerten Kontext daherkommt, die Geschichte rund um den Jungen und den Bären unterbricht und wie schon Dave Sheltons Blogbeitrag für Verwirrung sorgt. Denn auch nach Durchlaufen aller redaktionellen Etappen einer Buchveröffentlichung erschließt sich das, was Shelton seinem Comic-Fragment in den Mund legt, keineswegs auf Anhieb. Und so drängt sich die Vermutung auf, dass dieses mutmaßlich nicht erklärungsbedürftige Etwas eben doch weiterführender Erklärungen bedarf.

Ein Junge und ein Bär und ein Comic in einem Buch

Der fragliche Comic besetzt lediglich zwei der rund 300 Buchseiten und ist offenbar nur durch einen Zufall an Bord und dadurch gewissermaßen auch ins Buch gelangt. Mit dem Meer verbindet ihn dem Anschein nach ausschließlich der Umstand, dass er sich in dem titelgebenden Boot befindet und somit notgedrungen eine Reise über das Meer antritt. Die Bilder, aus denen er sich zusammensetzt, erscheinen hingegen nur wenig wässrig.

Jedoch beginnt die Geschichte zunächst damit, dass ein Junge bei einem Bären eine Überfahrt in dessen Ruderboot bucht, die Order besteht darin, ihn »[j]ust over to the other side« (BBB, 2) zu bringen. Es gibt keine Namen, keine Orte, keinen Preis für die Reise, der Aufschluss über etwaige Entfernungen geben könnte, keine Erklärungen, keinen Übergang vom Land zum Meer – mit der Begrüßung des Bären befinden sich beide bereits auf dem Wasser, der Boden unter den Füßen des Jungen schwankt von Beginn an.

Im Verlauf der Reise entdeckt der Junge unter der Bank, auf der er sitzt, ein zerknicktes Comic-Heft. Wie alles andere taucht es unvermittelt auf – ein früherer Gast habe es zurückgelassen – und scheint die erste aussichtsreiche Ablenkung von der Monotonie des Meeres darzustellen. Es birgt das unbestimmte Versprechen, der Endlosigkeit der umgebenden Wassermassen eine in klar abgegrenzten Rechtecken untergebrachte Geschichte entgegensetzen zu können. Diese Hoffnung wird jedoch prompt enttäuscht, denn der Comic verfügt, wie sich herausstellt, über einige Besonderheiten.

Er ist in einer Sprache verfasst, die der Junge nicht versteht. Zudem liegt er nur unvollständig vor, wobei von dieser Unvollständigkeit wiederum nur ein Teil abgedruckt ist – die Potenzierung des Ausschnitthaften: »It seemed to be just one episode of a longer story so it didn’t have a proper beginning or ending, it was all just part of the middle. There was no way of knowing what had gone on before or what would happen after« (BBB, 40–41). Dadurch erscheint er ebenso ort- und zeitlos wie das Meer, mit dem der Junge konfrontiert wird.

Obwohl nun der Comic mit seinen schrillen, unruhigen Bildern, die dem Jungen überhaupt nicht zusagen, einen deutlichen Gegenentwurf zu einem Meer darstellt, das im kollektiven Bewusstsein in der Regel als einheitlich-blau zusammengefasst wird, spiegelt er doch das vom Meer seit jeher unnachgiebig ausgehende Unbehagen.1Dieser eigentümlichen (Nicht-)Entsprechung möchte der Beitrag in einer Detailanalyse des Comics samt der ihn betreffenden Passagen, aber auch in einem Close Reading des Meeres nachgehen. Wie hängen Comic und Meer zusammen? Und wie bringt ein Comic, der – ausgehend von den Bildern, die er zur Verfügung stellt – nicht vom Meer handelt, sondern sich lediglich auf selbigem befindet, das Meer zur Darstellung?

Doppelseitig und wasserfest

Dafür, dass dem Comic ein besonderer Stellenwert zukommt, lassen sich auf Anhieb diverse Anhaltspunkte finden – auch über seine Rolle als visuelles Highlight und konträrer Farbtupfer in all dem Meeresblau hinaus, das der Romantext fortwährend aufruft. Konsequent widersetzt sich der Comic etwa über die gesamte Länge des Romans hinweg der unnachgiebigen und omnipräsenten Nässe des Meeres – wie diverse Folgeerwähnungen nahelegen, weigert er sich eisern, nachhaltig Schaden zu nehmen und sich aus der Geschichte zu verabschieden.

Weiterhin mischt er sich (bzw. das ihm zugrundeliegende Medium Comic) auch auf paratextueller Ebene beharrlich in Ausführungen zum Roman: So landet er nicht nur etwa im Zuge eines zeitlichen Vorgriffs als köderndes Zitat auf Sheltons Blog, auch Buchrezensionen loben nicht selten sein erfrischend unkonventionelles Daherkommen (vgl. etwa McIntyre), obwohl unter rein quantitativen Gesichtspunkten seine Auftritte im Buch als geringfügig zu bezeichnen sind. Der Klappentext betont ebenfalls trotz begrenzten Raums, der ihm zur Verfügung steht, gleich im ersten Satz, Junge und Bär seien bei ihrer Reise über das Meer »equipped with a suitcase, a ukulele and a comic book«, während die der Geschichte vorangesetzte Autorenbeschreibung Dave Sheltons Vorliebe für »comics, cricket, crosswords and talking to cartoonists about pens« hervorhebt. Zweifellos lässt sich hier der auf Vermarktungsabsichten beruhende Hang zu (mindestens) dreigliedrigen Aufzählungen und Alliterationen feststellen, dennoch ist es bemerkenswert, dass ein als Zufallsfund deklariertes Comic-Bruchstück so sehr auf Präsenz zu bestehen scheint.

Dieses Beharren darauf, Beachtung zu finden, spiegelt sich ebenfalls in gestalterischen Aspekten: In der Hardcover-Ausgabe beansprucht der Comic eine von insgesamt sechs farbigen Doppelseiten für sich, während die Illustrationen auf den restlichen Seiten (bis auf eine Ausnahme) in Schwarz-Weiß gehalten sind. Hervorzuheben ist außerdem, dass sowohl Comic als auch Illustrationen von Shelton selbst stammen, wodurch ihnen eine Vorsätzlichkeit zukommt, die ihnen – anders als im Falle ›externer‹ Illustrationen, die sich häufig auf das Bebildern von als wesentlich markiertem Text beschränken – zusätzliches Gewicht verleiht. Überdies unterscheidet sich der Stil des Comics deutlich vom Stil der Illustrationen, die auf der diegetischen Ebene rund um Junge, Bär und Meer angesiedelt sind. Letztere sind ausgearbeiteter, differenzierter, präziser, während der Duktus der Comic-Zeichnungen vergleichsweise fahrig anmutet. Was als Herabstufung erscheinen könnte, kann ebenso als Hinweis darauf verstanden werden, dass dem Comic auf diese Weise stilistischer Eigensinn zugestanden wird.

