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Mit bunten Strahlenkanonen in den Kampf gegen die Farblosigkeit

The True Lives of the Fabulous Killjoys rezensiert von Maximiliano Francisco Ramis de Ayreflor und Dennis Wegner

Vom Rockalbum zum Comic: In The True Lives of the Fabulous Killjoys erzählen Gerard Way, Shaun Simon und Becky Cloonan eine postapokalyptische Geschichte, welche die Grenzen zwischen Musik, Film und Comic überschreitet. Doch wie gut lassen sich diese Medien überhaupt vereinen?

Killjoys entwirft ein dystopisches Szenario, in dessen Zentrum ein Mädchen steht, das namenlos bleibt. Es wird von den Killjoys, einer Art Rebellengruppe, als Erlöserin gehandelt, die den Kampf gegen die Better Living Industries (BLI) ein für alle Mal entscheiden soll. Die BLI haben die Stadt Battery City seit vielen Jahren im Griff und ihre Bewohner_innen durch eine Art Gehirnwäsche gefügig gemacht. Zwei weitere Handlungsstränge erzählen parallel die Geschichten der Droiden Blue und Korse. Blue ist eine Prostituierte, eine sogenannte Pornodroidin, die zum Vergnügen der Mitarbeiter der Better Living Industries programmiert wurde. Korse hingegen arbeitet als Auftragskiller für die skrupellose Firma. Beide Droiden lehnen sich jedoch zunehmend gegen das Schicksal auf, das ihnen von den Menschen auferlegt wurde.

Mit The True Lives of the Fabulous Killjoys legen Gerard Way, Shaun Simon und Becky Cloonan einen lang erwarteten Comic vor. Way wurde als Sänger der Rockband My Chemical Romance bekannt und konnte sich bereits mit seiner von Kritiker_innen hochgelobten Reihe The Umbrella Academy als ernstzunehmender Comicbuchautor profilieren, während Simon mit Killjoys sein Debüt gibt. Becky Cloonan hat für Tokyopop und Vertigo gearbeitet, 2012 hat sie für DC Comics einen großen Batman-Titel gezeichnet.

Killjoys in bunt gegen die farblose Welt der BLI.

Die Autoren haben es sich zur schwierigen Aufgabe gemacht, die drei komplexen Handlungsstränge in nur sechs Kapiteln zu erzählen und zusammenzuführen. Hierfür werden die drei Erzählungen grafisch unterschiedlich gestaltet. In der Storyline des Mädchens sind Charaktere, Umwelt und Gegenstände farbenreich visualisiert. Diese Vielfalt von leuchtenden und kräftigen Tönen findet sich in den beiden Handlungsbögen der Droiden in Battery City deutlich weniger. Das Stadtsetting setzt auf düstere Monochromie, aus denen nur selten hellere Farben herausstechen. Viele Details, die mit BLI zu tun haben, werden dagegen sehr steril, mit häufigem Vorkommen von Weiß gezeigt. 

Diese Differenzierung durch Farben setzt sich nicht durch den ganzen Comic fort, sondern wird aufgehoben, sobald die Erzählstränge zusammengeführt werden. Erkennbar ist dies ab dem dritten Kapitel: Der in ›Blues Story‹ verwendete Farbstil ähnelt zunehmend dem in der Handlung um das Mädchen. Das Farbschema wird außerdem noch von den Rückblenden unterbrochen, die blass und mit einer verschwommenen Panelbegrenzung dargestellt werden.

Bei der Gestaltung der Seiten und Panels wird auf Variation gesetzt, sie ändert sich mit der Situation. Schlüsselszenen werden oft mit Schwarz unterlegt oder sie verdrängen das gutter und füllen die Seite bis zum Rand aus. Auch in den Sprechblasen und Textboxen spielt Farbe eine wichtige Rolle. Jedem Protagonisten wird eine Farbe zugeordnet, die immer dann zum Einsatz kommt, wenn die Szene wechselt. So kann es vorkommen, dass sich der Monolog von Blue in blauen Textboxen fortsetzt, während parallel bereits die Szenerie einer anderen Storyline etabliert wird.

