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Will Superman Survive this Medial Transgression? Tune in Next Week!

Superman Transmedial rezensiert von Lars Banhold

In seiner Dissertation Superman Transmedial widmet sich Stefan Meier nicht nur der Historie des Ur-Superhelden, er zeichnet auch aufschluss- und kenntnisreich die Geschichte der Medien in den USA nach.

Superhelden mögen, je nach Definition, aus dem Comic kommen und noch immer vorwiegend mit diesem assoziiert werden. Sie sind jedoch vor allem transmediale Phänomene. Hiervon zeugt nicht nur der seit Jahren anhaltende Boom im Hollywood-Kino, sondern auch die beachtliche Menge an Computerspielen, TV-Serien, Zeichentrickfilmen, Theaterstücken, Musicals, Spielzeugen, Modeartikeln etc. Der Frage, warum Superhelden gerade jetzt so viele Medien besetzen, begegnet der Chemnitzer Amerikanist Stefan Meier – nicht zu verwechseln mit dem ebenfalls in Chemnitz ansässigen Medienwissenschaftler gleichen Namens – in seiner Dissertation mit der Feststellung, dass Superhelden schon von Anfang an ein transmediales Phänomen waren. Zumindest gilt dies für den Archetyp der Superhelden: Superman.

Im Verlauf der knapp achtzig Jahre seit seiner Erfindung scheint Superman bei jedem größeren Medienwandel der USA eine Rolle gespielt zu haben. Meiers Arbeit ist dabei nicht so sehr eine Studie zur Figur ›Superman‹ oder deren Wandel innerhalb historischer Kontexte, als vielmehr eine Mediengeschichte der Vereinigten Staaten im 20. Jahrhundert: vom Aufstieg des Comic Book zum Massenmedium, den insbesondere Supermans Debüt 1938 kennzeichnet, über die Etablierung des Radios in den 1930ern / 40ern mit The Adventures of Superman, den Animationsfilm mit der Reihe der Fleischer Studios, die Verbreitung des Fernsehens anhand der TV-Serie mit George Reeves, die Entwicklung des Hollywood-Blockbusters mit Richard Donners Superman – The Movie, die Neudefinition des Medienverbundes anhand der TV-Serie Smallville und schließlich die aktuelle Superhelden-Mode im Kino mit Bryan Singers Superman Returns.

Wie der Titel bereits andeutet, erkennt Meier einen konkreten Zusammenhang zwischen der Adaptabilität Supermans und der ihm eingeschriebenen Serialität. Ständige Wiederholung, Variation und Aktualisierung sind von Anfang an in das Konzept der Figur eingeschrieben. Für neue Medien, die sich ihr Publikum erst noch erschließen müssen, ist diese Serialität, so argumentiert Meier ausgehend von u. a. Roger Hagedorn, zudem ein probates Mittel der Etablierung. Insbesondere die ständige Wiederholung bekannter Muster erleichtert den Rezipient_innen die Gewöhnung an die spezifischen Voraussetzungen des entsprechenden Mediums bzw. der entsprechenden medialen Neuerung. Gerade die Flachheit der Figuren und die Simplizität der sich wiederholenden Handlungsverläufe, die im Laufe der Zeit durch bekannte Elemente (catchphrases, Nebenfiguren usw.) ergänzt werden, bieten sich an, die Möglichkeiten eines neuen Mediums auszuloten.

Wie dies im Fall Supermans vonstattengeht, erläutert Meier weitgehend einleuchtend in seiner Überblicksdarstellung. Das ist besonders interessant, wenn er die auf den ersten Blick nicht sofort offensichtlichen Analogien zwischen der Neuausrichtung Hollywoods in den 1970ern und dem Paradigmenwechsel des Superheldencomics um 1986 aufdeckt oder die Radiosendung der 1940er, die zur Prime Time gesendet wurde, in Kontrast zu den mittags gesendeten Formaten für Hausfrauen setzt. Auf knapp 200 Seiten breitet Meier die Konvergenz von Medienwandel und Serialität am Beispiel Supermans schlüssig aus, der als Figur wiederum durch jede Adaption selbst revidiert wird. Dabei verzichtet Meier auf unnötige Detailversessenheit, close reading oder einen angestrengten akademischen Duktus. Obwohl dies grundsätzlich erfreulich ist, ergeben sich hieraus zwei elementare Kritikpunkte.

Erstens bleiben durch die Kürze der Arbeit zahlreiche blinde Flecken bestehen. So beschränkt sie sich in Bezug auf die in diesem Kontext enorm interessanten Kino-Serials mit Kirk Alyn auf einige kurze Sätze und Fußnoten. Dabei handelt es sich um eine elementare Schnittstelle zwischen Radio- und Fernsehserie, sowie eine spannende technische Hybridisierung aus Realfilm und den Fleischer Cartoons. Die Saturday Morning Cartoons, die für die Post-Baby Boomer prägend waren, wie Superfriends, die Filmation-Serien oder Superman: The animated Series, übersieht Meier völlig. Auch Lois & Clark: The Adventures of Superman, die erfolgreiche TV-Serie der 1990er, die im direkten Medienverbund mit den Comics der Zeit stand, erwähnt er nur beiläufig.

Zudem lässt der lockere, leserfreundliche Stil teilweise die Grenze zum Feuilleton verschwimmen. So ist die Eliminierung des Multiversums mit seiner widersprüchlichen Kontinuität zwar der inhaltliche Aufhänger der Crisis on Infinite Earths und wurde vom Verlag betont. Der Grund lag jedoch nicht primär im Wunsch, der Diegese eine ästhetischere Geschlossenheit und Kohärenz zu verleihen, wovon auch das widersprüchliche Ergebnis zeugt. Es handelte sich vielmehr um den Höhepunkt einer Marketingstrategie, die auf Crossovern wie Secret Wars, Merchandising und der Revision schwächelnder Franchises basierte. Diskussionswürdig ist zudem die Bewertung von Superman Returns, dessen vermeintliches Scheitern Meier mit dem Fehlschlagen in Verbindung bringt, eine neue Serialität zu begründen. Dies funktioniert nur, weil Meier den Film als »Reboot« behandelt, wobei er den Begriff etwas unscharf verwendet. Denn Superman Returns versucht als stilistische und explizit inhaltliche Fortsetzung der ersten beiden Kinofilme durchaus deren Serialität fortzuschreiben. Hier liegt ein hochinteressantes Beispiel für das Scheitern von Serialität vor, das Aufmerksamkeit verdient hätte.

Obwohl an dieser Stelle streitbar, ist Superman Transmedial ein lohnender, ebenso unterhaltsamer wie aufschlussreicher Beitrag zur Comicforschung sowie zu den Bereichen Transmedialität und Serialität. Sowohl als Übersicht, als auch in der inspirierten Verbindung von Figuren- und Mediengeschichte ist Meiers Darstellung durchaus geglückt.

 

Superman Transmedial
Eine Pop-Ikone im Spannungsfeld von Medienwandel und Serialität
Stefan Meier
Bielefeld: transcript, 2015
202 S., 29,99 Euro
ISBN 978-3-8376-2968-2