Darüber hinaus ist für ihn ein eigenes – mit »The Comic« überschriebenes – Kapitel reserviert, das seinen Weg in die Hände des Jungen nachzeichnet und unternommene und schließlich scheiternde Lektüreversuche schildert. Hinzu kommt – und hierbei handelt es sich wohl um den Aspekt, der in besonderem Maße von einer Sonderstellung berichtet –, dass der Comic im Gegensatz zum restlichen Bildmaterial im Buch als Zitat in Erscheinung tritt,
also als das, was er zu sein vorgibt (als Comic) abgedruckt wird. Als Gegengewicht zu einer solch unmittelbaren Präsentation findet sich auf der vorangehenden Buchseite die Illustration einer Außenansicht, die den Jungen in seinem Bemühen, dem Comic Sinn abzuringen, einfängt (Abb. 1).

Abb. 1: Verunmöglichte Lektüre.

Doch auch der Glanz der Doppelseite genügt dem Comic offenbar nicht: Er widersetzt sich seiner Kapitelüberschrift und taucht, nachdem er entdeckt, begutachtet und im Zuge einer spontanen Erstreaktion verschmäht wurde, weitere fünf Mal im Buch auf (eigentlich sogar sieben Mal, zählt man die genannten paratextuellen Bezüge hinzu). Immer wieder berichtet der Roman davon, dass der Junge den Comic zur Hand nimmt, und so schlüpft er zwischen die Seiten der Kapitel »The Maps« (BBB, 58), »Inclement Weather« (BBB, 105), »Fishing« (BBB, 121), »Trading Up« (BBB, 139) und »Stormy« (BBB, 276), begleitet die Reise von Bär und Junge auch über die ihm anfänglich zugedachte Rolle als unterhaltsame Ablenkung hinaus und geht so seine ganz eigene Verbindung zum Meer ein. Dieses quillt nämlich aus beinahe jeder Seite von A Boy and a Bear in a Boat hervor, sodass ihm auch der Comic, der auf kontinuierliche Anwesenheit pocht und bucharchitektonisch an den unablässig vom Meer erzählenden Romantext angrenzt, unweigerlich ausgesetzt ist.

In welchen Situationen gelingt es dem Comic nun, inmitten all der marinen Strahlkraft Erwähnung zu finden? Und was macht das Meer währenddessen? Doch vor der Identifikation unmittelbarer Interferenzen und Wechselspiele, vor der Frage, wie Comic und Meer zueinanderfinden und ineinandergreifen, wird zunächst zu klären sein, welche Art Meer und welche Art Comic da überhaupt ›für sich‹ konstruiert werden, um schließlich auf eine ganz bestimmte Weise zusammenzukommen.

Nicht verhandelbar

Das Meer, das Shelton entwirft, ist allumfassend und absolut. Dank der hypnotischen Gleichförmigkeit der Wellen wiegt es den Jungen in den Schlaf, lässt ihn erst erwachen, als kein Stückchen Land mehr in Sicht ist, das den Beweis für einen Kontrast zwischen Festem und Flüssigem liefern könnte. Schnell wird deutlich, dass es nur sich selbst zulässt, als Meer ›an sich‹ in Erscheinung tritt und Ort und Zeit verschlingt. Denn ebenso wie der Bär (»bear«) und der Junge (»boy«) über keine Namen verfügen, bleibt auch das Meer (»sea«) unbenannt und unbekannt und verunmöglicht dadurch jede Lokalisierung. Sogar ein erfahrener »sea captain« wie der Bär steht ihm weitestgehend machtlos gegenüber. Doch seiner Ansicht zufolge ist dem Meer mit pragmatischen Ansätzen ohnehin nicht beizukommen:

»I never have a plan. No point having a plan when you’re a sea captain. When you’re dealing with the sea you have to be able to adapt at a moment’s notice. You have to deal with each situation as it arises. There’s no point moaning about it, you just say: ›Here is where we are. What do we do now?‹ My dad taught me that. He was a sea captain too, you see.« The bear looked off to the horizon. Or perhaps to somewhere beyond it. (BBB, 181–182)

Es ist bezeichnend, dass sich ausgerechnet ein Lokaladverb in die Ausführungen des Bären mischt. Zwar metaphorisiert er das »here« zu einem gedanklichen Etappenziel, einem Wegmarker nicht räumlicher, sondern ideeller Natur, dennoch wird – trotz seiner fortwährenden Beteuerungen, sie hätten sich nicht verirrt – immer deutlicher, dass er die eigens aufgerufene lokale Bestandsaufnahme (»Here is where we are«) nicht leisten kann.

Zudem manifestiert sich im Blick des Bären gen Horizont (und darüber hinaus) eine zeitliche Komponente, die sich mit dem Umstand verknüpft, dass kaum Informationen bekannt werden, die nicht mit dem Meer zu tun haben. Hier blitzt hingegen kurz der vage Anflug von Kontext auf, von Zeit und Zeitvergehen, von Vergangenheit und Geschichte, von Ursprüngen und Bärenvorfahren. Jedoch rückt der Horizont und somit auch die sinnbildlich dahinter verborgene Vergangenheit mit jedem Schritt, den man ihm und ihr näherkommt, in gleichem Maße in die Ferne. Das »beyond« ist nicht erreichbar, erneuert sich immerzu, untermauert mit jeder aussichtslosen Annäherung abermals seine alternativlose Distanz. Das Meer ist jetzt und hier, gewährt keinen Blick und keinen Schritt zurück.

Auch die unvermittelte Nennung eines realen und somit potenziell greifbaren Ortes – »›These tides are really weird […]. It’s not like this at Cromer‹« (BBB, 271) – hat über die unmittelbare Erwähnung hinaus keinen Bestand. Diese vage Information verblasst umgehend, es gelingt ihr keineswegs, von dem so allgegenwärtigen Meeressetting wegzuführen.

Ein ähnliches Verblassen lässt sich im Zusammenhang mit jeglicher Zeit, die nicht ›Meereszeit‹ ist, beobachten. Ohne ersichtlichen Grund bleibt die Uhr des Jungen stehen, zeigt »exactly the same time […] as it had when they had set off« (BBB, 9), Festlandzeit also, die auf dem Meer keine Gültigkeit mehr besitzt. Die zuweilen von Seiten des Bären gelieferten Zeitangaben sind wiederum kaum verifizierbar. So lässt er etwa wie aus dem Nichts die Ruderblätter sinken und ruft, da es vier Uhr nachmittags sei, die Teezeit aus (vgl. BBB, 47), misst anschließend die Dauer, die der Tee ziehen muss, mithilfe eines auf einer Ukulele gespielten Liedes (vgl. BBB, 51).

Ohnehin ist die Spanne der Zeitangaben im Buch enorm: Es ist die Rede von Stunden, die sich allerdings aufgrund der zermürbenden Monotonie, die vom Meer ausgeht, für den Jungen zu Ewigkeiten wandeln. Plötzlich steht außerdem die Aussicht im Raum, Tage, gar Wochen auf See zu verbringen. Eine Zuspitzung erfahren diese Zeiträume, als Bär und Junge ein ›Geisterschiff‹ inspizieren. Dort finden sie nämlich »items of clothing […] all of a style from centuries ago but looking […] only a few years old« (BBB, 218). Und weiter: »On the floor were playing cards, set down mid-game […]. It was as if life had been going on here only moments ago and then suddenly everyone had just disappeared« (BBB, 218–219). Es scheint fast so, als wäre es die Zeit selbst, die hier vom Meerwasser konserviert worden wäre, während Menschen dieser irregulären Überlänge nicht hatten standhalten können.