Beim Zusammenführen der Handlungsstränge verzichten die Autoren auf weitreichende Erläuterungen, die den Aufstieg der Better Living Industries zur Diktatur über Battery City und die damit einhergehende Revolutionsbewegung der Killjoys beleuchten. Die bestehenden Machtstrukturen werden an den Beweggründen der Protagonisten deutlich: Die Killjoys möchten ihrem Exil, der Wüste außerhalb der Stadt, entfliehen. Das Eindringen in Battery City stellt gleichzeitig einen Angriff auf die Better Living Industries dar.

Die beiden Droiden Korse und Blue hingegen versuchen, den Fängen der BLI und damit der Stadt zu entkommen. Ausgerechnet die Liebe, ein durch und durch menschliches Attribut, ist in beiden Fällen der Auslöser für den Sinneswandel. Blue versucht den Tod ihrer Freundin Red zu verhindern, die ein Auslaufmodell ist und deshalb von BLI vernichtet werden soll. Korse führt eine verbotene Beziehung mit einem Mann, von der die Industries nichts wissen dürfen.

Way und Simon greifen mit diesen Narrationen einen seit Frankenstein beliebten Science-Fiction-Topos auf: die sich emanzipierende künstliche Schöpfung, die ihrem prometheischen Schöpfer gegenüber steht. Dies zeigt sich besonders im Fall des Auftragskillers Korse: Nicht seine Homosexualität wird von der Diktatur und damit von seinen Schöpfern als Verbrechen geahndet, sondern die Tatsache, dass der  Droide Emotionen wie Liebe entwickeln konnte. 

Die Entstehungsgeschichte des Comics erläutern Way und Simon in einem Nachwort. Das Killjoys-Universum habe sich aus gemeinsamen Überlegungen über Jahre hinweg herausgebildet, entscheidend für die Handlung sei jedoch Ways Arbeit mit seiner Band My Chemical Romance gewesen. Diese nahm ein Konzeptalbum mit dem Namen Danger Days: The True Lives of the Fabulous Killjoys auf, das die Geschichte von vier Draufgängern in einer postapokalyptischen Wüste und deren Kampf gegen die Better Living Industries erzählt. Die Band veröffentlichte unter dem Motto Art is the Weapon zwei cineastische Musikvideos, deren Handlung rückblickend als Prequel zum Comic verstanden werden kann. Wichtige Elemente des Comics finden in diesen Videos Eingang in die medienübergreifende Killjoys-Diegese. Die Musikvideos und vor allem das Album funktionieren aber auch ohne den Comic. Ebenso ist zum Verständnis des Comics das Vorwissen um Musik und filmische Umsetzung zwar bereichernd, aber nicht zwingend notwendig.

Leider gibt es einige qualitative Unterschiede innerhalb der drei Handlungsstränge; die Erzählung um das namenlose Mädchen verlässt sich zu sehr auf das Motiv der auserwählten Erlöserfigur, welche die Unterdrückung beenden soll. Das Ende des Comics ist dadurch zu weiten Teilen vorhersehbar. Die Storyline des Antihelden Korse hingegen setzt altbekannte Erzählstrukturen kreativ und erfrischend um. Die Handlungsbögen werden durch die Farbgebung differenziert und durch eine voranschreitende Vereinheitlichung des Stils schlüssig zusammengeführt.

Doch nicht nur innerhalb des Comics gelingt die Verflechtung der einzelnen Komponenten: Sowohl der Comic als auch die Musikvideos und das Konzeptalbum funktionieren unabhängig voneinander, ergänzen sich jedoch wechselseitig, weshalb Killjoys komplett ohne das Vorwissen durch Danger Days gelesen werden kann.

 

The True Lives of the Fabulous Killjoys
Gerard Way (W), Shaun Simon (W), Becky Cloonan (P)
Milwaukie, OR: Dark Horse, 2014
160 S., 14,50 Euro
ISBN: 978-1-59582-462-2