Das zeitliche Verwirrspiel setzt sich fort, als schließlich das letzte Kapitel einen jähen Ruck ins Jetzt unternimmt. Ein Tempuswechsel befördert die Geschichte von der Vergangenheit in die Gegenwart. Bis zu diesem Zeitpunkt berichtete sie aus einer Perspektive heraus, in der die beschriebenen Strapazen bereits überstanden worden waren und lediglich nacherzählt wurden, nun kommt sie im Jetzt an. Während zuvor das mutmaßliche Ankommen immerzu im Bereich des Möglichen angesiedelt war, es gegebenenfalls lediglich einer Erwähnung harrte, lässt das letzte Kapitel keinen Zweifel daran, dass Junge und Bär keineswegs angekommen sind. Vielmehr bleiben sie dem Meer ultimativ ausgeliefert, sie können von keiner aus der Vergangenheitsform gewonnenen Gewissheit um einen glücklichen Ausgang zehren. Stattdessen: »And they disappear over that flat blue horizon and on towards another« (BBB, 294).

Da ist er wieder, der sich ständig erneuernde Horizont, einer Zaubertafel gleich, und alles ist offen, nichts festgelegt. Das Bild eines Meeres drängt sich auf, das jede Erinnerung an Vergangenes, jeden Gedanken an Zukünftiges zum Verschwinden bringt und ausschließlich die Jetztzeit billigt. Dieser Modus des Gegenwärtigen vereitelt jedoch nicht nur jedes potenziell sich einstellende Gefühl von Sicherheit, sondern lässt ebenso jede Erinnerung an vergangenes Scheitern hinfort treiben. Da sind plötzlich keine Schiffbrüche mehr, keine Seeungeheuer, keine zerschellten Boote und auch nicht die Last eines immerwährenden Nicht-Ankommens.

In der Tat lässt das Meer keine Spuren erkennen und offenbart dadurch seine Ambiguität,sein zerstörerisches sowie erneuerndes Potenzial. Aus diesem Nebeneinander von zunächst Widersprüchlichem, aber auch aus dem räumlich und zeitlich Unverankerten bezieht es eine unmäßige Freiheit (eine Freiheit, die sich, wie sich zeigen wird, im und mit dem Comic auf einer anderen Ebene fortsetzen wird).

Dadurch, dass das Meer keine Anbindung etwa an einen bestimmten – gar real existierenden – Ort erfährt (da fällt auch Cromer nicht ins Gewicht, denn da ist kein Austausch zwischen Cromer und dem Meer), bleiben ihm auch entsprechende Verbindlichkeiten erspart. Es muss sich nicht in Beziehung setzen, kann stattdessen ›für sich‹ und ›bei sich‹ bleiben, kann ausschließlich Meer, sogar das Meer sein, kann im Grunde alles zugleich sein, zu jeder Zeit, an jedem Ort, immer und überall und auch endlos. Unter dieser Voraussetzung, dass etwaige Bezugnahmen keine Rolle spielen, wird schließlich auch der Umstand plausibel, dass das Meer kein Ende findet, an keine Küste stößt, die es in seiner Endlosigkeit unterbrechen würde, dass Junge und Bär zumindest im herkömmlichen – das Meer überwindenden – Sinne nicht ankommen.

Das Meer ist hier nicht bloßer Hintergrund, es ist ungebunden, selbstbestimmt und spezifisch, verfügt über eine Stimme, ist handlungstragend und gleichermaßen Protagonist wie Bär und Junge. So wird ihm etwa Vorsatz zuerkannt: »The sea, having very bad table manners, swallowed down The Mermaid [= das ›Geisterschiff‹] with rude haste« (BBB, 236). Und willentliches Machtgebaren: »The sea was waking now, stretching and flexing its muscles, then bending, dancing, thumping and bumping and rocking and rolling the boat« (BBB, 280).

Diese Exposition des Absichtsvollen führt dazu, dass das Meer unberechenbar bleibt und keine Muster erkennen lässt. So werden auch die unvorhersehbaren Anomalien im Strömungsverlauf, auf die sich der Bär wiederholt beruft (vgl. BBB, 11, 62, 244), zum Sinnbild für die Individualität und Souveränität des Meeres. Unversehens wandelt sich die Planlosigkeit des Bären in ein Moment der Erkenntnis, denn es erscheint in der Tat wenig zielführend, einem launenhaften Meer mit noch so ausgeklügelten Plänen entgegenzutreten.

Das Meer ist allem Anschein nach nicht verhandelbar, es duldet ausschließlich völlige Hingabe. So werden auch mögliche Ablenkungen nahezu restlos getilgt. Das Meer verweigert »anything, really, that wasn’t sea or sky. There weren’t even any aeroplanes or birds or clouds to look at, which was a bit odd« (BBB, 19). Die Augen lassen sich vor ihm nicht verschließen – in ewigen »I spy«-Spielrunden etwa zwingt es sein alternativloses Blau auf (vgl. BBB, 25–31), zwingt es sich selbst auf.

Vor dieser Folie eines sich zentralstellenden Meeres, das für sich beansprucht, nicht ein Meer, sondern das Meer zu sein, präsentieren sich im Verlauf der Geschichte neben dem Comic zwei weitere papierene Medien – Karten und eine Flaschenpost. Doch obwohl diese häufig in einem Atemzug mit dem Meer Erwähnung finden, gelingt es ihnen hier gerade nicht, eine Allianz mit ihm einzugehen, vielmehr beugen sie sich seinem Diktat.

Die Karten, auf die sich der Bär beruft, sind nahezu leer (vgl. BBB, 70–71, aber auch Carroll, 17), zeigen »[j]ust sea and sea and more sea« (BBB, 72), bieten keine Orientierung, keine Sicherheit. Sie stellen »Ortlosigkeit, Ozean als Ozean« (Glasmeier, 79) aus, zudem eine radikale Abkehr vom Versuch, das Meer kartografisch zu bändigen, es zu kerben (vgl. Deleuze/Guattari, 663–669). Die Flaschenpost, die der Junge dem Meer anvertraut und bei der es sich eigentlich um ein exklusiv marines Objekt handelt, widersetzt sich der angegebenen Adressierung und kehrt zu ihm zurück, stößt sich an diesem speziellen Meer und seiner rigorosen Vereinnahmung von Raum.

Der Comic wiederum fügt sich nicht dem genannten Meeresdiktat, stattdessen ›übersetzt‹ er das Meer oder vielmehr das sich im Angesicht des Meeres einstellende Gefühl in seine Sprache, überführt es in gänzlich meeresunspezifische Gefilde, verpflichtet sich zu keinerlei Gefälligkeiten. Während die Ort- und Zeitlosigkeit des Meeres keine Ankerpunkte bieten, kein ›Dazwischenkommen‹ zulassen, ist es umso erstaunlicher, dass dem Comic ein Einhaken gelingt, dass er diesem massiven, allgegenwärtigen Meer seinerseits Präsenz und eine beachtliche Standhaftigkeit entgegensetzt – und das als ein von vornherein beschädigtes und papierenes Objekt, das sich im Normalfall mit Feuchtigkeit äußerst schwertut. In einer Konstellation, in der nichts Nichtmeer ist, wird er in seiner geradezu surrealen Hartnäckigkeit zur subversiven Abweichung. Er mischt in all das Blau etwas Rot, etwas Gelb, eine Prise abgetöntes Grün.

Die Freiheit der Simulation

Das, was sich hier als Comic präsentiert, ist eigentlich gar kein Comic, als vielmehr die Simulation eines Comics, ein Versatzstück in einem Roman, der der Idee eines Comics eine Bühne bietet. Denn das, was da auf einer Doppelseite einer Behauptung zufolge als Comic-Ausschnitt daherkommt, ist aller Wahrscheinlichkeit nach alles, was an Comic zusammenzukommen vermag. Das als Ausschnitt maskierte Stilelement ist integraler Bestandteil einer sich im Wesentlichen einem Fließtext verdankenden Geschichte und als solcher auf selbige beschränkt. Es ist nicht davon auszugehen (wenngleich möglich), dass irgendwo abseits von A Boy and a Bear in a Boat der zum Ausschnitt gehörende Gesamt-Comic existiert.

Doch gerade diese enge Zweckgebundenheit, die vermutlich von vornherein nicht die Konstruktion einer Ganzheit im Sinn hatte, birgt eine spezifische Freiheit, die sich im Grunde an der Freiheit des Meeres orientiert und darin besteht, alles, überall und immer sein zu können. Außerdem erhält der Comic Einzug in eine Textsorte, deren Kriterien nicht auf ihn anwendbar sind. Deshalb ist er ihnen nicht verpflichtet, gewinnt vielmehr durch die Unverbindlichkeit seines Gastauftritts zusätzliche darstellerische und erzählerische Möglichkeiten. Konventionen welcher Art auch immer muss der Comic in einer solchen Konstellation weder folgen noch sich ihnen widersetzen (auch letzteres eine ganz spezifische Freiheit), er kann seine Zeichen frei etablieren und im Grunde (fast) alles tun, da er keinerlei Kontextualisierung erfährt.

Auch die Illustration des comiclesenden Jungen – unterstellt man ihr, sie zeige nicht das Abbild eines Comics, sondern des speziellen Comics, der auch den Leser_innen des Romans als Teilstück vorliegt – stellt keine Grundlage für eine solche Kontextualisierung zur Verfügung. Denn das augenscheinlich (teil-)stilisierte Cover bietet als Titel lediglich ein beliebig anmutendes »Komik« nebst verwaschenen Titel- und Rückseitenheld_innen und angedeuteter Schrift an, von einem Erscheinungsjahr oder anderen derart profanen und potenziell entzaubernden Angaben ganz zu schweigen (siehe ebenfalls Abb. 1).

Hinzu kommt die unbekannte Sprache, die keine Verortung zulässt. Die angedeutete und offenbar trotz Sprachbarriere erahnbare Handlung mutet konventionell an, ist schnell zusammengefasst bzw. gemutmaßt, das übernimmt der Junge: »Early on, a young girl (who seemed to be the heroine) escaped from the clutches of an evil villain with a scary hairdo and a big black coat. On the last page she was facing seemingly certain death at the claws of a gigantic slimy monster with a million teeth and, so far as the boy could make out, supernaturally bad breath« (BBB, 44). Auch sich skurril ausnehmende Details – etwa die grässliche Frisur des Schurken oder den Mundgeruch des Monsters betreffend – bringen lediglich Komik und einen Hauch Exzentrik ins Spiel, ändern aber nichts an der Grundstruktur von vielfach reproduzierten Abenteuergeschichten, in deren Mittelpunkt in der Regel ein_e Held_in steht, der_die sich in einer unvertrauten Umgebung voller Gefahren bewähren und einem_einer Widersacher_in mit listiger Überlegenheit entgegentreten muss (vgl. Abel/Klein, 196).

Daher könnte die hier vorliegende Variante ihren Ursprung beinahe überall haben. Und so verkommt der Comic in dieser Darstellung zum namen- und erneut ort- und zeitlosen Prototyp und spiegelt damit das allgemein formulierte und dadurch ins Oberflächliche tendierende Interesse des Jungen an Comics wider: »It was a comic. Brilliant! The boy loved comics« (BBB, 39).

Wenn nun ein mutmaßlich prototypisches Interesse auf einen mutmaßlichen Prototyp eines Comics trifft, könnte man meinen, es werde schnell eine Einigung erzielt, von der beide Parteien profitieren – lesen und gelesen werden. Der Junge sucht Zerstreuung, Ablenkung vom Meereseinerlei. Und in der Tat gibt sich der Comic (Abb. 2) offenbar alle Mühe, möglichst nichtmarin daherzukommen. Zunächst präsentiert er sich außerordentlich – geradezu unwahrscheinlich – unblau, die dominierenden Farben sind neben Rot und Gelb noch Schwarz und Blassgrün. Auch der Himmel versperrt sich einem traditionellen Blau und greift stattdessen – auf Kosten eines augenfälligen Kontrasts – ebenso wie die Kleidung und die Haare der angenommenen Hauptfigur, die vor diesem Himmel ihren Auftritt in Szene setzt, auf Gelb zurück.

Abb. 2: Der Anschein eines Comics.

Weiterhin zeichnet sich der Comic durch schrille Bilder aus, die abgebildeten Pfade sind verwinkelt, den Figuren stellen sich knorrige Bäume in den Weg, Nasen, Haare und Zähne sind spitz, der Gesamteindruck ist kantig, unproportioniert – ein Erscheinungsbild, das deutlich vom sich überwiegend amorph gebärdenden Meer, von der monotonen Gleichförmigkeit der Wellen differiert (lediglich die Sturm- und Seeungeheuer-Episoden durchbrechen die fluide Uniformität). Zudem ist die Comic-Handlung dynamisch – im Zuge einer Verfolgungsjagd durchschreiten die Figuren rasch den zur Darstellung gebrachten Raum, während Bär und Junge partout nicht voranzukommen scheinen und auf auferlegte Entschleunigung zurückgeworfen werden. Im Comic geben (zuweilen exzessive) perspektivische Verzerrungen Aufschluss über räumliche Gegebenheiten und zurückgelegte Distanzen, während der Romantext das Bild eines Meeres heraufbeschwört, das auf die immergleiche, sich niemals erneuernde Ansicht einer massiven Wasserwand beschränkt bleibt.

Diesen Eindruck bestätigt auch eine Illustration, die dem Meer – wie schon dem Comic – eine prominente Doppelseitenplatzierung einräumt und ebenfalls in Farbe daherkommt (Abb. 3): Kühle Nuancen von Blau dominieren die Szenerie, auch Bär und Junge weichen nur unwesentlich von diesem Farbschema ab, wenden sogar ihre Blicke ab (und dem Meer zu), stellen auf diese Weise keine Ablenkung etwa durch ihre Gesichter dar und stören das Bild der marinen Gleichmäßigkeit nicht. Einen Hinweis auf eine potenziell endlose Wiederholung der Wassermassen bietet wiederum die Linie, die den Horizont repräsentiert. Sie ist vom gleichen helleren Blau wie die kurzen Striche, die die Wasserfläche überziehen und leichte Wellenbewegungen andeuten. Die Essenz dieser Übereinstimmung könnte – wie schon an früherer Stelle angedeutet – darin bestehen, dass selbst mit dem möglichen Erreichen dessen, was jetzt noch Horizont ist, auf Bären und Jungen nichts als (noch mehr) Meer wartet.

Abb. 3: Uferlos.

Nun scheint der Comic auf geradezu mustergültige Weise dafür geeignet zu sein, um der Meeresmonotonie zu trotzen: Die Dynamik seiner Handlung stellt ein beispielhaftes Gegengewicht zur dem Meer zugeschriebenen Eintönigkeit dar, während sein ihm unterstellter Status als Gemeinplatz ein Dasein als Projektionsfläche für an ihn etwa vom Jungen herangetragene Erwartungen nahelegt. Mit der konventionellen Anmutung, die er verströmt, geht die Behauptung einher, er sei bekömmlich, gut konsumierbar.

Doch der Junge ist enttäuscht, der Comic will sich ihm nicht erschließen, ist ihm zu eigensinnig: »It wasn’t just that he didn’t unterstand the words […], the pictures seemed foreign to him too. The drawings were weird, all angular and ugly and a little bit scary, and the colours didn’t fit inside the lines. / He didn’t like it at all« (BBB, 44). Die Hoffnung auf eine kurzweilige Geschichte in einem überschaubaren und handlichen Format als Kompensation für die Gestaltlosigkeit des Meeres wird enttäuscht, der Comic verweigert sich der Unterhaltung.

Während das Meer sich in Uferlosigkeit ergeht und eine Freiheit einfordert, die sich für die beiden Seereisenden zur Bedrohung wandelt, soll der Comic eine Geschichte erzählen, die im Rahmen, an Ort und Stelle bleibt, die eine gemäßigte Rechtecklogik etabliert (wie sie es in klassischen Comic-Panels zu tun pflegt). Stattdessen konterkariert er diesen Wunsch nach Begrenzung und Absehbarkeit, indem er seine Farben über die eigenen Panelränder hinaustreten und ebenso wie das Meer ausufern lässt. Dadurch, dass der Panelinhalt austritt und die Durchlässigkeit mutmaßlicher Einfassungen deutlich wird, entsteht eine Verwirrung von Innen und Außen, die die Lektüre ins Unverbindliche und Ungewisse drängt. Zudem gibt der Comic jedem seiner Panels eine andere Form und Größe, versetzt sie in eine eigentümliche, geradezu traumartige Schieflage. Auch diese überträgt sich auf die Comic-Lektüre, die ebenso aus dem Gleichgewicht gerät. Die stellenweise schräg abfallenden Panels suggerieren einen freien Fall, denen sich Lesende gegenübersehen. Dieser äußere Eindruck korrespondiert mit dem Umstand, dass hier ein ausgesucht spannungsgeladener Ausschnitt vorliegt, der keine entsprechende Entladung erfährt – der Ausgang bleibt in der Schwebe.

Der Comic weist das Konventionelle zurück, er stellt sich für eine entsprechende Lektüre nicht zur Verfügung und geht damit in gewisser Weise auch gegen Vorurteile an, gegen die Comics seit jeher zu kämpfen hatten und die unterstellten, es handle sich bei ihnen um leichte Kost und schlichte Unterhaltung für Kinder (vgl. etwa Thomas, 192). Bei der hier vorliegenden Simulation eines Comic-Ausschnitts erscheinen Kinder als spekulative Zielgruppe, obwohl es sich bei der Hauptfigur um ein Kind zu handeln scheint, nicht ohne Weiteres evident; so räumt etwa der Junge bereits nach erster Sichtung ein, die Bilder seien »a little bit scary«.

Und auch A Boy and a Bear in a Boat selbst sperrt sich gegen eine strikte Kennzeichnung als Kinderliteratur. In der Tat lässt sich dem Roman eine gewisse (dem Genre meist entgegenstehende) Ereignislosigkeit attestieren, es fehlt ein Anfang, ein Ende und damit (erneut) das Konventionelle – all das Elemente, die der Comic auf der Begrenztheit einer Doppelseite pointiert zuspitzt. Als eine Art Mikrokosmos erhält er so die Möglichkeit, Aussagen zu treffen, die sich im Roman über rund 300 Seiten erstrecken. Allem Anschein nach übersteigt die Erzählzeit die erzählte im Comic deutlich – das Auge muss den Fluss der Verfolgungsjagd durch wiederholte Panelsprünge unterbrechen. Der Roman wiederum nimmt vermutlich (!) – denn die Frage nach der Zeit, die Bär und Junge auf dem Meer verbringen, bleibt bis zuletzt ungeklärt – eine andere Gewichtung vor: Die Erzählzeit unterliegt der erzählten Zeit. Der Roman wird nicht ›fertig‹, während der Comic sich den Luxus erlauben kann, die zu erzählenden Elemente zu stückeln. Er verfügt auf kleinem Raum über keinen Anfang und kein Ende, ist auf kleinem Raum unkonventionell. Dass wiederum der Roman zu keinem Ende kommt, erfahren Lesende erst mit hundertfacher (Seiten-)Verzögerung.

Nun kann der Comic keiner zufriedenstellenden Lektüre zugeführt werden. Trotzdem ›liest‹ ihn der Junge unmittelbar nach der ersten Begutachtung ein zweites Mal und achtet anschließend penibel darauf, »not to get it creased again when he put it away next to his bag« (BBB, 45). Er, der eine Ablenkung von der marinen Ödnis darstellen sollte, wird selbst in eine wiederkehrende Lektüre und Re-Lektüre eingespeist. Der Junge nimmt ihn immer wieder zur Hand, wenn ihn die Langeweile plagt, liest ihn gleich mehrmals, obwohl er weiterhin keinen Zugang zu ihm findet. Trotz all der Wiederholungen stellt sich keine Erhellung ein, »[h]e’d read it over and over, and the same things happened again and again, and none of it made any sense« (BBB, 58). Vielmehr gewöhnt sich der Junge an den Comic und scheint das Unverständnis, mit dem er ihm jedes Mal notgedrungen begegnet, nicht mehr zu fürchten. Stattdessen wird es möglich, der Wiederholung gewisse – wenn auch basale – »pleasures afforded by re-reading texts« (Hassoun, 351) abzugewinnen, wobei Comics im Besonderen ein Wiederlesen niedrigschwelliger gestalten: »[G]iven their visual orientation and accessibility, comics are arguably even more amenable to re-reading than the traditional novel« (ebd.).

In seiner Unveränderlichkeit spiegelt der Comic das Meer, nimmt sich dabei aber kontrollierter, überschaubarer aus und erlaubt dadurch einen Umgang mit dieser schier endlosen Reise. Die pro forma ausgeführte Lektüre wird zum Mantra gegen das Meer und seine Widrigkeiten. Dass sich der Junge schließlich mit der Weigerung des Comics, mehr von sich preiszugeben, abfindet, wird wiederum zur Blaupause für die zunehmende Akzeptanz der Situation, in der er sich befindet. Im Kleinen lehrt ihn der Comic so, Frieden damit zu schließen, dass das Meer alle Fluchtversuche immer wieder aufs Neue zerschellen lässt.

Während der Junge den Comic anfangs noch nach einem Sinn befragt, arrangiert er sich im weiteren Verlauf der Reise mit diesem Mangel, macht es sich inmitten dieses Status quo bequem: »He started to read the comic again. He didn’t pay it much attention though. He knew it so well now that there were no surprises left in it for him« (BBB, 157). Zum Ende hin erfährt die Comic-Lektüre schließlich keine weitere Charakterisierung mehr, »he […] reread the comic a couple of times« (BBB, 276). Er tut es nicht, um dem Geheimnis des Comics auf den Grund zu gehen oder sich vom Meer abzulenken, als vielmehr in einem Akt der Hingabe an die Unmöglichkeit eines Eingreifens. Der Comic wird zum Logbuch dieser ausweglosen Reise.

Die Freiheit des Ausschnitthaften

Den Comic als Comic gibt es also im Grunde gar nicht. Und dann liegt von diesem eigentlich unmöglichen Comic auch noch lediglich ein Ausschnitt vor – gewissermaßen eine potenzierte Nichtexistenz. Die Tatsache, dass es dieser Unterstellung eines Comics gelingt, die Freiheit des Meeres nachzuempfinden, verdankt sich zu einem großen Teil der Imagination des Fragmentarischen.

Die dezidierte Ausweisung eines Mangels wirkt nämlich entwaffnend. Es existieren zu
viele Leerstellen, als dass ein qualifiziertes Urteil gefällt werden könnte. Denn das Geheimnis des Comics, das sich dem Jungen nicht offenbart, könnte – so zumindest der immerfort im Raum schwebende Einwand – in einer der (oder gleich allen) Auslassungen verborgen sein. So fallen etwa Diskrepanzen beim Abgleich von Comic und ihn beschreibendem Fließtext auf: Als eine Art ausgelagerter Meta-Blocktext, der in direkter Weise auf den Comic referiert, liegt es zunächst nahe davon auszugehen, dass diese Textpassagen nicht über das hinausgehen, was an Comic zur Einsichtnahme bereitgestellt wird.

Und doch ist von einem »Aaargh!« die Rede, das genauso geschrieben ist, wie es der Junge gewohnt ist, und von einem »gigantic slimy monster with a million teeth« (BBB, 44). Beide Elemente lassen sich von externen Lesenden nicht prüfen, tauchen im Comic-Ausschnittnicht auf, rufen Unbehagen hervor, weil dem Jungen offensichtlich mehr Comic zur Verfügung steht und deshalb unklar bleibt, was und wie viel zurückgehalten wird – vom Jungen, von Dave Shelton? Oder werden hier gar diegetische Ebenen durcheinandergebracht? Denn das beschriebene Monster erinnert verdächtig an das Seeungeheuer, dem sich Bär und Junge rund 120 Seiten später stellen müssen. Dadurch, dass der Comic der Beschreibung im Text vorgelagert ist, stellt sich weiterhin eine eigentümlich verzögerte Sorge um die Protagonistin ein (aus Mangel an Informationen schlicht als junges Mädchen bezeichnet), weil man ihre im Romantext erwähnte Begegnung mit einem »seemingly certain death« (ebd., 44) angesichts ihrer auf der vorherigen Comic-Doppelseite gelungenen Flucht nicht als akut oder auch überhaupt nicht empfand.

Die Panelzwischenräume im zur Verfügung stehenden Comic-Teil lassen hingegen nicht allzu viel Unergründliches vermuten. Im Wesentlichen beschränken sie sich darauf, von den Lesenden die Zusammenfügung der einzelnen Etappen einer Verfolgungsjagd zu erbitten.

Anders verhält es sich mit den gewichtigen Unbekannten des Davor und Danach. Denn der Comic ist ein ausschließliches Mittendrin und entspricht damit der unmittelbaren Erfahrung auf dem Meer, die sich immer nur auf einen Teil des (nicht einsehbaren) großen Ganzen beschränkt. Dennoch könnte – so auch hier das nie eingelöste, aber stets wachgerufene Versprechen – hinter jedem nächsten Horizont Land warten, etwas, das als Ziel taugt.

Doch was folgt nun, wenn Leser_innen des Comics eben nicht aufgefangen werden »by the outstretched arms of the ever-present next panel« (McCloud 1994, 90), sie vielmehr den verschränkten Armen einer sich verweigernden Fortsetzung gegenüberstehen, weil es kein nächstes Panel gibt? Es scheint fast so, als würden Lesende durch den abrupten Abbruch, den der Comic vollzieht, in den gigantischen Weißraum der folgenden rund 250 Textseiten entlassen werden. Die Möglichkeit zur Vollführung einer Closure-Leistung – »observing the parts but perceiving the whole« (ebd., 63) – wird ausgesetzt, ist nicht leistbar. Der Comic kappt jede Verbindung sowohl zu einer möglichen Vergangenheit als auch zu einer denkbaren Zukunft, seine Eckpunkte bleiben wie die des Meeres völlig unbestimmt.

Der Comic bzw. sein letztes einsehbares Panel wird zum ultimativen Cliffhanger, zur ultimativen Closure-Herausforderung. Das, was Scott McCloud als Magie von Comics bezeichnet, als »silent dance of the seen and the unseen« (ebd., 92), radikalisiert sich in der klaffenden Ungewissheit, die an dieses letzte Panel angrenzt. Zusätzlich unterstützt wird dies durch den Umstand, dass dem Mädchen zwar die Flucht gelingt, sich ihr Gegenspieler jedoch durch Dematerialisierung aus der ihn traktierenden Baumkrone befreien kann. Bezeichnenderweise äußert sich dieser Vorgang in einer – deutlich von seinem vorherigen Erscheinungsbild abweichenden – fließenden, sich verflüssigenden Bewegung, die kompatibel mit dem über die Folgeseiten wachenden Meer anmutet. So erscheint es plötzlich möglich, dass der Schurke die Heldin auch über die folgenden Textseiten hinweg verfolgt, ihr erneut zusetzt. Die Sorge um sie verbleibt in der Schwebe, denn: »To kill a [hier: wo]man between panels is to condemn him [bzw. her] to a thousand deaths« (ebd., 69).

Dass aber diese Möglichkeit aller Wahrscheinlichkeit nach nicht ausgespielt wird, ist der Tatsache zu verdanken, dass im Zusammenhang mit dem Comic nicht nur von einem ultimativen Cliffhanger, sondern auch von einem ebensolchen Spoiler gesprochen werden müsste. Zunächst könnte man – im Gegenteil – meinen, dass dem vorliegenden Stück Comic in seiner rigorosen Auslassungspolitik (unfreiwillige) Enthüllungen mehr als fern liegen und er sich damit sogar dem Comic-Grundsatz entzieht, es gebe »no absolute way that the artist can prevent the reader from receiving panels out of order« (Hassoun, 348) – obwohl natürlich auch die gegebene Doppelseite für »non-sequential page scanning« (ebd., 347) offensteht. In jedem Fall handelt es sich um ein überaus kontrolliertes Konstrukt, das sehr darauf bedacht zu sein scheint, die durch die Ausschnitthaftigkeit des Comics herbeigerufene Irritation wachzuhalten.

Und doch ist da eine potenzielle und dabei geradezu riesenhafte Entlarvung in ebendieser Konstruktion angelegt. Denn im Grunde lässt sich hier das anwenden, was auch im Zusammenhang mit Seriellem gilt: In dem Bewusstsein nämlich, dass ein Heft einer Reihe oder eine Episode einer Staffel das bzw. die jeweils letzte sein wird, liest man das entsprechende Heft bzw. schaut sich die entsprechende Episode anders an, als man es mit dem Wissen um theoretische Endlosigkeit täte. Diese Diskrepanz erfährt mit dem Comic-Fragment eine Verschärfung. Denn aller Wahrscheinlichkeit nach war dieses Teilstück – wie bereits an früherer Stelle erwähnt – niemals vollständig und versperrte sich zudem von vornherein jedem ›Sinn‹.

Laut Dan Hassoun seien »non-sequentiality and spoilers […] central to comic narration, and […] they facilitate, rather than impede, the pleasure we receive when engaging such texts« (347). Nun greift der genannte Basis- oder Ur-Spoiler zweifellos die Fiktion an, »pleasure« wiederum vermag möglicherweise der Umstand zu bereiten, dass man als Leser_in sicher sein kann, nichts zu verpassen, so etwa einen in Gänze vorliegenden Comic. Der Junge ahnt davon nichts, er empfindet den Comic als Ausschnitt und beklagt zumindest zu Anfang diese vermeintliche Unzulänglichkeit.

Doch im Grunde ist es einerlei, ob nun ein Wissen darüber vorherrscht, dass es vermutlich nie eine Ganzheit zum Teilstück gab, und auch, ob diese Frage verbindlich geklärt werden kann. Entscheidend ist (und darin liegt der besondere Mehrwert), dass sich in diesem mutmaßlichen Ausschnitt eines Comics Cliffhanger und Spoiler zusammentun und einander aushebeln, was dem Comic selbst eine gewisse Neutralität einbringt und ihn von der Notwendigkeit zur Kontextualisierung entbindet.

Durch seine Isolierung und die Nonsens-Tradition, in die er sich (sprachlich) einreiht – dies ohnehin ein Pool von Freiheiten – ist er keiner Dramaturgie verpflichtet und zeichnetdam it das Meer, das Bär und Junge bereisen, in seiner Rigorosität nach. Dieses ist wiederum insofern unkonventionell und näher am echten als an einem Kinderbuchmeer, als es sich ebenfalls zu keiner Dramaturgie verpflichtet. Es gibt keine Zusage für Erzählenswertes, stellt sich weder für spektakuläre Schiffbrüche noch für spektakuläre Rettungsaktionen zur Verfügung (obwohl es sowohl das eine als auch das andere dann doch gibt), es folgt keinem Drehbuch, lässt sich nicht ein auf ein klassisches Happy End.

»Then he read it. Only he couldn’t.«

Man könnte meinen, der Junge übertreibt ein wenig, wenn er moniert, den Comic nicht lesen zu können. Denn um der Grundstruktur rund um »heroine« und »villain« folgen zu können, bedarf es nicht unbedingt einer Kenntnis der insgesamt zwanzig auf zehn Panels verteilten Wörter, vielmehr genügen die Bilder, um die offenbar gemeinte Verfolgungsjagd als solche zu erkennen: Ein Mädchen flieht vor einem hakennasigen Schurken, der Schurke ergreift sie, dem Mädchen gelingt es, sich mithilfe eines Karateschlags zu befreien, der Schurke verfängt sich in einem Baum (oder wird von selbigem ergriffen), das Mädchen flieht, der Schurke dematerialisiert sich und nimmt die Verfolgung wieder auf. Was könnten Worte dem noch hinzuzufügen haben?

Und doch erscheint das Gefühl des Strauchelns, das der Junge angesichts der fremden Sprache empfindet, glaubhaft. Ein wenig vermag er sich am bekannten »Aaargh!« festzuhalten, das aus einem klassischen Comic-Vokabular schöpft und als Anker in Erscheinung tritt, der zumindest zu einem kleinen Teil die Sprachbarriere überwindet. Doch darüber hinaus bleibt Unverständnis, gepaart mit dem Willen zum Verstehen. Dabei weiß der Junge nicht, dass die Sprache, zu der er so verzweifelt Zugang erhalten möchte, (zumindest in einer außerliterarischen Wirklichkeit) nicht existiert.

Auch Leser_innen des Romans ergeht es nicht anders. Bei der Tatsache, dass die Sprache, die sich der Comic zunutze macht, fiktiv ist, handelt es sich nämlich um ein Wissen, das sich – jedenfalls gesichert (die Voraussetzung würde darin bestehen, alle Sprachen der Welt zu kennen) – nicht unmittelbar beim Lesen einstellt. Doch auch nachdem man zwecks Beweisführung ein Übersetzungsprogramm mit den sperrigen Wörtern gefüttert hat und sich die Fiktion hat bescheinigen lassen, bleibt das Auge weiterhin darauf getrimmt (vor allem nach dem Fluss der vorherigen Romanlektüre), Text – wie auch immer dieser geartet ist – letztlich einer Lektüre zuzuführen. Obwohl die universellere Bildsprache des Comics für eine gewisse Kompensation des Unverständnisses sorgt, wird vorsätzlichem Text dennoch unterstellt, dabei behilflich sein zu können, der Verwirrung eine zusätzliche Bedeutungsebene entgegenzusetzen und dadurch die zirkulierende Gewohnheitslektüre zu unterbrechen.

Der Versuch, Sinn und Kohärenz zu generieren, stellt sich also automatisch ein (eine beispielhafte Spekulation: »Du vij mur.« / »Ni!« [BBB, 43] → »Lass mich los.« / »Nein!«). In dem eingangs zitierten Blogbeitrag spielt Dave Shelton mit diesem Automatismus. Denn auf seine Behauptung hin, »i dij ek kadu!« brauche »no further explanation«, greifen die Kommentierenden sein Verwirrspiel umgehend auf und kokettieren zurück (zumindest unter der Voraussetzung, dass ihre Reaktionen nicht Teil der Inszenierung Sheltons sind): »Surely it doesn’t. / Though I, for one, would appreciate one anyway …« und »I think everything you need to know is in there. The beginning, the middle and the end were very strong, but I reckon the bits inbetween could do with some tightening up«. Zwischen Ironie und Rhetorik offenbaren sie damit das Bedürfnis, aktiv platziertem Text eine Bedeutung zu entreißen.

Shelton jedoch persifliert die potenziell konkretisierende Funktion, die Scott McCloud Worten zuschreibt – »[t]hey bring with them an unparalleled level of specificity« (2006, 30) –, und legt offenbar keinen Wert auf die »one power that can break through the wall which separates all artists from their audience – the power of understanding« (McCloud 1994, 196). Stattdessen sorgt er für Verwirrung und vervielfacht sie sogar, indem er auf die Kommentare antwortet: »Well, I think the lacunae are deliberately enigmatic, which can take some getting used to, but ultimately rewarding to a committed reader«.

Doch zugleich gelingt ihm dadurch die Akzentuierung der in seiner Fantasiesprache angelegten Sprachlosigkeit (trotz Worten) – »[t]his use of a fantasy alphabet is one way in which the book [hier: Shaun Tans The Arrival] draws attention to its wordless nature« (Postema, 317). Es geht um Leerstellen, um Offenbleibendes und um das Vermögen von ›Worten‹, die dadurch, dass sie von einem konventionellen Verstanden-Werden entkoppelt sind und nichts Bestimmtes sagen müssen, eine Befreiung erfahren. Durch ihr Beharren darauf, sich jeder Bedeutung zu versperren, adressieren sie das Unsagbare, das bei dem Versuch, in Sprache überführt zu werden, zwangsläufig in Chaos mündet. Auf diese Weise schlagen sie erneut einen Bogen zum Meer.

Ebenso wie der Comic bleibt das Meer nämlich unlesbar, verweigert sich von vornherein einer Lektüre (im Kleinen macht sich das beispielsweise daran bemerkbar, dass der Junge Sturmanzeichen falsch ›liest‹ – vgl. BBB, 278). Es kann nicht (adäquat) vom Meer gesprochen werden, trotz Karten, die einen Zugang zu gewähren suchen, trotz überlieferten Seebärenwissens bleibt es für sich, ignoriert das menschliche Bedürfnis nach Erkenntnisgewinn.

Und vielleicht gelingt es dem Comic – gerade weil er das Meer auf der Ebene der Bildsprache konsequent ausspart, sich nicht an seiner Entschlüsselung versucht, sondern parallel zu ihm Wirrnis erzeugt –, aus der ihm eigenen Medienspezifik heraus das vom Meer ausgehende Unbehagen in seine Sprache zu übersetzen. Womöglich kommt er deshalb der Erfahrung auf dem Meer am nächsten, der Ergriffenheit, dem Aufgewühlt-Sein, der notgedrungen empfundenen Fremde und Unfassbarkeit.

Zu der alternativlos anmutenden Unlesbarkeit und der Sprachlosigkeit angesichts eines unverständlichen, eines sich nicht erschließenden Meeres – der Unfähigkeit, es betreffende Aussagen zu treffen – kommt die vom Meer selbst ausgehende Sprachlosigkeit. Es ist sich selbst genug, hat Menschen und Bären nichts zu sagen, ist nicht auf sie angewiesen: »Wir haben Eile, diesem fremden Element wieder zu entkommen. Zwar brauchen wir es, aber es braucht uns nicht. Es kann auf den Menschen bestens verzichten. Die Natur scheint auf einen solchen Zeugen wenig Wert zu legen […]« (Michelet, 21).

Wasser/Papier/Metall/Pixel

Comic und Meer haben sich, so scheint es, darauf geeinigt, Menschen und Bären, die ihnen Sinn abzuringen versuchen, zurückzuweisen. Aus dieser Übereinkunft heraus gehen beide zwischenzeitlich sogar eine unmittelbare Verbindung ein. Den zustande kommenden Begegnungs- und Berührungspunkten liegt dabei in entscheidendem Maße die Materialität des Comics zugrunde.

Zunächst präsentiert er sich dem Jungen »very badly creased« (BBB, 39), er entdeckt ihn eingeklemmt unter der Bootsbank, auf der er sitzt. Weiterhin wird er nach einem tosenden Sturm – so schlicht, wie es nur sein kann – nass. Der Junge muss sich dieser Lädierung annehmen: »He looked through the comic again. He had it out on the middle bench to dry and had to turn its soggy pages very carefully to avoid pulling them free from their staples. It took him a long time to get to the end this way« (BBB, 114). Diese auferlegte Kontemplation – die aufgezwungene Verzögerung der Lektüre – führt ihn zu einer Erkenntnis, die zugleich die Bürde der von Meer und Comic ausgehenden Zirkulation legitimiert: »And then, of course, the end wasn’t the end anyway« (ebd.).

Im Rahmen einer improvisierten Angelunternehmung der beiden Seereisenden kommt dem Comic schließlich eine besondere Aufgabe zu, die jedoch seine Dekonstruktion nach sich zieht: »The boy was busy and intent. He opened up the comic and began working at one of the staples, unbending its arms and wiggling it free of the pages. He soon had it loose and held it up, proudly and hopefully, for the bear to see« (BBB, 125). Eine der Comic-Heftklammern wird zum Angelhaken, hilft dabei, Jungen und Bären vor dem Hungertod zu bewahren. Auf diese Weise verlängert sich der Comic – repräsentiert durch eine seiner Heftklammern – zum gefangenen Fisch und schließlich zum Meer hin.

All das, der ramponierte Zustand des Comics – die Knicke, das im Zuge der Nässe gewellte Papier – und der Umstand, dass er dessen, was ihn zum Heft machte, beraubt wird und fortan aus losen Seiten besteht, erschwert eine Lektüre ungemein. Das, was Comic und Meer dem Bären und dem Jungen anzubieten haben, beschränkt sich ausschließlich auf Kompromisse – ein mühseliges Umblättern von unlesbaren Seiten, ein umständlich gefangener Fisch, der gleich zwei Hunger für viele Tage zu stillen hat.

Beim Comic hingegen beruft sich das Meer auf eine geradezu unmäßig Unwahrscheinlichkeit und verzichtet darauf, ihn zu zersetzen, aufzuweichen, obwohl es scheinbar unnachgiebig in ihn hineinfließt. Der Grund dafür ist in einer Koalition zu finden, die die beiden eingegangen sind – eine Koalition der Abschottung gegen jene, die Einblick erhalten möchten –, in der Absprache, bis zuletzt unverstanden zu bleiben.

Der Comic ist es auch, dem es als einzigem gelingt, diesem Meer zu entkommen, abseits von ihm zu existieren. In einer eigentümlichen zeitlichen Entkopplung, einem anderthalbjährigen Vorgriff macht er sich in Form der von Dave Shelton am 29. Juli 2010 geposteten Worte von der soeben beschriebenen Stofflichkeit frei und vertraut sich einem anderen Meer, dem Datenmeer des digitalen Raums, an – und zwar noch bevor diese Worte als Sprechblaseninhalt in einen simulierten Comic-Ausschnitt Einzug erhalten, der wiederum in einem Roman seinen Auftritt inszeniert, noch bevor dieses Meer, das Jungen und Bären traktiert, auf den Plan tritt. Womöglich ein vorgezogener Freundschaftsdienst, den das Meer dem Comic erweist?.

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Bibliografie

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Abbildungsverzeichnis

Many thanks to Dave Shelton who kindly provided the illustrations for this article!